Der Anruf

Vor einiger Zeit habe ich Ihnen verraten, dass ich wohl jeweils die allerletzte bin, die ihre Zeilen der Redaktion einschickt. Immer ganz kurz vor Redaktionsschluss. Aber ich habe Ihnen auch gesagt, dass dies nichts mit Faulheit zu tun hat, sondern damit, dass sich bei uns – alltäglicher Familienwahnsinn! - die Ereignisse laufend überschlagen, über die ich Ihnen brühwarm berichten möchte. Deshalb warte ich wohlweislich bis zum letzten Moment, um Ihnen dafür die aktuellste aller möglichen Geschichten zu erzählen.

Doch nicht letzte Woche. Alles schien so ruhig nach unseren Ferien, ja geradezu langweilig und deshalb schickte ich so früh wie schon lange nicht mehr meine Zeilen der Redaktion zu und ging montags sehr gelassen ins Büro: ausgeruht, die Kolumne bereits unter Dach und Fach. Aber dann passierte es, kurz nach dem Mittag im Büro: DER Anruf kam, auf den ich schon Jahre gewartet hatte.

Dieser Anruf, mit dem dir jemand am anderen Ende der Leitung sagt, dass du dein Kind dringend in der Notaufnahme des Spitals aufsuchen musst. Nach 7 1/2 Jahren Glück auf allen Ebenen, rief mich die Hortleiterin an, unser Kleiner hätte einen Unfall erlitten, dabei den Kopf ganz unglücklich verletzt und sei derzeit in der Notaufnahme. Es sei ganz viel Blut geflossen und ich solle doch bitte ganz gschwind zu ihm. Er sei sehr tapfer, vermisse aber seine Mamma so sehr.

Ich liess alles liegen, eilte wie der Wind zu ihm und fand einen müden und traurigen, aber bei seiner Hortbetreuerin gut aufgehobenen Bub vor, der bei meinem Anblick alles nur noch so so aus sich hinaus weinen musste. Wir hatten – nicht zuletzt dank dem beherzten Notfalleinsatz seiner Hortbetreuerinnen – grosses Glück im Unglück.

Nach ein paar Untersuchungen, Nähten und Beobachtungen durften wir nach Hausen. Ende gut, alles gut. Für dieses Mal zumindest. Und nächste Woche warte ich wieder bis auf den letzten Zacken, um Ihnen unsere brandneuste Geschichte zu erzählen.

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