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Lifestyle

Düsteres für die dunklen Tage

Von: Isabella Seemann

10. November 2015

Das «Tagblatt» stellt drei neue Krimis vor, darunter die wahre Geschichte eines biederen deutschen Beamten, der zum Spion für die Amerikaner wurde.

Ein wahrer Held

Andreas Kollender: «Fritz Kolbe», Pendragon Verlag, Juli 2015, 22.90 Franken.

Am 16. Februar 1971 wird Fritz Kolbe, «pens. Beamter», in Bern zu Grabe getragen. Keiner der zehn Trauergäste ahnt auch nur im Entfernsten, was er in seinem Leben bewirkt hat. Nur zwei diskrete Herren wissen, dass da ein wahrhaft mutiger Mensch gestorben ist, und legen ihm zu Ehren einen Kranz nieder – im Namen der CIA. Kolbe war der wichtigste Spion der Alliierten in Nazideutschland, ein mittlerer Beamter im Auswärtigen Amt, dessen Aufgabe die Vernichtung streng geheimer Akten war. Standorte kriegswichtiger Industrieanlagen, Lagepläne der Führerhauptquartiere, Listen deutscher Spione im Ausland – fleissig fotografierte Kolbe die Informationen und nutzte seine Kurierfahrten nach Bern, um sie den Amerikanern zu überreichen. Ohne Gegenleistung. Kolbe war ein Mann, der nicht erst gegen das Nazi-Regime kämpfte, als alle erkannten, dass der Krieg verloren ist. Kolbe hasste Hitler und seine Vasallen von Beginn an abgrundtief. 1948 zog er in die Schweiz, arbeitete in Zürich für die Commercial Development Corporation, ein Export-Import-Geschäft, und geriet in Vergessenheit. Andreas Kollender hat Fritz Kolbe nun ein literarisches Denkmal gesetzt. Ein erstklassiger, ungemein spannender Agententhriller – und vor allem: wahr und gut recherchiert. Unbedingte Leseempfehlung!

Krimi - Debüt eines SRF-Journalisten

Wolfgang Wettstein: «Mörderzeichen», Emons Verlag, Sept. 2015, 16.90 Franken.

Die Krimis von Leutschenbacher Redaktoren gehen schon weit übers Dutzend. Böse Zungen behaupten, die jahrelange Tätigkeit als spiessiger SRF-Beamter müsse naturgemäss zu Mordphantasien verleiten. Wahrscheinlicher ist, dass Journalisten schlicht und einfach den Drang verspüren, das zu Papier zu bringen, was sie wissen. Wolfgang Wettstein, der «Kassensturz» und «Espresso» leitet, hat sich von einer Reportage über Rechtsmedizin inspirieren lassen und schickt nun einen neuen Krimihelden in die Abgründe Zürichs, dem man gerne folgt: Im ersten Fall Sokrates’ hat es der Rechtsmediziner in nur einer Woche mit fünf Morden zu tun, fünf abgehackten Händen und fünf handgeschriebenen Karten mit der selben rätselhaften Botschaft. Ein Rennen gegen die Zeit beginnt, Sokrates und das Kripo-Team müssen den Mörder dingfest machen, bevor er nochmals zuschlagen kann. Sachverständig bis ins Detail der Kriminaltechnik, vertraut mit Zürich, geschichts- und sprachbewusst, menschenkundig – mit allen Mitteln der Krimikunst hat Wolfgang Wettstein einen schaurig spannenden Roman mit charismatischen Figuren geschrieben. Möge dieser Sokrates noch zu vielen Fällen gerufen werden.

 

Vom Vatikan in den Kreis 4

Michael Moritz: «Zürcher Sumpf», Emons Verlag, Mai 2015, 16.90 Franken.

Als der Autor Michael Moritz vom Mord des Ex-Bankers an einer Prostituierten im Grand Hotel Dolder hörte, schauderte es ihn. Just dieses Szenario hatte er in seinem letzten Krimi «Tod im Dolder» beschrieben. Man hofft, dass sein dritter Fall mit dem Agenten Roger Stahl keinen Nachahmer findet. Der Schweizer Gardist Giorgio Rossi liegt tot in seinem Tessiner Rustico: theatralisch inszeniert, das Herz aus dem Leib gerissen, das Gesicht mit einer Maske verdeckt. Seine Tochter Franca, eine junge Psychologin, hat ihn entdeckt und ruft nun Roger Stahl, ein ehemaliges Mitglied der Schweizer Garde und Freund ihres Vaters, um Hilfe. Bei seinen Erkundigungen zwischen Rom und Zürich gerät Stahl immer tiefer in den giftigen Sumpf. Dabei geht es um Organhandel, die Machenschaften des Vatikans, die Archetypen der Commedia della Arte, Jugendliche auf der schiefen Bahn – zu viel Stoff für einen dünnen Krimi. Die Geschichte ist überfrachtet, die Figuren bleiben dadurch leblos – und wenn die Brasilianerin dann noch Rhythmus im Blut hat, ist wirklich jedes Klischee bedient. Und das ganz ohne Ironie. Ein Krimi aus der Abteilung Dutzendware, der dem Leser wenig Zuwendungswille abverlangt.

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