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Lifestyle

Krimi-Autor Raphael Zehnder.

Ferien - endlich Zeit zum Lesen

Von: Isabella Seemann

08. Juli 2014

Das «Tagblatt» stellt Romane vor, die nicht bloss an ihren Schauplätzen beste Sommerlektüre sind.

Raphael Zehnder: «Müller und das Lächeln des Hundes».
Emos-Verlag, April 2014. 15.90 Fr.

Ob dus glaubst oder nicht: Kommissar Müller ist wieder da! Unfreiwillig zwar. Denn er ist immer noch suspendiert und in psychologischer Behandlung. Erinnerung: Schusswaffentrauma infolge tödlich verlaufender Festnahme an der Müllerstrasse. Doch jetzt, musst du wissen, liegt da wieder ein Toter ganz in der Nähe, nämlich in der öffentlichen Bedürfnisanstalt hinter dem Volkshaus. Erstochen.

Der Ermordete Bruno Vanoli ist quasi verschwägert mit einem hochrangigen Polizisten, nämlich dem Müller sein Chef. Und dieser unternimmt alles, um seinen Untergebenen in die Geschichte hineinzuziehen – sozusagen ausserdienstlich. Als dann noch der Mops des Opfers, der dem Kommissar zur Obhut anvertraut wurde, entführt wird, ist der Müller Beni wieder mittendrin in einem neuen Fall. Und jetzt pass auf. Wenn du dem österreichischen Autor Wolf Haas seine schrägen Krimis vermisst, dann wird dir der Zehnder gefallen, ­besser sogar. Denn immerhin spielen dem Zehnder seine Romane in der schönsten Stadt zwischen Kilchberg und Schlieren: Zürich. Wenn du den Stil dieser Rezension aber schon furchtbar findest, dann kaufst du dir das Buch besser nicht. Denn genau so oder so ähnlich schreibt der Zehnder. Auf sanfte Art ätzend.

Lorenz Langenegger: «Bei 30 Grad im Schatten».
Verlag Jung und Jung, 2014. 20.70 Fr.

Jakob Walter (35), seit Ende der Schulzeit Sachbearbeiter beim Berner Steueramt («Wenn er das Verwaltungsgebäude betritt, fühlt er sich sicher.») und jeglicher Veränderung abhold, wacht eines Morgens auf und stellt fest, dass seine Frau nicht nach Hause zurückgekehrt ist. Nach zehn Jahren Ehe will sie die Scheidung einreichen, weil er «sogar dafür zu träge» sei. Die Trennung berührt ihn nicht, und doch zerfällt sein Leben in Einzelteile. Statt ins Büro zu gehen wie jeden Tag, steigt er planlos auf den Dachboden, packt seinen Rucksack und nimmt den Zug nach Zürich, wo er einen Freund besuchen will. Doch der ist nach der Geburt seines zweiten Kindes umgezogen.

So geht Walter auf den Friedhof, trinkt auf einer Bank ein Bier und trifft Jonas, einen Arbeitslosen, der diesen Zustand zur Profession gemacht hat und ihm empfiehlt, nach Italien zu fahren. Von dort aus nimmt er die Fähre nach dem griechischen Patras, weiter nach Athen, Kalamata, Kardamili, jeweils auf den Rat einer Zufallsbekanntschaft hin. Es ist eine Reise ohne äusseres Ziel, ohne inneren Antrieb, ohne bemerkenswerte Erlebnisse. Dabei erkennt Walter, dass eine Woche als Wanderer abseits des Arbeitsalltags – ohne sich zu rasieren, ohne frische Hemden und ohne seine Frau – sein Leben nicht verändert. Er wird kein verwegener Abenteurer, sondern bleibt ein durchschnittlicher Büroangestellter. «Sich selbst wird der Mensch auch auf der abgeschiedensten Insel nicht los.» Lorenz Langenegger, 1980 in Zürich geboren, hat ein Buch über seine Generation geschrieben, jene 30- bis 40-jährigen Lohnarbeiter, die am Schreibtisch sitzen und sich fragen, ob da noch was komme.

Gertrud Leutenegger: «Panischer Frühling».
Suhrkamp-Verlag, 2014. 28.50 Fr.

Frühjahr 2010. Auf Island bricht der Vulkan mit dem unaussprechbaren Namen Eyjafjallajökull aus. Kilometerhohe Aschewolken versetzen ganz Europa in einen Ausnahmezustand, denn der Flugverkehr liegt über Tage hin lahm. Auch in London, wo sich die Icherzählerin aufhält. Sie hat sich eine Auszeit genommen, wohnt im East End, plaudert mit den bangalischen Nachbarn, geht durch Strassen und Parks, besucht Kirchen und Museen, lässt sich treiben, macht sonst nichts.

Fahrt nimmt die Geschichte auf, als die Frau auf der London Bridge einem Mann begegnet mit einem Feuermal im Gesicht. Jonathan verkauft die Obdachlosenzeitung; er ist ein lausiger Verkäufer, aber ein begeisterter Erzähler. Und er hat eine abenteuerliche Reise hinter sich. Jeden Tag treffen sie sich von nun an auf der Brücke über der Themse, und allmählich gehen die Geheimnisse des einen in den anderen über. Die in Zürich lebende Autorin Gertrud Leutenegger hat sich nach sechs Jahren wieder mit einem Roman zurückgemeldet, der ungemein vielschichtig und stimmungsvoll ist und die Gegenwart in England genauso farbenreich einfängt wie die Vergangenheit in der Schweiz.

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