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Lifestyle

Freund oder Feind?

Von: Isabella Seemann

28. Mai 2018

Atlant Bieri, Umweltwissenschaftler und Bestsellerautor, ging für den Wissensband «Globi und die neuen Arten» auf die Spur von Aga-Kröten und Sumpfbibern und entdeckte Übersehene Ameisen in Zürich.

Sie reisten mit Globi und seinem Gspändli Glossa, einer Amerikanischen Zapfenwanze, um die Welt zur Erforschung neuer Arten. Was ist damit gemeint?

Atlant Bieri: Neobiota, wie der Fachbegriff heisst, sind Tiere, Pflanzen oder andere Organismen, die sich in einem Gebiet ansiedeln, in dem sie nicht heimisch sind. Häufig bleibt das folgenlos, weil die eingeschleppten Tiere gar nicht Fuss fassen können. Doch ein kleiner Teil verbreitet sich sehr erfolgreich und auf unkontrollierbare Weise und verdrängt heimische Arten. Das kann zu vielen Problemen führen. Eine neue Art in der Schweiz ist der Asiatische Marienkäfer, der bereits 80 Prozent der Marienkäferpopulation ausmacht. Umgekehrt gibt es Schweizer Arten wie den Fuchs, der sich in Australien angesiedelt hat und sich durch die dortige Fauna frisst.

Wie kommen invasive Arten ins Land?

Sie kommen nicht aus eigener Kraft, sondern durch Mitwirkung von Menschen. Einige Arten wurden offiziell eingeführt, etwa für die Zucht wie der Waschbär, entflohen aus den Käfigen oder wurden freigelassen und siedelten sich an. Andere Arten reisten als blinde Passagiere mit dem Schiff, im Flugzeug oder in Autos: Käfer verstecken sich in Importgemüse, Ameisen klettern in Container, Muscheln klammern sich an Schiffsrümpfe oder werden im Ballastwasser verschleppt. Weil der Welthandel zunimmt, wächst auch die Zahl der invasiven Arten. Deren Verbreitung kann Ökosysteme ins Wanken bringen. Hingegen gelten Tiere wie südländische Vögel, die sich aufgrund der Klimaerwärmung nördlich der Alpen aus eigener Kraft ansiedeln, als neue heimische Arten.

Ist Zürich als Metropole besonders betroffen von invasiven Arten?

Wo viele Menschen leben, wird viel gereist und transportiert und Handel betrieben. Das öffnet der unbeabsichtigten Einschleppung und Freisetzung Tür und Tor. Eine wichtige Eintrittspforte ist der Flughafen Zürich. Deshalb gibt es dort eine Art Quarantäne für importierte Pflanzen, Gemüse und Schnittblumen. Für Recherchen zum Globi-Buch schaute ich Pflanzenschutzinspektoren bei ihren Kontrollen über die Schulter. Wenn eine winzige Melonen-Thripse übersehen wird, ausbüxt und sich im nächsten Treibhaus ansiedelt, dann kann dieser Schädling ganze Ernten vernichten, indem er den Pflanzen den Saft absaugt.

Liess sich eine neue Art in Zürich nieder?

Die Übersehene Ameise, Lasius neglectus. Sie kam wohl in Pflanzentöpfen aus Asien und hat sich in einem Stadtzürcher Schulhaus beim Letzigrund einquartiert. Das Problem: Sie bildet Superkolonien mit mehreren Staaten, die sich nicht bekämpfen, sondern kooperieren, und man wird sie nicht mehr los. Die Ameisen sind zwar harmlos, aber so eklig, dass sie Häuser unbewohnbar machen können. Sie besiedeln sogar Steckdosen, worauf es zu Stromausfällen kommt.

Umweltschutzbehörden bekämpfen «invasive gebietsfremde Organismen». Sind diese grundsätzlich «Feinde»?

Natur ist weder gut noch böse. Sie macht das, was sie machen muss: sich fortpflanzen.

Haben gewisse Tiere auf Ihren Reisen auch Ihre Sympathie gewonnen?

Ein cooles Tier ist die Nutria, die in der DDR zur Zucht importiert wurde. Als die Mauer fiel, brach der Pelzhandel zusammen, und die Leute entliessen die Nutrias in die Freiheit. So süss sie sind, so gefährlich sind sie für den Hochwasserschutz, denn sie unterhöhlen Deiche und Uferböschungen.

Welche Entdeckung hat Sie überrascht?

Durch das europäische Flusssystem verbreiten sich invasive Arten in unseren Gewässern und am Ufer. Beim Schnorcheln im Rhein bei Schweizerhalle konnte ich Schwarzmundgrundeln beobachten. Diese stammen vom Schwarzen Meer, und der Grund des Rheins ist bereits voll von ihnen. Sie schauen einen ganz unerschrocken an, die heimischen Fische haben sie längst verdrängt.

Weitere Informationen: Atlant Bieri, Daniel Frick (Illu.): «Globi und die neuen Arten», Globi-Verlag, April 2018, Lesealter ab 9.

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