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Lifestyle

Kummer, Katzen und Klugheiten

Von: Isabella Seemann

22. August 2016

Neue Zürcher Bücher: Hintersinnige Tiergeschichten, träfe Pointen, viele Fragen: Das Tagblatt empfiehlt Bücher von Zürcher Kolumnisten.

Peter Schneider: «Identität und solche Sachen», Zytglogge-Verlag, April 2016, 29 Franken.

Glauben Sie, dass der Mensch Gewalt und Krieg je überwinden wird? Ist es okay, sich als Neger zu ­verkleiden? Wohin soll ein Pädophiler mit seiner ­Sexualität? Je unübersichtlicher die Verhältnisse, desto grösser ist der Wunsch nach Erklärung. Beim «Tages-Anzeiger» gibt seit mehr als zwölf Jahren der Zürcher Psychoanalytiker und Satiriker Peter Schneider den ­Erklärbären und beantwortet Fragen der Leser – obgleich er sich selbst oft in Ungewissheiten wiegt. Er zweifelt an den zeittypischen, vorgefertigten Meinungen, am gesunden Menschenverstand, überhaupt an allem, was sich von selbst versteht. Peter Schneider entmantelt die Leserfragen, bis ihr Kern freigelegt ist. Naive Alltagsfragen münden plötzlich vor einem Abgrund. Manch grosse Frage unseres Daseins erweist sich als Dünnbrettbohrerei. So antwortet er R. K. aus T. auf die Frage, was in unserer Gesellschaft schieflaufe, wenn fast alle Restaurantgäste die Ellbogen auf den Tisch stellen, dass tatsächlich manches faul sei, wenn «aus allen möglichen Benimm- und Stilproblemen Weltanschauungsfragen gemacht oder gar Weltuntergangsszenarien gebastelt werden». Auf kleinem Raum holt er weit aus, plaudert über Kant und Karl Kraus, gibt viel von seiner eigenen Seele preis und kommt dann auf Umwegen zum Wesentlichen. Zuweilen ist sein Sprachwitz jedoch grösser als der Erkenntnisgewinn, und bei politischen Fragen vermögen die Antworten selten zu überraschen.

Kafi Freitag: «Frag Frau Freitag», Salis-Verlag, März 2016, ca. 35 Franken.

In «Frag Frau Freitag» fordert die Zürcher Kummer­kastentante Karin Freitag seit bald fünf Jahren die Leser ihres Blogs direkt auf, und seit rund zweieinhalb Jahren auch in ihrer Kolumne auf dem Onlineportal watson.ch. 600 Beiträge zu alltäglichem Ehekrieg, lauem Sex und ­bösen Bossen hat sie schon verfasst. «222 Antworten auf drängende Fragen» gibt es nun als Buch. Zum Beispiel, was zu tun sei, wenn der neue Freund ein schlechter Küsser ist. Muss man den Handstand können? Was, wenn in der Liebe das Herz ja und der Verstand nein sagt? Auch wenn die Antworten nicht immer so ausfallen, wie es sich der Fragende vielleicht erhofft hat, zumal sie oft zur Arbeit an sich selbst appelliert und mit «Gopf!» und «wükli» ausruft, so zielen sie doch ins Herz ihrer Leser. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Lebensberatern erzählt sie auch viel aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz. Kafi Freitag, wie sie sich selbst nennt, kommt ursprünglich aus einem Solothurner Dorf, das sie bei der erstbesten Gelegenheit Richtung Zürich verliess, probierte beruflich vieles aus in unterschiedlichsten Gefilden und führt nun eine eigene Praxis für prozessorientiertes Coaching im Kreis 1. Ausserdem ist sie in zweiter Ehe verheiratet und Mutter eines Sohnes. Mit ihrer Bodenständigkeit und ihrem Pragmatismus verhilft sie Unbeholfenen zu Klarheit. Ihre zwar amüsanten, aber zuweilen trivialen Antworten werden Menschen mit komplexeren Neurosen eher weniger überzeugen.

Birgit Schmid: «Lieben mich meine Katzen? Eine Recherche», Echtzeit-Verlag, Juni 2016, 32 Franken.


Katzen sind eigenständig, eigensinnig, eingebildet, einfach anders. Deshalb werden sie geliebt. Deshalb mögen sie andere eher weniger. Letztere versuchen Ersteren einzureden, dass die Liebe des Menschen zur Katze einseitig sei, die Bindung für die Katze nur ihrem Nutzen diene, ohne emotionale Grundlage, Hauptsache, ein gut gefüllter Fressnapf und ein warmes Schlafplätzchen seien vorhanden. Birgit Schmid, die für die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt und mit ihren Katzen Fritz und Rosie in Zürich lebt, wollte es genau wissen und ging der Frage nach: Lieben mich meine Katzen? Sie unterhielt sich mit dem berühmten Katzenforscher Dennis C. Turner, der lange an der Universität Zürich lehrte, über Gewohnheiten und Verhalten der kleinen Raubtiere. Sie zitiert aus wissenschaftlichen Untersuchungen und erzählt aus dem Leben ihrer eigenen Katzen. Ein Katzenbuch ganz ohne Kitsch. Birgit Schmid beweist, dass dies sehr wohl geht. Und weil sie zu allem ganz wunderbare Geschichten zu erzählen weiss, ist auch das Lesen ein grosses Vergnügen. Beliebig und zusammenhanglos wirkt nur die Bebilderung des Buchs mit Aufnahmen von Berühmtheiten mit Katzen. Am Ende der Forschungsreise gelangt Birgit Schmid zur Antwort: Katzen speichern unsere Gefühle und strahlen sie als Wärme ab.

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