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Lifestyle

Mit dem "Tagblatt" ins Tessin

Von: Clarissa Rohrbach

11. September 2013

Wir machen uns während drei Tagen auf den Weg, um das Tessin zu entdecken. Mit dem E-Bike bezwingen wir den Gotthard-Pass, rollen die Val Leventina hinunter, bis wir die Perlen des Südens, Locarno und Ascona erreichen.

Freitagmorgen, 10.30, Andermatt. Es geht los. Wir steigen auf unsere E-Bikes und folgen der Velo-Route Nr.3, die von Norden nach Süden führt. Eigentlich haben wir das Gefühl, am Ende der Welt zu sein. Doch das weite Tal verspricht mehr. Es geht hinauf, zuerst auf der Schnellstrasse, auf der wir eine Kurve nach der anderen bezwingen. Wir begegnen Schildern auf denen steht "Achtung Reh!" Die Sonne scheint hoch und die Töffe rasen an uns vorbei. Auf halbem Aufstieg ist das Mätteli, wo Alpkäse verkauft wird. Grad fährt ein Postauto an uns vorbei. "Das es das noch gibt", denken wir Stadtzürcher. Wir schauen zurück, um den Weg, den wir schon zurückgelegt haben, zu bestaunen. Auf einem Fels ist das gelbe Wappen des Kantons Uri aufgemalt. Und dann kommt sie, die Tremula, diese uralte Pflasterstein-Strasse, auf der schon unsere Vorfahren verkehrten. Ein schneller Porsche mit zwei Banker, die einen freien Tag haben, rast noch an uns vorbei, die Kühe schauen verdutzt. Doch vor uns öffnet sich die Hochebene und bald sehen wir das tessiner Wappen: Ticino in blau rot. Wir freuen uns wie kleine Kinder. Die Schilder sind nun auf Italienisch beschriftet. "Ospizio, 2 Km" sagt ein Stein. Wir wissen: bald kommt das Gotthard Hospiz. 

Wir kommen auf 2106 Meter. Ein Haufen Autos und Wohnwagen stehen da. Die Nummernschilder, Frankreich, Deutschland, Belgien, aus ganz Europa. Wir stärken uns zuerst mit Älplermagggronen und besuchen dann die Gotthard-Festung. Hunderte von Metern laufen wir durch die dunklen Gänge, die im Stein ausgehöhlt wurden. Das war die einzige Hoffnung der Eidgenossen, als sie sich vor einem nie stattgefunden Angriff der Deutsch-Italienischen Achse im zweiten Weltkrieg zu verteidigen versuchten. Die Betten der Soldaten sind noch intakt, die Artillerie noch geölt. Aus den Löchern des Gotthard-Massivs flogen bis 1998 Geschosse. Einige frustrierte Rekruten ritzelten in die Wand: "Rave Generation 1996".

 

Der Abstieg

Wir nehmen nun den Abstieg in Angriff. Die Tremula windet sich in 90 Grad Kurven. Es holpert und poltert. Wir müssen fast im Lauftempo fahren. Schwere Schatten bedecken die steilen Bergwände. Ein Murmeli pfeifft. Und irgendwann ist der Pflasterstein zu Ende, der weiche Asphalt begrüsst uns. Und schon haben wir auch wieder die Baumgrenze erreicht. Wir sehen Airolo, das erste Tessiner Dorf unter uns. Eine weiche Wärme die vom Tal hinaufströmt, heisst uns willkommen. Grillen zirpen. Das ist er nun: Der lang ersehnte Süden.

 

 

Wir kommen im Dorf an. Die Nummernschildern der Autos sind mit einem exotischen TI beschriftet, die Häuser sind mit "Chicco d'Oro" und "Osteria" beschriftet. Alte Herren trinken eine "Birretta" draussen. Wir sind in einer anderen Welt. 

Wir rollen die Val Leventina hinunter, an der Gotthard-Raststätte Süd vorbei, der erste Halt im Süden für viele Reisende. Bald fahren wir duch Ambrì, wo blau-weisse Fahnen das Stadion beschmücken: Der Hockey-Stolz des Tessins. "Forza Ambrì" steht da. Ein Fluss rauscht mit uns nach unten, grosse Felsen liegen in ihm und kleine, gewölbte Brücken erheben sich darüber. Wir sehen kleine Rusticos, aus deren Kaminen ein Duft von verbranntem Holz empor steigt. Dann kommt Giornico, ein piktoreskes Dorf mit seinen schmalen Kirchentürmen. Verträumt liegt es da im schattigen Tal. 

 

 

Wir fahren an ein paar Madonnas auf Hauswänden gemalt und Weinreben vorbei, an denen saftige Trauben hängen, und erreichen schliesslich Biasca. Das ist das Ende unser ersten Etappe. Die Glocken schlagen sieben Uhr abends, die Sonne geht unter. Und wir sind im schönen Tessin.

 

 

 

 

 

 

Zweite Etappe: Von Biasca nach Locarno

Wir steigen wieder auf unser E-Bike Richtung Süden, es ist noch frisch, die Sonne steigt allmählich. Sobald wir losgeradelt sind, öffnet sich das Tal ein wenig, in der Mitte der Fluss Ticino. Bauern schneiden das Gras, es riecht nach Heu. An Sägewerke und Steinbrüche vorbei erreichen wir ruhige Dörfchen. Geranien dekorieren die Balkonen, Katzen laufen durch die engen Gässchen. Ein Schwarm Schwalben fliegt an uns vorbei. Wir sind entzückt. 

Es geht weiter hinab. Der pfeilgerade Veloweg zielt direkt nach Bellinzona. Auf der Fahrt kreuzen wir anderen Fahrern und Joggern, die uns alle herzliche mit einem "Buongiorno!" begrüssen. Kühe weiden hier und Pferde wieheren.

Dann sind wir plötzlich in der Stadt. Bellinzona heisst uns mit dem Samstagmorgen-Markt willkommen. Dem rosa Pflasterstein entlang gelangen wir zur Altstadt. Dort werden Salametti und Mortadella verkauft, Cicche del Nonno und Gemüse. Einheimische und Touristen lassen es sich auf den Piazzas der Stadt gutgehen, trinken Kaffee oder essen Pizza. Nach einem feinen gegrillten Tomino nehmen wir die steilen Treppen zum Castelgrande in Angriff. Denn die 

mittelalterliche Stadt ist von drei Burgen beschützt. Wir besuchen die Grösste. Sie umfasst einen weichen Rasen, auf dem wir uns kurz ausruhen. Dann krakseln wir den Mauern des Schlosses entlang. Ritterlich abenteuerlich ist das. 

 

 

 

 

 

 

Uns erwartet den Endspurt nach Locarno. Wir fahren dem fruchtbaren Piano di Magadino entlang. Links und rechts sind Maisfelder, dann Tomaten und Gurken aber auch Salat. Die Ebene strahlt in saftigem Grün und der Himmel in blau. Vor uns erhebt sich der Monte Ceneri, auf dem die Strasse nach Lugano verläuft. Doch wir halten uns rechts und erreichen bald das geschützte Feuchtgebiet Bolle di Magadino, eine wahre Idylle. Nach Tenero, das Tor zur wilden Val Verzasca,  führt uns ein Weg zum langersehnten Wasser:

Den Lago Maggiore! Es plätschert und wir fahren langsam am Ufer entlang bis nach Locarno. Noch ein paar Seehotels und da ist sie: Die Piazza Grande, das Juwel der Stadt, der Stolz des Film Festivals. Wir belohnen uns mit einem Bier, beobachten das Kommen und Gehen, bis es Zeit ist, den Tag mit einem grandiosen Abendessen im Restaurant DiVino zu besiegeln.  Der charmante und gleichzeitig sehr erfahrene Kellner Salvatore bringt uns eine köstliche Tagliata di Manzo auf Pilzen mit Risotto und berät uns fachmännisch bei der Weinwahl. Beim Grappa-Nippen denken wir noch, wie schön das alles ist und fallen danach in einen tiefen Schlaf.  

 

 

 

Dritte Etappe: Locarno und Acona geniessen

Haben wir am Vorabend noch die Piazza Grande genossen, begrüsst uns am dritten Tag leider der Regen. Kein Problem, denn das Hotel du Lac bietet ein fantastisches Frühstück. Selten hatten wir so perfekt gekochte Eier, hart aber im Kern noch wunderbar schmackhaft. Wir geniessen die kleinen Gipfeli und lassen uns von einer sehr charmanten Dame den Caffé bringen. 

 

 

 

Dann machen wir uns trotz Regentropfen auf den Weg Richtung Ascona. Von weit weg hören wir den Gesang des Gottesdientes, es ist ja Sonntag. Und bald wird uns klar: Sogar mit schlechtem Wetter ist das Tessin wunderschön. Die Fetzen von Wolken hängen tief in den Bergen, Nuancen von Grau erheben sich über dem stillen See. Das alles wirkt ziemlich mystisch oder sogar prähistorisch.

 

Der Weg nach Ascona ist kurz. An vielen, schicken Ferienvillen vorbei erreichen wir die Seepromenade. Hier ist gerade ein Treffen von Rennautos. Ferraris und Lamborghinis reihen sich unter den Platanen, Schaulustige flanieren den vielen feinen Restaurants entlang. Die Übrigen geniessen ihr Mittagessen mit Seesicht.

 

 

 

Von der italienischen Seite kommt ein Schiff auf uns zu, es kam wohl von den bekannten Isole di Brissago. Enten, die am Ufer entlang schwimmen, machen Platz. Trotz Regen ist das ein fabelhafter Sonntag. Wir kehren zurück, geben unsere E-Bikes ab und müssen wieder auf den Zug Richtung Zürich. Das Herz schmerzt ein bisschen, fühlten wir uns doch im warmen Tessin wie zuhause. 

 

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