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Eine neue Filmergeneration versammelt sich am Samstag im Kino Uto. Bild: PD

"Ruhe bitte, Smartphone läuft!"

Von: Jan Strobel, Clarissa Rohrbach

26. Mai 2015

Handyfilme sind jetzt salonfähig. Am Wochenende findet das Mobile Motion Film Festival statt. Wir erklären, wieso das Smartphone die Kamera ersetzt.

Als sich die 35-jährige Zürcherin Andrea Holle mit ihren Schweizer und Londoner Kollegen daran machte, ihr eigenes Mini-Festival zu gründen, hätten die Filmenthusiasten natürlich nie im Traum daran gedacht, dass dereinst selbst die BBC World News über ihr Projekt berichten würden. Die Redaktoren in London nannten es euphorisch «eine der interessantesten und spannendsten Veranstaltungen der Welt».

Die Rede ist vom International Mobile Motion Film Festival, kurz MoMo, das diesen Samstag im beschaulichen Uto-Kino in seine erste Ausgabe geht. Über die altehrwürdige Leinwand werden an diesem Abend keine klassischen  Filme flimmern, sondern Handyfilme, die mit dem Smartphone gedreht wurden. «Wir finden diesen Kontrast einfach spannend», sagt Mitorganisatorin Holle, «die neueste Filmbewegung zeigt ihre Werke im Uto, diesem Kino der alten Schule.»

Tatsächlich erobern sich junge Filmemacher, die statt zur Kamera einfach zum Smartphone greifen, langsam, aber stetig ihren Platz in der Branche. 2013 wurde der Dokumentarfilm «Searching for Sugar Man» sogar mit einem Oscar ausgezeichnet. Weite Teile dieses Films realisierte Regisseur Malik Bendjelloul mit dem iPhone. Am MoMo in Zürich werden nun insgesamt 14 Handy-Kurzfilme in verschiedenen Kategorien zu sehen sein, sowohl aus der Schweiz als auch zum Beispiel aus Venezuela, Bangladesh, Kroatien, Schottland oder den USA. Manche dieser Handyfilmer haben zum ersten Mal überhaupt ein anspruchsvolleres Video gedreht. «Der Fokus der Jury lag in ihrer Auswahl nicht auf dem technischen Können, sondern auf der Qualität der Geschichten», sagt Holle. In der MoMo-Jury sitzen unter anderen die Zürcher Jungfilmerin Rebecca Panian («Zu Ende ­denken»), Martin Zimper von der ZHDK (Lesen Sie das Interview unten) oder auch die australische Schauspielerin Virginia Hey, die 1987 im Bond-Streifen «Der Hauch des Todes» zu sehen war. Sie werden am Samstagabend auch an der Award-Zeremonie anwesend sein, die in einem Livestream in ein Londoner Theater übertragen wird. Auch die Trophäe geht selbstredend ganz mit der Zeit – sie wurde im 3-D-Printer ausgedruckt.

Infos und Tickets:
momofilmfest.com

Herr Zimper, bis vor wenigen Jahren waren Handyfilme nur eine verwackelte Privatsache. Wie wurden sie zur Kunstform?

Das hat vor allem mit der technischen Entwicklung zu tun. Erst Smartphones wie das iPhone haben es möglich gemacht, dass sich auch professionelle Filmemacher für Handyfilme interessiert haben. 2007 hat der südafrikanische Regisseur Aryan Kaganof das abendfüllende Drama «SMS Sugarman» mit einem Sony Ericsson W900i gedreht.

Sind nun Handyfilme auf dem gleichen Niveau wie Kinofilme?

Technisch sicherlich nicht, aber was Storytelling oder Schauspielerführung betrifft, auch ungewöhnliche Kameraperspektiven, sind Handyfilme durchaus auf dem Niveau von guten Kinofilmen.

Wie stehen die etablierten Filmemacher zu dieser neuen Kunstform?

Es gibt Filmemacher wie Brian Kowalchuk, der es einfach cool fand, einen Kinofilm zu drehen mit einem Gerät, das er in die Tasche stecken kann. Aber die etablierten Regisseure und Produzenten nehmen den Handyfilm noch nicht ernst, weil er ihnen technisch viel zu billig ist.

Mit dem Handy lässt sich ein Film ohne Budget machen. Welche Chancen bietet diese neue Form des Filmens?

Der Vorteil ist, dass die finanzielle Schwelle extrem gesunken ist. Junge Talente können kostengünstig produzieren. Sie stellen dann ihren Film online und haben hohe Chancen, so vom Publikum und dann von der Branche entdeckt zu werden. Ich denke aber, dass man weiterhin Profis vor und hinter der Kamera braucht, keine Laien.

Viele Handyfilme findet man nur online. Welche Rolle spielt das Internet bei der Verbreitung?

Eine TV-Sendeanstalt oder ein Kinoverleih ist nicht mehr zwingend notwendig. Über Social Media, Youtube oder Vimeo findet jeder Film seine Community, die ihn konsumiert, kritisiert, kommentiert und weiterteilt– oder sogar durch Crowdfunding finanziert.

Praktisch jeder hat ein Smartphone. Kann also nun jeder Filmer werden?

«Everybody is an artist», sagte Joseph Beuys. Aber es kann ja auch jeder ein Maler werden, wenn er Pinsel, Farbe und eine Leinwand hat. Das heisst nicht, dass wir dann alle auch an der ZHdK aufnehmen.

Wie wird das Smartphone im Studium an der ZHdK thematisiert?

Im Studienbereich «Cast/ Audiovisuelle Medien», den ich leite, arbeiten wir auch mit Smartphones. Wir haben auch schon mal mit einer Smartphone-Firma zusammengearbeitet.

Wird es bald das Fach «Handyfilme» geben?

Es gibt bei uns bereits jetzt Module mit dem Titel «Mobile Journalism – Das Studio in der Hosentasche» oder Vorträge des deutschen Bloggers Marcus Boesch über Mobile Reporting. Bei uns lernt man, filmische Inhalte für das Smartphone und andere mobile Endgeräte zu gestalten. Unser Motto lautet: «Short stories for the small screens».

Die mobilen Filme der ZHdK-Abgänger sind an der Diplomausstellung zu sehen (5.–13. Juni im Toni-Areal).

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