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Lifestyle

Üppiger Genuss: Ein Weihnachtsmenü aus den 50er Jahren. Bild: PD

Zu Heiligabend ein Schüfeli mit Bein

Von: Jan Strobel

22. Dezember 2015

Weihnachtsmenü: Der Retro-Trend ist auch auf der Festtafel angekommen. Zürcher besinnen sich wieder auf die Gerichte aus Grossmutters Zeiten.

Die Behauptung, früher sei alles besser gewesen, gehört genau genommen ins Reich der Fantasie. Aber das wohlige Gefühl der Nos­talgie wird gerade an Weihnachten immer wieder gerne zelebriert, besonders, wenn sich unsere beschleunigten Zeiten etwas unsicher anfühlen und sich obendrein das Wetter schnöde weigert, dem Wunsch nach weisser Weihnacht nachzukommen.

Auch im Weihnachtsschmaus der Zürcher widerspiegelt sich diese Sehnsucht nach den soliden Werten der Grosseltern. Der Retrotrend ist auch auf der festlichen Tafel angekommen. Das zeigt sich in den Käufen und Bestellungen in den Metzgereien der Stadt. Zum Beispiel bei der Metzgerei Keller am Manesseplatz. Urs Keller, der das über 80-jährige Familienunternehmen seit 1992 führt, stellt bei seiner Kundschaft besonders in diesem Jahr eine wieder erwachte Lust an Retromenüs fest. «Der Verkauf von Schinken im Brotteig ist bei uns um das x-Fache gestiegen», sagt er. «In den 60er- und 70er-Jahren war dieses einfache Gericht das Weihnachtsmenü schlechthin, bis es irgendwann etwas in Vergessenheit geriet. Jetzt beginnen die Zürcher diese Köstlichkeit wieder zu entdecken. Sie möchten back to the roots – zurück zu den Wurzeln.»

Das Gleiche stellt Felix Bär in seiner Traditionsmetzgerei am Rennweg fest. Auch hier gehört der Schinken im Teig diese Weihnachten zu einem der Verkaufsschlager. «Aber auch Mistkratzerli und besonders Schüfeli mit Bein, geräuchert und gesalzen, gehen immer mehr über die Ladentheke. Das sind natürlich sehr klassische Gerichte», bestätigt Bär den Trend. «Es gibt auch eine Kundin, die zu jeder Weihnacht einen grossen Bratwurst­ring bestellt. Seit den 30er-Jahren gehört das in ihrer Familie zur ­Tradition.» 

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Das Fondue chinoise, nach wie vor der Renner unter den Schweizer Weihnachtsessen, taucht erst Mitte der 60er-Jahre vermehrt in den Menüvorschlägen und auf den Festtags-Speisekarten auf. In den Jahrzehnten zuvor waren, neben dem Schinkli im Brotteig, besonders Geflügel hoch im Kurs, zwischen den 30er- und 50er-Jahren vor allem Truthahn. Ein dreigängiges Zürcher Weihnachtsmenü aus dem Jahr 1955 bestand zum Beispiel aus einer Seezungen-Roulade zur Vorspeise. Zum Hauptgang wurde Truthahn mit Kroketten, ­roten Preiselbeeren und Rosenkohl serviert. Als Dessert schliesslich genoss die Tischgesellschaft, damals noch ganz weltläufig, ein üppig dekoriertes Mandarinenglace.

Die Retro-Fleischeslust der Zürcher passt in den schweizweiten Ernährungstrend. Denn der Gesamtkonsum an Fleisch nahm mit dem Bevölkerungsanstieg auch vergangenes Jahr wieder leicht um rund 2 Prozent zu und betrug 435 268 Tonnen.    

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