mobile Navigation

News

Ob Moorleiche, Schiesserei oder erstickte Rentnerin im Altersheim: Polizei- und Gerichtsreporter Stefan Hohler schildert in seinem neuen Buch aussergewöhnliche Kriminalfälle in und um Zürich. (Bild: Werner Schüepp)

13 Morde und eine Liebesgeschichte

24. September 2019

Er hat in seinem Berufsalltag über Hunderte von Prozessen, Unfällen und Verbrechen berichtet. Nun lässt Stefan Hohler, pensionierter Polizei- und Gerichtsreporter des «Tages-Anzeigers», seine spannendsten Kriminalfälle in einem neuen Buch Revue passieren.

Die Moorleiche vom Katzensee, eine Schiesserei in der Ego-Bar, das erwürgte Callgirl im Luxushotel Dolder oder die Rentnerin, die im Altersheim erstickt wird. Stefan Hohler ist dem Bösen in seinem Berufsleben unzählige Male begegnet. Als Polizei- und Gerichtsreporter des «Tages-Anzeigers» berichtet er seit Jahrzehnten über Prozesse, Verbrechen und Unfälle. Nun hat der 65-jährige Zürcher ein Buch geschrieben, in dem er 13 aussergewöhnliche Tötungsdelikte in und um Zürich schildert. Der 14. und letzte Fall ist eine unblutige Geschichte, eine verrückte Liebes­geschichte.

Wie kam er auf die Idee, seine spannendsten Fälle zwischen zwei Buchdeckel zu packen? Die Anfrage erreichte ihn von seinem Verleger, denn Hohler hat vor sieben Jahren bereits ein Buch über den Zürcher Fluchthelfer Hans Ulrich Lenzlinger veröffentlicht. Dank eines Sabbaticals bekam er damals die Chance, zwei Monate lang in Berlin anhand von Stasi-Akten den Spuren des legendenumrankten Abenteurers nachzugehen. «Da ich beim ‹Tagi› nach der Pensionierung noch ein Teilzeit-Schreibpensum habe und jetzt über mehr Freizeit verfüge, musste ich nicht lange überlegen, ein neues Buch zu schreiben», sagt er. Die Schreibarbeit gestaltete sich nicht zu aufwendig, denn bei allen 14 Fällen konnte er auf sein umfangreiches Archiv aus Notizen, Gerichtsakten sowie eigenen und fremden Zeitungsartikeln zurückgreifen. Ein wenig umstellen musste er sich höchstens, was den Schreibstil betrifft. Im Journalistenalltag ist es Stefan Hohler gewohnt, eher kürzere Texte zu schreiben, während er für sein 174-seitiges Buch mehr Schnauf brauchte. «Ich habe lange überlegt, was für einen roten Faden ich verwende, um den Leser durch die Lektüre zu führen.» Er hat ihn ­gefunden. Jeder Kriminalfall beginnt mit einem kurzen, szenischen Einstieg, bei denen er sich eine gewisse journalistische Freiheit herausgenommen hat. «Abgesehen davon halte ich mich aber an die realen Aussagen der Beschuldigten, Angehörigen, Staatsanwälte oder Richter», sagt er.


Mord und Totschlag


Der 1954 geborene Stefan Hohler wollte am liebsten Biologe werden, was nicht geklappt hat. So liess er sich zum Primarlehrer ausbilden und unterrichtete sieben Jahre lang auf verschiedenen Schulstufen. Daneben sass er in jüngeren Jahren für die Sozialdemokratische Partei (SP) im Zürcher Gemeinderat. 1990 zog es ihn zum Journalismus («Ich war schon als Kind neugierig, und das ist eine Hauptvoraussetzung für diesen Beruf»), zuerst als freier Mitarbeiter beim «Tagblatt der Stadt Zürich», anschliessend als festangestellter Redaktor.

Als der «Tages-Anzeiger» 2004 einen Polizeireporter suchte, bewarb er sich und bekam die Stelle. Mord und Totschlag, das sogenannt «blutige Geschäft», bestimmen seither seinen Arbeitsalltag. Ein Problem hat er damit nicht. «Als Polizei- und Gerichtsreporter erhalte ich Einblick in menschliche Abgründe, die mir sonst verschlossen bleiben würden. Es sind die Geschichten hinter den Menschen mit ihren Schicksalen, die mich faszinieren.»

Blickt er auf seine Karriere zurück, stellt er fest, dass sich sein Berufsprofil verändert hat. «Vor zehn Jahren hatte man mehr Zeit, einen Artikel zu schreiben», so Hohler. «Heute diktieren bei einem Unfall oder Verbrechen Smartphone, Internet und Push-Meldungen das Tempo der Veröffentlichung. Kaum ist irgendwo etwas passiert, sollte es schon online sein.» Davon hat er sich nie stören lassen. Hohler zählt zu jener Sorte Journalisten, die gelassen bleibt, wenn im Newsroom einer Zeitung Hektik ausbricht und Berufskollegen in den «Hypermodus» fallen. «Mir sind Fakten viel wichtiger als Schnellschüsse», sagt er.
Sein professionelles, überlegtes Vorgehen wird in der Branche geschätzt. Hohler sei ein Reporter, der zuerst reflektiere und dann berichte, er sei stets auf der Höhe des Geschehens – so charakterisiert ihn Marco Cortesi, Leiter des Mediendienstes Stadtpolizei Zürich, im Vorwort des Buches.

Grausamstes Verbrechen

Von den 13 Mordfällen im Buch bildet der Vierfachmord von Rupperswil im Kanton Aargau thematisch den Schwerpunkt. Ihm widmet Hohler am meisten Zeilen und geht sehr ausführlich auf den Fall ein. Es handelt sich um eines der grausamsten Verbrechen der Schweizer Kriminalgeschichte, welches im Dezember 2015 vier Opfer forderte. «Diese Tat hat mich von allen in den vergangenen Jahren erlebten Tötungsdelikten wegen seiner Brutalität – der Täter durchschnitt den Opfern die Kehle – am meisten erschüttert», sagt er. Wird jemand, der so viel Elend vor Gericht gesehen hat, mit der Zeit nicht abgebrüht? «Auf keinen Fall. Mein Weltbild hingegen hat sich im Laufe der Jahre politisch ein wenig nach rechts verschoben.» Dafür sei sein Respekt gegenüber Polizei und Justiz gewachsen. «Die machen in der Schweiz einen seriösen Job.»

Privat lassen Stefan Hohler Krimis vor allem in Buchform weit­gehend kalt. «Die Umstände und Hintergründe eines realen Verbrechens interessieren mich viel mehr als jede noch so blutrünstige fiktive Geschichte, die sich ein Schriftsteller ausgedacht hat», sagt er.
 
Stefan Hohler: 13 Mordfälle und eine Amour fou. Die spannendsten Kriminalfälle des «Tages-Anzeiger»-Polizeireporters. Münster-Verlag. 24 Franken.

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir 2 ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare