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Monumentale Zeitzeugen: Die grossen Platanen im Zürcher Platzspitz sind beinahe 240 Jahre alt. (Bild: PD)

Auch Bäume sind Politik

Von: Jan Strobel

03. September 2019

Die Petition «Baumstadt Züri» fordert ein städtisches Baumfäll-Moratorium. Für Grün Stadt Zürich ist das kein taugliches Vorgehen. Die Entwicklung der Stadt würde damit gestoppt.

Bäume sollen in der Stadt Zürich auf städtischem Grund in Zukunft nicht mehr gefällt werden dürfen, das fordert derzeit die Petition «Baumstadt Züri» (klicken Sie hier). Neben diesem Moratorium fordern die Petitionäre überdies ein Baumschutzgesetz – oder ein Baumkonzept – wie es zum Beispiel Basel bereits kennt. In der Stadtverwaltung, so der Vorwurf,  fehle oft die Sensibilität dafür, dass Bäume geschützt werden müssen, dabei solle der Baumschutz immer oberste Priorität haben, gerade bei Bauprojekten. Die Stadt als Liegenschaftsbesitzerin könne viel bewirken, indem sie die Bäume besser schütze beziehungsweise besser pflege, sodass sie nicht vorschnell gefällt würden. Mit der zunehmenden Verdichtung in der Stadt Zürich sei die Biodiversität massiv unter Druck. Umso wichtiger sei es auch für die Lebensqualität, die noch verbleibenden Grünräume möglichst vielfältig und naturnah zu gestalten.

Kranke Bäume gefährlich

In der Stadt Zürich keine Bäume mehr zu fällen, also ein generelles Baumfäll-Moratorium, entgegnet Christine Bräm, Direktorin von Grün Stadt Zürich, sei kein taugliches Vorgehen. «Bäume in der Stadt sind ausserordentlich wichtig. Bäume müssen aber dann gefällt werden dürfen, wenn sie krank sind oder wenn es bei Bau- oder Sanierungsarbeiten unumgänglich ist.» Ein verstärkter Schutz jedoch, insbesondere auf Privatgrund, würde helfen, den Baumbestand zu halten oder zu erweitern. «Bäume haben in Zürich schon immer eine hohe Priorität genossen, und heute im Zuge der Klimaerwärmung erst recht», stellt Bräm klar.  

Den Vorwurf, Bäume würden in der Stadt Zürich allzu oft vorschnell gefällt, ist für Bräm absurd. «Selbstverständlich fällt Grün Stadt Zürich keinen Baum ohne Grund», bekräftigt sie und erklärt, welches solche Gründe sind: «Bäume, die von Schadorganismen befallen oder am Ende ihres Lebens sind, können umstürzen, Äste können abbrechen. Damit ist nicht zu spassen, es geht um Menschenleben.» Zu Baumfällungen bei Bauprojekten meint Bräm: «Dort, wo die Stadt Einfluss hat, nimmt sie so weit wie möglich Rücksicht auf die Bäume. Beim Bau einer Fernwärmeleitung im Kreis 5 stand zum Beispiel ein Baum im Weg. Anstatt ihn zu fällen, wurde die Leitung mit grossem Aufwand um den Baum herumgeführt.» Manchmal sei es aber besser, neuen Bäumen bessere Lebensbedingungen zu verschaffen, anstatt die alten angeschlagenen noch einige Jahre mit grossem Aufwand «aufzupäppeln», so Bräm.

Lieber einen Jungbaum pflanzen, dessen Krone wächst und sich gut entwickelt, als einen vergreisten Baum stehen lassen, dessen Lebenserwartung nur noch wenige Jahre beträgt. «Bei Neupflanzungen achten wir dabei besonders auf die Zukunftsfähigkeit der ausgewählten Baumarten», sagt Bräm. «Wir sind in konstantem Austausch mit der Forschung sowie mit anderen Städten in der Schweiz und im europäischen Ausland.» Grün Stadt Zürich strebe einen zukunftsträchtigen, standortgerechten, ökologisch wertvollen Baumbestand an mit möglichst einheimischen und grosskronigen Arten.
Bei einem neu gepflanzten Strassenbaum geht Grün Stadt Zürich heute von einer Lebenserwartung zwischen 35 und 50 Jahren aus, dies, weil ein Strassenbaum grösseren Stressfaktoren ausgesetzt ist als ein Parkbaum, der älter wird und daher weniger oft ersetzt werden muss. Je nach Standort und Baumart können Parkbäume zwischen 50 und 120 Jahre alt werden. Die Platanen im Platzspitz stammen gar aus der Zeit um 1780, sind also rund 240 Jahre alt. «Den alten Bäumen müssen wir Sorge tragen, das ist uns sehr bewusst», sagt Bräm. Denn auch bei Parkbäumen werde die Lebenserwartung durch die intensive Nutzung der Anlagen, Veranstaltungen, Hitze, Trockenheit oder Beschädigungen, verkürzt.

Baumbestand wächst

Ein flächendeckender Baumschutz war tatsächlich schon einmal Gegenstand der politischen Diskussion. Am 17. Mai 1992 hiessen die Stimmberechtigten eine solche Verordnung gut. Sie wurde allerdings infolge von Rechtsmittelentscheiden aufgehoben. Ein flächendeckender Baumschutz, so die Begründung, stehe im Widerspruch zum kantonalen Planungs- und Baugesetz. «Zürich kennt zwar kein Baumschutzgesetz wie Basel-Stadt», so Bräm, «mit der jüngsten Revision der Bau- und Zonenordnung 2016 wurden jedoch Baumschutzgebiete in wenigen ausgewählten Gebieten eingeführt, die dem Schutz von bestehenden, das Stadtbild prägenden Bäumen dienen» (siehe Box). Derzeit erarbeite Grün Stadt Zürich ein «Konzept Stadtbäume». Mit einem Massnahmenplan soll dargelegt werden, was für einen zukunftsfähigen Baumbestand in der Stadt Zürich nötig ist.

Grundsätzlich hält Grün Stadt Zürich fest: Der Bestand städtischer Bäume wächst. Zwischen 2005 und 2015 wuchs etwa die Zahl der Strassenbäume um fast 1600 auf derzeit 22 000. Hinzu kommen gegen 50 000 Parkbäume, die sich im Besitz der Stadt Zürich befinden.

Die Anzahl Bäume auf Privatgrund ist unbekannt. «Allerdings ist unbestritten, dass die Menge der Bäume auf privaten Parzellen durch Bautätigkeiten und innere Verdichtung gesunken ist», macht Bräm deutlich. Darauf habe die Stadt keinen oder einen nur sehr geringen Einfluss. «Hier könnten gesetzliche Bestimmungen für den Erhalt beziehungsweise eine Pflicht zum Pflanzen von Bäumen einen positiven Impuls geben.» Dies würde jedoch zuerst eine rechtliche Grundlage in den kantonalen Gesetzen bedingen, danach eine Anpassung der städtischen Gesetzgebung.

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echo@tagblattzuerich.ch

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Leserkommentare

Til Arboleda - Genug der Satzhülsen
Der „wachsenden Baumbestand“ ist eine Legende. Was nützt es einen Platz (z.B. Oerlikerpark) mit 900 Bäumen (der falschen Art) vollzupferchen, wenn sie nach jahrzehntelangem Siechtum zur Hälfte wieder ausgerissen werden müssen.
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Vor 4 Jahren 7 Monaten  · 
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Myrta Caderas - Vermisse die Bäume am Paradeplatz, beim Sprüngli! Bäume geben Sauerstoff und Schatten und die Vögel hätten auch Unterschlupf. Für mich wirkt der Paradeplatz sehr nüchtern und unschön!

Vor 4 Jahren 7 Monaten  · 
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Makrkus Schwarz - „Bäume müssen aber dann gefällt werden dürfen, wenn ... wenn es bei Bau- oder Sanierungsarbeiten unumgänglich ist." - Wenn ein Bau- oder Sanierungsprojekt mal so ausgelegt ist, dass Bäume gefällt werden, ist es nur logisch, dass dies, wenn es
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Vor 4 Jahren 7 Monaten  · 
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