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Die Historikerinnen und Stadtführerinnen Jessica Meister (l.) und Nadja Koch haben auf dem Münsterplatz eine ganz besondere Geschichte zu erzählen. Bild: BEL

Auf den Spuren starker Frauen

Von: Isabella Seemann

24. April 2018

1968 war auch das Geburtsjahr der Frauenbewegung. An welchen Orten Zürichs sie wirkte, zeigt die neue Stadttour «Von Utopie und Aufbruch» des Vereins Frauenstadtrundgang Zürich. Mit der Zeitreise soll die Frauengeschichte vor Ort bekannter und sichtbarer werden.

Am Münsterhof kommen viele Stadtführungen vorbei. Doch Nadja Koch und Jessica Meister vom Verein Frauenstadtrundgang Zürich haben hier eine ganz besondere Geschichte zu erzählen. Auf dem Münsterhof hielt 1969 die Soziologiestudentin Claudia Honegger als erste Frau überhaupt eine 1.-Mai-Rede. Das war auch für die sich zwar fortschrittlich gebenden, aber machohaft gebärdenden Herren der 68er-Linken durchaus revolutionär. Denn diese wollten zwar die ganze Welt befreien, aber die Frauen sollten weiterhin Flugblätter tippen und Kaffee kochen.

Der Münsterhof ist eine der Stationen der 90-minütigen Tour «Von Utopie und Aufbruch – 1968, Zürich und die Frauen», die der Verein zum Jubiläumsjahr neu recherchiert und erarbeitet hat. Zwischen dem Globus-Provisorium, der Frauenbadi und dem Altstadthaus an der Obmannamtsgasse beim Obergericht «gehen wir der Frage nach, was 1968 die neue Frauenbewegung auslöste», erklärt die Historikerin und Linguistin Nadja Koch, die bereits seit zehn Jahren Frauenstadtrundgänge führt. Ihre Kollegin Jessica Meister, ebenfalls Historikerin, ergänzt: «Die 68er hinterfragten Autoritäten und Hierarchien. Die Frauen begannen damals, auch die Geschlechterhierarchien zu kritisieren.» Es entstand die neue Frauenbewegung, die nicht nur das Frauenstimmrecht forderte, sondern die Frauen auch aus den «Zwängen der Kleinfamilie» befreien wollte und die herrschende Sexualmoral hinterfragte. 

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, inszenierten die jungen Wilden der Frauenbefreiungsbewegung (FBB) medienwirksame Protestaktionen, sprengten wie im Februar 1969 die betulichen Versammlungen des bürgerlichen Frauenstimmrechtsvereins im Börsensaal und blockierten die Tramgleise zwischen «Terrasse» und Odeon.

Für Jessica Meister und Nadja Koch geht es aber keineswegs um eine 68er-Nostalgie-Tour, sie schlagen auch immer wieder den Bogen zu aktuellen Themen. Vor dem Strauhof an der Augustinergasse 9 weisen sie auf die erste von der heute berühmten Kuratorin Bice Curiger organisierten Ausstellung «Frauen sehen Frauen, eine gefühlvolle, gescheite, gefährliche Schau» hin, die 1975, dem Internationalen Jahr der Frau, für Furore sorgte, von grosser Bedeutung für die Frauenbewegung war und als eigentliches «Frauenmanifest» galt.

Fast 20 Touren jährlich

«Von Utopie und Aufbruch» ist die neuste von insgesamt 18 Touren, die der Verein Frauenstadtrundgang Zürich mittlerweile anbietet. Seit 27 Jahren erforschen Historikerinnen die Geschichte der Frauen Zürichs und stellen wissenschaftlich fundierte Rundgänge zu den Lebens- und Wirkungsstätten von Frauen zusammen, um so Frauen- und Geschlechtergeschichte sichtbar und auch erlebbar zu machen. 

Knapp 20 Führungen jährlich sind öffentlich, an denen Frauen und Männer unangemeldet teilnehmen können. Die meisten Touren werden jedoch privat gebucht: von Einzelpersonen, Turnvereinen, Firmen, Kongressen oder auch zu Polterabenden. Die Tour «Verliebt, verlobt, verheiratet – ein Rundgang rund um die Heirat» ist denn auch längst ein Klassiker. Ebenso «Zapfhahn und Suppenhuhn», eine Tour rund ums Essen und Trinken, natürlich aus Geschlechterperspektive.

Frauen gibt es in der Geschichte Zürichs überall zu entdecken. Nadja Koch und Jessica Meister fällt zu allem sofort etwas ein – zu Strassen, Gebäuden, Stadtteilen, wo Frauen gewirkt haben; gestern, vor einem Jahr, vor 100 Jahren, vor 200, 300, 500 Jahren.

Öffentliche Rundgänge zum Thema «Von Utopie und Aufbruch – 1968, Zürich und die Frauen» finden statt am: 26. Mai, 8. Juli und 8. September. Treffpunkt: Coop (Globus-Provisorium), Bahnhofbrücke.

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