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Bei der Umgestaltung der Giessereistrasse nach dem Schwammstadt-System legt Stadtrat Richard Wolff gleich selbst Hand an. Bild: PD

Aufsaugen und kühlen

Von: Sacha Beuth

08. Dezember 2020

Um die temperaturbedingte Belastung zu reduzieren, soll sich Zürich in eine «Schwammstadt» verwandeln. An der Giessereistrasse in Zürich-West wurde dazu ein entsprechendes Pilotprojekt mit schattenspendenden Bäumen, einem besonderen Substrat und wasserdurchlässigen Randsteinen gestartet.

Bei der Präsentation im Lager des Tiefbauamtes zu den neusten Massnahmen zur Hitzeminderung in der Stadt Zürich gestand Richard Wolff schmunzelnd, dass es sicher geeignetere Tage dafür gegeben hätte als den frostigen Donnerstag. «Nichtsdestotrotz ist die Lage sehr ernst und es besteht akuter Handlungsbedarf», warnt der Vorsteher des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements. Die Belastung für Mensch, Fauna und Flora in der Stadt wegen hoher Temperaturen ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Und wird weiter steigen. Im heissen Sommer des Jahrs 2018 hatte die Stadt 18 Hitzetage zu verzeichnen – also Tage, an denen das Thermometer über 30 Grad Celsius anzeigte. Bei ungebrochen weiterschreitender Klimaerwärmung rechnet der Stadtrat bis 2040 mit 44 Hitzetagen pro Jahr.

Ein neues, auf Elementen der «Schwammstadt», beruhendes Regenwasser-Rückhaltungssystem soll dem künftig Abhilfe schaffen. Es wurde unter anderem bereits in asiatischen Metropolen und in Wien erfolgreich angewandt und sorgt nicht nur für Kühlung, sondern ist auch in der Lage, Überflutungen zu minimieren. Nun ist ein entsprechendes, mit 680 000 Franken budgetiertes Pilotprojekt auch in Zürich an der Giessereistrasse in Betrieb gesetzt worden.

Die gewünschten Effekte werden über Regenwasser erzielt, das von einer asphaltierten Strasse über ein Gefälle zu einem wasserdurchlässigen Randstein geführt wird, dessen Schleusen man je nach Bedarf auf- und zudrehen kann. Während der warmen Jahreszeit ab Mitte März sind sie grundsätzlich offen und das Wasser wird in einen hinter dem Randstein liegenden Vegetationsbereich geführt. Dieser verfügt über ein wasserspeicherndes Substrat aus Mischgesteinsschotter, Sand, Blähschiefer und gebrochener Pflanzenkohle sowie über Bäume mit grossen Baumgruben. Das Wasser wird im Vegetationsbereich wie in einem Schwamm aufgesogen und erst wenn Substrat und Bäume keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen können, ins Erdreich abgeleitet. Dadurch verzögert sich der Versickerungsprozess, wodurch das Wasser durch die Bäume verdunstet werden kann. Verdunstungskühlung und der Schatten der Bäume sorgen wiederum für Hitzeminderung. Laut Richard Wolff lässt sich so die Temperatur lokal um bis zu zehn Grad Celsius senken.

Mit Beginn des Winterdienstes Anfang / Ende November werden die Schleusen in den durchlässigen Randsteinen geschlossen und das Regenwasser über einen davorliegenden Dolendeckel (der wiederum im Sommer geschlossen ist) in die Kanalisation geführt (siehe Bilder). So wird verhindert, dass Streusalz in den Wurzelbereich der Bäume gelangt.

Begrenzt umsetzbar

Wie und in welchem Umfang das Schwammstadt-System auch an anderen Stellen der Stadt umgesetzt werden kann, ist unklar. «Dafür ist es noch viel zu früh», sagt Wolff. Klar ist jedoch schon heute, dass sich nicht alle Ecken der Stadt dafür eignen. «An gewissen Orten haben wir schlicht nicht den nötigen Platz zur Verfügung. Und an stark befahrenen Hauptstrassen wird es ebenfalls aus Gewässerschutzgründen nicht möglich sein, da dort das abfliessende Wasser zu stark belastet ist, als dass es direkt in einen Schwammstadt-Vegetationsbereich geführt werden könnte.» Dafür sieht Wolff Potenzial bei privaten Grundbesitzern. Und hält auch schon ein Zückerchen für diese bereit: «Wer Regenwasser besser nutzt und zum Beispiel vom Dach seines Hauses ins Erdreich statt in die Kanalisation leitet, soll sich künftig von Abwassergebühren befreien können.» Eine entsprechende Verordnung wird aktuell im Gemeinderat beraten.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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