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Das Herzstück der Zürcher Politik: Der Ratssaal wurde 1938 umfassend erneuert. Ab 2023 soll er zeitgemäss saniert werden, so die Forderung. (Bild: PD)

Bewahren, aber richtig

Von: Jan Strobel

13. April 2021

Ab 2023 soll das Zürcher Rathaus saniert werden. Um seine Zukunft ist eine Debatte entbrannt. Die einen wollen ein modernes Rathaus an einem neuen Standort, die anderen fordern eine zukunftsfähige Renovierung.

Wenn ab 2023 das Zürcher Rathaus, dieser repräsentative Spätrenaissance-Palast an der Limmat, umfassend saniert wird, dann ist das gleichsam eine Operation am Herzen des politischen Zürich. In dem Bau tagen sowohl der Kantons- als auch der Gemeinderat. Seit 1803 ist das Rathaus Eigentum des Kantons, die Stadt ist seit 1893 lediglich Mieterin. 2010 kündigte der Kanton den Vertrag mit der Stadt Zürich. Seither zahlt sie für die Nutzung des Rathauses dem Kanton eine Nettomiete von 199 000 Franken jährlich plus 40 000 Franken Nebenkosten, also insgesamt 239 000 Franken.

Je näher der Sanierungstermin rückt, umso lauter und kreativer wird die Debatte um die Zukunft des Rathauses geführt. Vielen Parlamentariern ist das Gebäude nicht mehr zeitgemäss genug. Sie bemängeln den fehlenden Platz, fehlende Büroräume oder Fraktionszimmer oder eine mangelhafte Lüftung. Zuletzt schlugen die beiden Gemeinderäte Markus Kunz (Grüne) und Mark Richli (SP) ein eigenes, zeitgemässes Rathaus für die Stadt an einem anderen Standort vor, ein modernes «Haus der Politik» – zum Beispiel im Globusprovisorium («Tagblatt» vom 31.3.).

Wie das Grossmünster

Auch bei «Tagblatt»-Lesern kam diese Idee durchaus an. Die derzeit wegen der Pandemie als Ratssaal genutzte Halle 9 in Zürich-Oerlikon bewähre sich bereits so gut, «was Platz, Licht und weitere benötigte moderne Dinge betrifft, dass die Fläche optimal wirkt, um alle Bedürfnisse der Ratsbetriebe Stadt und Kanton Zürich optimal abzudecken», meinte etwa Leser Maurice René Sobernheim. «Wieso klammert man sich an alte Gebäude, obwohl sie den Bedürfnissen nicht mehr entsprechen?», fragte wiederum «Tagblatt»-Leser Richard Dähler. Leser Claude Piola wiederum hob die Bedeutung des Rathauses als ein Wahrzeichen der Stadt hervor: «Das über 300 Jahre alte Rathaus gehört zum Zürcher Stadtbild wie auch der Sankt Peter und das Grossmünster, es muss mindestens äusserlich zwingend so erhalten bleiben». Ob nun irgendein Rat seine Sitzungen darin abhalte, sei eher Nebensache. «Für die Räte findet sich sicher ein guter Platz, das ehemalige Globusprovisorium wäre sehr ideal.»

Unter den Gemeinderäten gibt es indessen auch ein Lager, welches die Vision eines komplett neuen Rathauses an einem anderen Standort verwirft. Sie möchten den historischen Bau weiterhin nutzen, wenn auch unter zeitgemässen Bedingungen. Die FDP-, SVP-, GLP- und AL-Fraktionen reichten mit der EVP Mitte März ein Postulat ein, in welchem der Stadtrat aufgefordert wird zu prüfen, wie auf den Regierungsrat eingewirkt werden könne, um bei der anstehenden Renovation des Rathauses die Realisierung einer «zukunftsfähigen Lösung» zu ermöglichen.

Glaspavillon an der Limmat

«Wir wollen nach der Sanierung wieder zurück ins Rathaus», sagt GLP-Gemeinderat Guy Krayenbühl. Von einem neuen «Haus der Politik» hält er wenig. «Das Rathaus war schon immer der Ort, an dem die Räte getagt haben. Für Zürich ist das Haus ein Ort der Identität. Es gibt auf dem knappen Boden in der Stadt Zürich Wichtigeres zu tun, als ein neues Rathaus zu realisieren. Wir haben jetzt die Chance, das Rathaus in die Zukunft zu führen.» Für den Politiker ist klar, dass es für ein zukunftsfähiges Rathaus allerdings auch eine mutige Planung von Seiten des Kantons braucht. Dem Denkmalschutz dürfe, wenn es um das Innere des Gebäudes gehe, nicht ein zu grosses Gewicht gegeben werden. Es sei nicht einleuchtend, weshalb etwa alte Öfen oder gewisse Decken nicht angetastet werden dürfen. «Man könnte den Ratssaal, der in seiner heutigen Form auf eine Renovation von 1938 zurückgeht, teilweise aushöhlen und beispielsweise durch einen Glaspavillon auf der Limmatseite vergrössern, auch wenn das die schützenswerte Fassade tangieren würde», sagt Krayenbühl. Denkbar wäre für ihn auch die Öffnung eines grossen Foyers, welches wiederum mehr Platz schaffen könnte.

Auch für AL-Gemeinderat Mischa Schiwow ist das historische Rathaus als Standort ideal. «Das derzeitige Bashing hat dieses Haus nicht verdient, in diesen Chor stimmen wir nicht ein», meint er. Für die dringend nötige Modernisierung der Innenstruktur – besonders des Ratssaals – müssten alle Optionen auf dem beschränkten Platz studiert werden. Und er fragt: «Gewinnt die Demokratie wirklich mit dem Bau eines neuen Rathauses für 100 Millionen Franken?»

«Das bestehende, zentral gelegene Rathaus hat für die Bevölkerung einen riesigen Vorteil: In der Viertelstunde vor Ratsbeginn müssen es alle Ratsmitglieder, inklusive Regierungsmitglieder, durch die gleiche Tür betreten», sagt wiederum FDP-Gemeinderat Albert Leiser. «In kaum einem anderen Parlament kann die Bevölkerung auf dem Trottoir so gut Parlamentarierinnen und Parlamentarier ansprechen oder Flyer in die Hand drücken.» Leiser schlägt vor, den Platz in der Mitte des Ratssaals zu nutzen und die Sitzreihen weiter nach vorn zu ziehen. Zudem würden bewegliche Stühle, wie etwa in den renovierten Hörsälen von Uni und ETH, das einzelne «Aufstehen» ermöglichen. «Man könnte sogar den Ratssaal um das Foyer vergrössern und andere Zimmer, wie zum Beispiel die Garderobe im Erdgeschoss, zum Foyer umfunktionieren. Bei der Idee eines Anbaus bin ich allerdings etwas skeptisch. Schliesslich gibt es ja noch ein Dachgeschoss, das zurzeit kaum verwendet wird», so der FDP-Politiker. Er meint: «Das Rathaus existiert seit 1698, wurde in den über 300 Jahren im Innern mehrfach umgebaut, hat aber stets einen oder mehrere Räte beheimatet und soll es auch in Zukunft tun.»

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echo@tagblattzuerich.ch

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