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Motivierte Fussballjungs sowie die Familie Caprez mit Vasco (v.l., hinten), Gion und Marc Caprez auf dem Spielfeld der Kamapla Galaxy Soccer Academy. (Bild: PD)

Dank Seefeld eine neue Perspektive

Von: Christian Saggese

26. November 2019

Um Kindern in Uganda den Ausweg aus dem Ghetto zu ermöglichen, gründete Marc Caprez, Präsident des FC Seefeld, eine Fussballschule in Afrika. Das anfängliche Risiko hat sich gelohnt.

Mit vollem Einsatz kickt der Verteidiger den Ball zum Mittelstürmer. Dieser dribbelt nach vorn, spielt einen gezielten Pass zum Stürmer, der nach vorn rennt, stets das Goal im Visier, er schiesst und: Tooooor! Stolz klopft der Torschütze mit der Faust auf das FC-Seefeld-Logo auf seiner Brust.

Dieses Szenario spielt sich nicht etwa auf einem gut gepflegten Rasen im Kreis 8 ab, sondern auf einem verdorrten Feld in Uganda, konkreter in der Hauptstadt Kampala. Auf dem Platz steht ein Team der afrikanischen Fussballschule Kampala Galaxy Soccer Academy. Gegründet wurde diese vor rund zwei Jahren von FC-Seefeld-Präsident Marc Caprez. Dies aus der Motivation hinaus, «den Kindern aus dem Ghetto Bukoto in Kampala einen niederschwelligen und ­kostenlosen Zugang zum Fussball zu verschaffen. So sollen sie eine Perspektive für eine bessere Zukunft erhalten», erklärt der 52-Jährige. Denn Uganda zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Über 40 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, die Lebenserwartung liegt bei 50 Jahren. Für die Jüngsten, die oftmals Waisen sind und in Heimen, in völlig überfüllten Häusern oder auf der Strasse leben, ist die Situation besonders prekär. Die Sterberate von Kindern unter fünf Jahren sei besorgniserregend hoch, so die Kinderrechtsorganisation Humanium. Wer dazu noch in einem Ghetto wie Bukoto aufwächst, hat kaum eine Chance auf eine gesundheitliche Versorgung, geschweige denn auf eine Ausbildung. «Eine der wenigen Möglichkeiten, eines Tages das Ghetto verlassen zu können, ist daher ein Sportstipendium», so Marc Caprez.

Um aus der Masse hervorzustechen und dadurch entdeckt zu werden, müssen die Jugendlichen ihre sportliche Leistung stetig verbessern und ihr Talent an Turnieren beweisen. «Hierfür ist eine professionelle Struktur nötig, deren Aufbau man sich als Ugander aber kaum leisten kann. So ist es beispielsweise nicht ungewöhnlich, dass man für ein Turnier über 50 Kilometer durch das Land fahren muss. Ein solches Busticket kann man sich als Einwohner von Bukoto aber nicht finanzieren.» Zudem sei Uganda zwar eine leidenschaftliche Fussballnation, «die Ausrüstung dazu ist aber ein Luxusgut, das sich nur Wohlhabendere zu kaufen vermögen». All dies waren Gründe, den Partnerverein des FC Seefeld zu gründen.

So viel sei bereits verraten: Der Plan von Caprez geht auf. Mittlerweile haben bereits 25 Kinder der Academy ein Sportstipendium erhalten und können nun gratis die Schule besuchen. Ein Spieler wurde in der U-15-Nationalmannschaft untergebracht, fünf der Haupttrainer der Akademie konnten mittlerweile beim ugandischen Fussballverband den Kurs für das offizielle D-Trainerdiplom erfolgreich abschliessen.


Vertrauen aufgebaut

Angefangen hat alles Mitte 2017. Für Marc Caprez, der damals frisch zum Seefeld-Präsidenten gewählt wurde, war es eine Selbstverständlichkeit, «dass wir als Fussballclub aus einem wohlhabenden Land Menschen helfen sollten, die es schwieriger im Leben haben». Dass es letztlich eine Fussballschule in Uganda wurde, ist mehr einem Zufall zu verdanken. Ein Bekannter von Caprez war beruflich in dem afrikanischen Land unterwegs, seine Freizeit nutzte er, um mit Ortsansässigen Fussball zu spielen. «So entstand der Kontakt zu den Brüdern Serge und Solomon Micklish, die dort als Trainer agierten», erinnert sich Caprez. Er skypte mit den beiden, besprach mit ihnen seine Pläne und überwies spontan 200 Franken von seinem Privatkonto. «Mit dem Geld sollten sie neue Fussbälle kaufen und Flyer drucken, um möglichst viele Jugendliche aus dem Ghetto zum Fussballspielen zu motivieren.» Dann ging alles schneller als geplant. «Nur wenige Tage später erhielt ich die ersten Bilder, wie sie mit ihren neuen Bällen auf einem Feld standen.»

Dies war auch der Moment, als sein Plan, eine Fussballschule zu gründen, konkreter wurde. Die Brüder Micklish durften die Leitung übernehmen. Immer wieder überwies Caprez kleinere Beträge nach Afrika, damit die Brüder das Notwendigste kaufen konnten.  «Anfangs verlangte ich noch Quittungen für die Ausgaben, doch es zeigte sich schnell, dass sie keine Eigeninteressen verfolgten und vertrauenswürdig waren.»

Zudem mietete Caprez ein einigermassen gut erhaltenes Spielfeld bei einer ugandischen Privatschule. Hierbei merkte er zum ersten Mal, dass sein wohltätiger Gedanke nicht nur dankbar aufgenommen wird. «In der Vergangenheit sind schon viele Europäer mit angeblich guten Vorhaben in dem Land aufgetaucht, haben den Anwohnern dann aber die Häuser oder ihre Felder unter den Füssen weggekauft.» Erst, als Marc Caprez die Schule überzeugen konnte, dass er das Bildungsinstitut nicht etwa komplett übernehmen wolle, erhielt er die Bewilligung.

Schuhe und Trikots persönlich vorbeigebracht

Die Kampala Galaxy Soccer Academy sollte aber nicht nur auf Geldspenden zählen können. Caprez rief im FC Seefeld und in dessen Umfeld dazu auf, alte Trikots und weitere Utensilien zu spenden. Die Resonanz auf den Aufruf war gross, auch der FC Höngg beteiligte sich daran. Im Juni 2017 konnten schliesslich Marc Caprez’ Sohn Vasco und dessen Kollege Leo Bauer persönlich Waren wie Trillerpfeifen, T-Shirts oder Pumpen nach Kampala bringen. «Rückblickend muss ich aber zugeben, dass wir etwas naiv waren. Wir hatten überhaupt nicht im Blick, dass es ihnen an etwas noch Wichtigerem fehlte: Fussballschuhe!» Viele Jugendliche spielten barfuss oder in ihren normalen, oft bereits sehr kaputten Latschen. «Glücklicherweise konnten wir aber auch hier auf viele grosszügige Spender aus Zürich zählen. Im Oktober 2018 reiste ich dann persönlich mit meinen beiden Söhnen Vasco und Gion nach Uganda und konnte über 130 Paar Fussballschuhe übergeben.»

Die Dankbarkeit bei seinen Jungs in Afrika ist gross: «Viele kannten für uns gewöhnliche Eigenschaften, wie Vertrauen und Zuverlässigkeit, noch gar nicht.»

Ziel: Ein kleines Stadion

Mittlerweile ist die Kampala Galaxy Soccer Academy eine Erfolgs­geschichte. Heute spielen über 200 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren für die Fussballschule, der Trainerstab ist auf zwölf Personen gewachsen. Viele Preise wurden bereits gewonnen. Die Brüder Micklish haben es kürzlich auch geschafft, ihren Verein als NGO nach ugandischem Recht zu registrieren. Als offizielle Institution ist es nun noch realistischer, dass sich Anschlusslösungen für die Kinder finden lassen.

Langfristig soll das Ziel sein, ein eigenes Stück Land zu kaufen und dort ein richtiges kleines Stadion mit einer Beleuchtung zu errichten. «Ab 18 Uhr ist es in Uganda stockfinster, dann ist es vorbei mit dem Fussballspielen», so Caprez.

Im Alltag auf einiges verzichtet

Seit Beginn steckte der Seefeld-Präsident übrigens rund 30'000 Franken von seinem Privatvermögen in das Projekt. «Das war nur möglich, weil mich meine Frau und meine fünf Kids unterstützt haben, in dem wir uns im Alltag etwas eingeschränkt haben – hierfür besten Dank!» Nun sei aber die Zeit gekommen, sein eigenes Portemonnaie zu schliessen. Durch ein Benefizkonzert in Zürich konnten kürzlich rund 10'000 Franken an Spenden gesammelt werden, die vollumfänglich in die Academy fliessen. «Kein Rappen geht unterwegs verloren, da wir keinerlei Verwaltungskosten und mit Serge und Solomon zwei sehr vertrauenswürdige Personen vor Ort haben.» Weitere Grosssponsoren und kleine Spender werden fortlaufend gesucht.

Mittlerweile war nicht nur Marc Caprez selbst mehrfach vor Ort, sondern auch weitere Spieler vom FC Seefeld liessen sich die Chance nicht entgehen und brachten auch gleich wieder neues Material nach Kampala. Umgekehrt durfte Serge Micklish bereits die Seefeld-Junioren trainieren. Nach intensiven Bemühungen durch den Seefeld-Präsidenten erhielt Serge die Möglichkeit, für einige Wochen die Schweiz zu besuchen. Wie gefiel es ihm? «Sehr gut, auch wenn die vielen Eindrücke ihm schon zu schaffen machten. Na gut, er kam auch ausgerechnet zur Street Parade», sagt Caprez lachend. Generell hätten die Ugander ein gutes Bild von der Schweiz. Und sie interessieren sich sogar für den hiesigen Fussball. «Ich konnte es zuerst kaum glauben, aber das Internet ist mittlerweile auch in ärmeren Regionen weit verbreitet, sodass sie tatsächlich auch auf Spiele von YB wetten!»

Über die neusten Entwicklungen informiert die Academy übrigens auch stets auf ihrer eigenen Facebook-Seite.

Weitere Informationen:
www.fcseefeld.club
«Kampala ­Galaxy Soccer Academy» auf Facebook

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