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Die Umzugskartons sind gepackt. Doch die Corona-Krise bringt neue Probleme. Bild: Shutterstock

Das Corona-Virus wirbelt Zügelpläne durcheinander

Von: Ginger Hebel

24. März 2020

In der Stadt Zürich herrscht das grosse Zügelchaos. Viele wissen nicht, ob sie zügeln können und die neue Wohnung bezogen werden kann. Städtische Wohnungen werden derzeit nicht mehr neu vermietet.

Der traditionelle Zügeltermin am 1. April steht bevor. Doch statt Vorfreude auf das neue Wohnglück herrscht bei vielen Zürcherinnen und Zürchern Verunsicherung. «Wir werden von Anfragen überschwemmt», sagt Carlo Sommaruga, Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz. Einige Zügelunternehmen und Putzinstitute arbeiten nicht mehr. Risikogruppen und Erkrankte können nicht umziehen. «Das gibt eine komplizierte Kettenreaktion», befürchtet Sommaruga. Der Mieterinnen- und Mieterverband fordert daher vom Bundesrat eine rasche und umfassende Klärung mietrechtlicher Fragen, auch für die Mietkosten der Geschäftsmieterinnen und -mieter. Die geschuldeten Mietzinse bedrohen tausende KMUs. «Es gibt keinen Zügelstopp», betont Martin Tschirren, Direktor Bundesamt für Wohnungswesen.

Keine Besichtigungen

Liegenschaften Stadt Zürich bewirtschaftet rund 9200 Wohnungen. Städtische Wohnungen werden jedoch vorläufig nicht mehr zur Vermietung ausgeschrieben. Besichtigungen, die sich jeweils auf 50 Personen beschränkten, gibt es nicht mehr. Auch der Schalter an der Morgartenstrasse 29 bleibt für den Publikumsverkehr vorübergehend geschlossen. Mit dieser strikten Massnahme soll vermieden werden, dass sich das Corona-Virus ausbreiten kann. Die Zahl der leer stehenden Wohnungen ist vorläufig noch klein (eine ab 1. Mai, vier ab 1. Juni). Man könne nicht abschätzen, wie viele Kündigungen in nächster Zeit dazukommen. «Dies bedeutet natürlich eine grosse finanzielle Einbusse für die Stadt», betont Kuno Gurtner von Liegenschaften Stadt Zürich. Die Stadt denkt jetzt über eine Zwischennutzung nach. So sollen Mitarbeitende der Abteilung Soziale Einrichtungen, die für die Aufrechterhaltung des Betriebes nötig sind (Notschlafstelle, Kontakt- und Anlaufstellen), die leer stehenden Wohnungen nutzen können. Dadurch soll auch die Gefahr einer Ansteckung im öffentlichen Verkehr eingeschränkt werden. «Wir suchen aktuell nach sinnvollen Lösungen», sagt Gurtner.

Umzüge noch möglich

Vor allem private Zügel- und Räumungsfirmen in der Stadt Zürich haben Existenzängste. Sie befürchten, dass durch die Verbote und Einschränkungen keine Umzüge mehr stattfinden können oder die Leute aus Angst ihre Umzugspläne aufs nächste Jahr verschieben. Beim Zürcher Start-up Movu, der Online-Plattform für Umzüge und Umzugsreinigungen, laufe der Betrieb aktuell verhältnismässig normal weiter, doch auch sie erhalten täglich mehr Anfragen besorgter Mieterinnen und Mieter.

«Umzüge können bei uns wie geplant stattfinden», sagt Wolfgang Nägeli. Der 69-Jährige ist seit über 50 Jahren Inhaber des Zürcher Familienbetriebs Nägeli Umzüge. Einige Kunden hätten ihren Zügeltermin aufgrund der besonderen Umstände verschoben oder gar storniert, diejenigen, die einen Mietvertrag unterschrieben haben, zügeln, sofern sie gesund sind. Für den Monat März rechnet Wolfgang Nägeli mit 100 Umzügen, deutlich weniger als noch vor einigen Jahren. «Früher zogen die Leute für den Job um oder einfach, weil sie sich nach einer Veränderung sehnten. Heute überlegen sich alle sehr genau, ob die neue Wohnung tatsächlich einen Mehrwert bietet.» Zudem sei die Konkurrenz in der Branche so gross wie nie. «Es gibt heutzutage zahlreiche Billig-Anbieter, viele zügeln privat mit Hilfe von Freunden. Traditionsfirmen wie wir leben vom guten Ruf.»

Albert Leiser, Direktor des Hauseigentümerverbands (HEV) ist Chef von 80 Leuten, die meisten hat er ins Homeoffice geschickt, um Erkrankungen zu vermeiden. Seit Tagen laufen die Drähte heiss. Viele Mieterinnen und Mieter haben ein gekündigtes Mietvertragsverhältnis und somit finanzielle Verpflichtungen. «Sie wissen nicht, ob sie in die neue Wohnung einziehen können, wenn die dortige Mieterschaft aufgrund des Virus nicht ausziehen kann. Somit werden alle schadenersatzpflichtig gegenüber dem anderen und es entsteht ein Domino-Effekt.» Eine solche Extremsituation habe er noch nie erlebt. «Wir sind alle gefordert», sagt Leiser. Er hofft nur eines: «Dass jetzt nicht jeder auf sein Recht pocht und Forderungen stellt. Es geht jetzt darum, solidarisch zu sein und Kompromisse zu finden.»

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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