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Extravaganz: Das ERZ leistete sich auf dem Areal des Klärwerks Werdhölzli einen eigenen Badeteich. Bild: PD

Das grosse Aufräumen

Von: RED/JS

23. Juni 2020

Stadtrat Richard Wolff und ERZ-Direktor Daniel Aebli informierten über den Stand der internen Aufarbeitung der Missstände beim Entsorgungsamt. 

Im Jahr 2015 deckten verschiedene Prüfungen Unregelmässigkeiten bei ERZ Entsorgung + Recycling auf, die den Stadtrat 2017 schliesslich veranlassten, das Arbeitsverhältnis mit dem damaligen ERZ-Direktor Urs Pauli fristlos aufzulösen und eine externe Untersuchung bei Rechtsanwalt Tomas Poledna in Auftrag zu geben. Nach einer Interimslösung übernahm am 1. Juli 2018 Daniel Aebli als neuer Direktor die operative ERZ-Führung und ergriff Massnahmen, um das Amt neu aufzustellen. Mit der Veröffentlichung des Poledna-Berichts vor gut einem Jahr beschloss der Stadtrat weitere Massnahmen.

Für die Stadt war die Causa ein regelrechtes Erdbeben, das ein scheinbar undurchdringliches Wirrnis aus Fehlentwicklungen, Unregelmässigkeiten und Fehlleistungen bei ERZ ans Tageslicht brachte. Im Entsorgungs-Amt hatte sich eine eigene, patronale Kultur etabliert mit Extravaganzen, Schwarzen Kassen, überhöhten Gebühren, eigenen Regeln und Gesetzen, mit komplizierten, patronalen Strukturen und nicht immer klar definierten Entscheidungswegen und Vorgaben. Ein unabhängiges Controlling fand in diesem städtischen Paralleluniversum nicht statt.

«Hochglanz-Brimborium»

Für Stadtrat Richard Wolff, Vorsteher des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements, war es von Beginn seiner Departementsübernahme ein prioritäres Ziel, «im ERZ systematisch aufzuräumen» und es wieder in eine normale Dienstabteilung der Stadt Zürich zurückzuformen, Schluss zu machen mit «Hochglanz-Brimborium oder «eigenen Kässeli». Wie weit dieses Vorhaben fortgeschritten ist, darüber informierten Stadtrat Wolff und ERZ-Direktor Daniel Aebli am Montag anlässlich einer Medienkonferenz.
Die Organisation von ERZ wurde verschlankt, entflochten und transparent. Die Geschäftsleitung, die Leitungen von Human Resources und des Controllings sowie die Kommunikation sind neu besetzt. Rechtsdienst und Regeltreue, die sogenannte Compliance, wurden gestärkt oder der Einkauf und das Controlling zentralisiert.

«Besonders die Aufarbeitung der Kultur», betonte ERZ-Direktor Daniel Aebli, «erfordert am meisten Zeit.» Doch auch hier habe sich schon vieles verbessert mit internen Rollenklärungen, besserem Informationszugang etwa durch eine Dialogplattform und dem Selbstverständnis von ERZ als Teil der Stadtverwaltung. Ebenso würden nun auch die Gleichstellung, Teilzeitmodelle oder mobiles Arbeiten gefördert.

Auch was die Beteiligungen des Entsorgungsamts betraf, hatte es zahlreiche Unstimmigkeiten gegeben, der Stadtrat wurde mitunter nur unvollständig informiert. So wurden etwa Aufträge freihändig vergeben, etwa an die Karton- und Papierrecyclingfirma Rolf Bossard AG. Mittlerweile befindet sie sich in Liquidation, die Mitarbeitenden wurden ins ERZ integriert, Dienstleistungen und Fahrzeuge übernommen. Aufgelöst wurde überdies der Verein «Papier bleibt hier». Zudem wird die Auflösung der Fernwärme Zürich AG mit der Betriebseinstellung des Kehrichtheizkraftwerks in der Josefstrasse vorbereitet.Per 30. Juni geschlossen werden die defizitären Teile der Werkstattbetriebe, konkret von Holzbau, Malerei und Metallbau.

Für mediales Aufsehen sorgten vor allem auch der Badeteich im Klärwerk Werdhölzli, der Privatzoo mit Emus oder das eigene Oldtimermuseum. Der Badebetrieb wurde eingestellt und die Anlage rückgebaut. Sie soll in Zukunft für Anlässe gemietet werden können. Für die Emus konnten Plätze bei Privaten gefunden werden, unter anderem im Baselland und in Gstaad. Das Oldtimer-Museum wird aufgelöst. Lediglich zwei historische Fahrzeuge bleiben im Besitz der Stadt. Für die restlichen Oldtimer soll im September oder Oktober eine öffentliche Gant durchgeführt werden. Noch in Arbeit sind nun unter anderem die Entwicklung eines neuen Leitbilds oder die Integration von IT und Telefonie in die städtische Infrastruktur. Eine Herausforderung ist das defizitäre Personalrestaurant im Ausbildungszentrum Ara Glatt. Hier wird die Zusammenarbeit mit anderen städtischen Verpflegungsbetrieben geprüft. Noch offen ist jetzt der Schlussbericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) sowie die weiteren Entwicklungen bei den strafrechtlichen Untersuchungen der Affäre. Die PUK, forderte die SVP in einer ersten Stellungnahme, müsse die Verantwortlichen für die jahrelange Misswirtschaft aufdecken und klar benennen. Auf keinen Fall dürfe nun «die ganze Angelegenheit unter den Teppich gewischt werden». Die Partei hielt auch mit Kritik an Stadtrat Richard Wolff nicht zurück. Er ernte nun als «Saubermann» heute «die Lorbeeren» seines Vorgängers Filippo Leutenegger, der die Verfehlungen damals aufgedeckt habe.

Lesen Sie zum Thema auch den «Klartext» auf Seite 60.

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