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Fremdplatzierungen sind das letzte Mittel, wenn der Schutz des Kindes oder Jugendlichen anders nicht gewährleistet werden kann. Adobe Stock

Das Ziel, wieder gemeinsam zu leben

Von: Ginger Hebel

07. Juni 2022

Jedes Jahr werden Kinder und Jugendliche in der Stadt Zürich fremdplatziert. Für die Betroffenen bedeutet dies einen grossen Eingriff. 

Helena* (Name geändert / Fallbeispiel) wurde ungeplant schwanger. Der Vater des Kindes: unbekannt. Die junge Frau leidet unter psychischen Problemen. Sie hat keine eigene Wohnung und keinen Job. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) wurde auf die Situation aufmerksam und hat für sie ein betreutes Mutter-Kind-­Wohnen organisiert. Helena war damit aber nicht einverstanden. Sie will alleine leben, ohne ihr Kind. Ihr fehlt die Kraft, für ihr Baby da zu sein. Das Kleine muss fremdplatziert werden, weil es im Moment keine andere vernünftige Lösung gibt.

Fremdplatzierungen von Kindern und Jugendlichen sind in der Stadt Zürich selten (jährlich circa 8 auf 10 000 Minderjährige). «Fremdplatzierungen sind das allerletzte Mittel, wenn andere Betreuungs- und Unterstützungsmassnahmen nicht greifen. Wenn der Schutz des Kindes oder Jugendlichen anders nicht gewährleistet werden kann», erklärt Michael Allgäuer, Präsident der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde der Stadt Zürich. Jeder Platzierungsentscheid sei sehr individuell, unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und der Vorgeschichte im Einzelfall.

Die KESB hat den Auftrag, Kinder und Erwachsene zu schützen und zu unterstützen, wenn sie selbst oder ihre Familien dazu nicht mehr in der Lage sind. Die Neuanordnung von Kindesschutzmassnahmen im Jahr 2021 ist gegenüber dem Vorjahr mit 460 Fällen unverändert. Hingegen wurden letztes Jahr mit 530 deutlich mehr Erwachsenenschutzmassnahmen angeordnet als im Vorjahr (474). Diese steigende Entwicklung sei aber vor allem auf das Bevölkerungswachstum zurückzuführen.

Nicht in Stein gemeisselt

Fremdplatzierungen geht oft eine lange Leidensgeschichte voraus. Gewalt in der Familie. Drogen. Alkohol. Psychische Probleme. Die KESB schaltet sich erst ein, wenn sie eine Mitteilung erhält, zum Beispiel einen entsprechenden Rapport von der Stadtpolizei Zürich. «Dann geht es darum, die Familiensituation abzuklären und allenfalls einen Beistand zur Unterstützung einzusetzen», sagt Michael Allgäuer. Eltern unter massivem Alkoholeinfluss vergassen, ihr Kleinkind von der Kita abzuholen. Bei einem Hausbesuch fand die KESB eine desolate Situation vor. Nicht ansprechbare Eltern, eine verwahrloste Wohnung. Die KESB entschied sich dazu, den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht provisorisch zu entziehen, eine Beistandschaft zu errichten und das Kind gegen ihren Willen in einer Institution in der Stadt Zürich zu platzieren. «Fremdplatzierungen sind aber nie in Stein gemeisselt», betont Allgäuer. So können Beistände einen Antrag auf Aufhebung stellen. Auch Eltern haben dazu jederzeit die Möglichkeit. Es sei nicht immer einfach, die richtige Entscheidung zu treffen. «Reagieren oder zuwarten? Das ist oft eine anspruchsvolle Gratwanderung», betont Allgäuer.

Fremdplatzierungen werden auch dann in Erwägung gezogen, wenn Eltern-Kind-Konflikte eskalieren. Suchtabhängige und gewalttätige Teenager, ausgeschlossen von der Schule, ohne Plan für die Zukunft, werden beispielsweise vorübergehend in einer geschlossenen Einrichtung platziert, mit dem Ziel abzuklären, welche Unterstützung es braucht. Ab dem Alter von sechs Jahren werden alle Betroffenen von der KESB persönlich angehört. Dies sei wichtig, um einen Eindruck von den Kindern zu erhalten. Zu deren Unterstützung werden Kinderanwältinnen und -anwälte eingesetzt. Für die Kinder und Jugendlichen, aber auch die Eltern bedeutet die Fremdplatzierung immer einen schwerwiegenden Eingriff. Michael Allgäuer: «Umso wichtiger ist es, sie in alle Entscheidungen miteinzubeziehen. Mit dem Ziel, Eltern dabei zu unterstützen, dass ihre Kinder wieder bei ihnen leben können.»

Weitere Informationen: www.stadt-zuerich.ch/kesb

 

 

 

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