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Salome Hohl, seit Januar Direktorin des Cabaret Voltaire. (Bild: Esther Mathis)

Den Dadaismus wieder beleben

Von: Isabella Seemann

04. Februar 2020

Neustart im Cabaret Voltaire: Zwei Frauen leiten seit Januar das Geburtshaus der Dada-Bewegung. Es soll künftig in Zürich sichtbarer werden – auch mit einem ganztags geöffneten Haus. 

Noch wird gehämmert, gebohrt und geschweisst. Das Anarchisch-Chaotische der Baustelle spiegelt den Geist von Dada wider. Alles ist ständig in Bewegung. Das Cabaret Voltaire an der Ecke Münstergasse, Spiegelgasse wird umgebaut und aufgefrischt. Bald kann man hier im 1. Stock täglich von morgens bis spätabends Kaffee und Wein trinken. Die Öffnung des Hauses für ein breiteres Publikum ist nur eine der vielen Neuerungen, die das neue Führungsduo plant und umsetzt.

Mit grossem Elan und hohen Zielen haben im Januar Salome Hohl (34) und Esther Widmer (60) die Leitung des Kulturzentrums übernommen. Das experimentierende Element der Dada-Bewegung, ihre Skurrilität, aber auch ihre Ernsthaftigkeit haben sich auf die beiden Frauen übertragen, motivieren sie, Unkonventionelles, scheinbar Unmögliches zu probieren.

Als Treffpunkt verankern

«Wir wollen das Cabaret Voltaire in Zürich wieder sichtbarer machen und als Treffpunkt verankern», sagt Salome Hohl, die als Künstlerische Direktorin für das künstlerische Konzept und das Programm verantwortlich zeichnet. Die Appenzellerin lebt seit 15 Jahren in Zürich und war nach ihrer Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule und ihrem Studium der Kunstgeschichte und Philosophie als Kuratorin sowie als Dozentin an der F+F-Schule für Kunst und Design tätig. Dass sie mit der Leitung des Cabaret Voltaire auch die Verantwortung für einen Ort von historischer Bedeutung trägt, reizt sie zusätzlich an dieser Aufgabe.

Heute vor genau 104 Jahren, am 5. Februar 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, mitten im gutbürgerlichen Zürich, gründeten hier im Altstadtlokal eine Handvoll frierender Exil-Künstler die Geburt der Dada-Bewegung. Verzweifelt über die Misere der Welt, tanzten sie gegen Lüge und Verführung an. Sie suchten und fanden eine Sprache, die keiner sich zu Diensten machen konnte. Hugo Ball, Hans Arp, Emmy Hennings und andere Künstler, Maler, Literatinnen, Musiker und Tänzerinnen hatten sich diesem «Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind», hingegeben, wie Hugo Ball meinte. Was hier einige Monate lang passierte, hat die Kunst nachhaltig beeinflusst. «Der dadaistische Geist, so wie ich ihn verstehe, wirkt auch heute noch inspirierend», sagt Salome Hohl. Dada, so wie sie ihn versteht, sei ein Befragungsmodus, der in unterschiedlichen Formen und Formaten fortlaufend fragt: Was ist Kunst? Wie reagieren wir auf die Gegenwart? Wie entwickeln wir eine Sprache? Konkret soll das Cabaret Voltaire ein lebendiger Ort der Vernetzung wie zu seiner Gründungszeit sein, wo sich Freundschaften und Auseinandersetzungen entwickeln können. Salome Hohl sieht hier in Zukunft «eine Oase des Denkens und Tuns».

Darüber hinaus ist das Dada-Haus in der Kunstwelt eine Marke mit internationaler Strahlkraft. Es steht in jedem Reiseführer und soll auch für Touristen zugänglicher werden. «Damit möchten wir auch Zürich als Dada-Stadt wahrnehmbarer machen», sagt Salome Hohl. Die Stadt wiederum subventioniert den Betrieb mit rund 100 000 Franken jährlich und kommt für die Miete des Hauses auf.

Eröffnungsfest 13. bis 15. März

Möglich werden soll die verstärkte Präsenz durch die unterschiedliche Nutzung der Räume. Im Eingangsbereich entsteht eine Dada-Bibliothek, die öffentlich zugänglich ist. Drei Ausstellungen jährlich nehmen Bezug zu historischen und aktuellen Positionen.

Die Öffnungszeiten des Ausstellungsbereichs und der Bibliothek tagsüber ist dank dem Einsatz von Freiwilligen möglich. Und im grossen Saal werden in Kooperation mit verschiedenen Akteuren der Kulturszene Veranstaltungen durchgeführt, kleine und grosse, provokative und stille. Dienstag ist ein neuer jour fixe in der Agenda des Cabaret Voltaire. «So wie Sonntag Tatortabend ist», sagt Esther Widmer mit einem Augenzwinkern. An der Dienstagssoirée sind Lesungen, Screenings, Performances oder Gespräche geplant, dazu wird ein einfaches Gericht angeboten. «Wie an einem Festival sollen sich Leute auf Neues und Überraschendes einlassen können», erklärt Esther Widmer das Konzept. Das Programm wird am heutigen Geburtstag der Dada-Bewegung auf der Webseite aufgeschaltet. Das Eröffnungsfest ist am Wochenende vom 13. bis 15. März.

Cabaret Voltaire
Spiegelgasse 1, 8001 Zürich
Telefon 043 268 57 20

www.cabaretvoltaire.ch

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