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Ursula und Ralf Hänni stehen vor dem Impfzentrum am Hirschengraben und sind ratlos: Seit Monaten wartet das Rentnerehepaar vergeblich auf einen Impftermin. Bild: SB

Die Impf-Odyssee eines Zürcher Rentnerpaares

Von: Sacha Beuth

09. März 2021

Seit Ende Dezember letzten Jahres bekanntgegeben wurde, dass sich Personen aus Hochrisikogruppen gegen Covid-19 impfen lassen können, wollen sich Ursula (80) und Ralf Hänni (84) dafür einen Termin besorgen. Doch obwohl sie alles Mögliche versuchten, konnte sich das Stadtzürcher Rentnerpaar bislang noch nicht einmal für eine Impfung registrieren lassen. Und die Hännis sind kein Einzelfall.

Als Ursula und Ralf Hänni am 30. Dezember letzten Jahres über die Medien erfuhren, dass sich «Personen ab 75 Jahren und Hochrisikopatienten» ab sofort für einen Covid-19-Impftermin registrieren und anmelden lassen können, war bei ihnen die Freude gross. Allerdings währte sie nur kurz. «Obwohl ich gleich am morgen sowohl übers Telefon wie übers Internet versuchte, meine Frau und mich anzumelden, war kein Durchkommen mehr. Die einzige Nachricht, die ich erhielt, war, dass die Leitungen überlastet seien», erzählt Ralf Hänni. Das Rentner-Ehepaar lässt sich darob aber nicht entmutigen und versucht den Januar und auch den ganzen Februar über immer wieder, sich über den offiziellen Kanal des Kantons anzumelden. Vergebens. Auch die Versuche, über die Krankenkasse oder Hausarzt an einen Impftermin zu gelangen, scheitern. «Die Krankenkasse ist gar nicht auf unsere Anfrage eingegangen. Und unser Hausarzt sagte uns, dass er zwar Interesse am Impfstoff angemeldet habe, bislang jedoch keinen Bescheid erhalten habe, wann und ob er überhaupt welchen bekomme», seufzt Ursula Hänni.

Falsch informiert

Sehnlichst wünschen sich der 84-Jährige und die 80-Jährige, endlich wieder ein einigermassen normales Leben führen zu können und vor allem endlich wieder ihre Kinder und Enkel zu treffen. «Letztere sahen wir vor fünf Wochen das letzte Mal, und das auch nur kurz und aus der Entfernung», so Ursula Hänni. Sie gäben sich wirklich alle Mühe, sich so wenig wie möglich einem Ansteckungsrisiko auszusetzen. «Wir verabreden uns mit niemandem mehr, meiden Menschenansammlungen. Einzig gestern habe ich mir erlaubt, nach langer Zeit mal wieder zum Coiffeur zu gehen.»

Die Hännis wollen ihre Bemühungen schon einstellen, da scheint es doch noch Licht am Horizont zu geben. Bei einem Anruf an ein Ärztetelefon wird Ursula Hänni darauf hingewiesen, «dass man sich für eine Impfung auch ausserkantonal anmelden könne». Eine Freundin vermittelt ihnen daraufhin die Internetadresse für eine Impfung im Kanton Aargau. «Wir konnten uns dort dann auch sofort registrieren und erhielten am vorletzten Montag eine E-Mail, dass wir uns am darauffolgenden Freitag impfen lassen können.» Die Hännis sind überglücklich. Doch am vermeintlichen Impftag folgt die böse Überraschung. «Bei der Registrierungsüberprüfung vor Ort wurden wir gefragt, ob wir in Zürich wohnen. Als wir dies bejahten, sagte man uns, dass man uns nicht impfen könne, weil nur Impfwillige aus dem jeweiligen Kanton zugelassen seien. Ich fragte dann nach, warum wir nicht schon bei der Online-Registrierung abgeblockt wurden. Die Antwort war nur: Da ist unser Registrierungsprogramm nicht ausreichend», erinnert sich Ralf Hänni.

Tatsächlich wird den Hännis an anderer Stelle bestätigt, dass sie einer Fehlinformation aufgesessen waren. Der Frust ist gross. Das Paar fühlt sich alleingelassen. «Alle unsere Bekannten in unserem Alter sind bereits geimpft. Bei den meisten lief Anmeldung und Terminvergabe über das Altersheim, in dem sie leben. Andere waren wegen irgendeinem Leiden in ärztlicher Behandlung und wurden dabei auch gleich geimpft. Weil wir aber noch rüstig genug sind, um mit einer eigenen Wohnung klarzukommen, bleibt uns eine solche Unterstützung verwehrt», glaubt Ralf Hänni.

Trotzdem sind die Hännis überzeugt, dass sie nicht die Einzigen ihrer Altersgruppe sind, die noch keinen Impftermin erhalten haben. Und die offiziellen Zahlen der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich geben ihnen recht (siehe auch Box). Von rund 240 000 Personen im Kanton Zürich, die gesundheits- oder altersmässig (= über 75 Jahre) zu den Hochrisikogruppen gehören, waren bis Anfang März nur 135 353 geimpft. Die Ursache ist bekannt. Es fehlt am Impfstoff. Das weiss auch Ralf Hänni. Er findet aber auch: «Über ein Jahr lang hat man uns unter die Nase gerieben, wir seien Risikopatienten und sollen uns unbedingt impfen lassen. Aber wenn man das tun will, geht es nicht. Ausserdem verstehe ich nicht, warum man sich im Kanton Zürich nicht wenigstens registrieren lassen kann. In anderen Kantonen geht das problemlos. So wüsste man wenigstens, dass man nicht vergessen wurde.» Es bleibt dem Ehepaar nun nichts weiter übrig, als zu warten und zu hoffen, dass mit der nächsten Lieferung genug Impfstoff vorhanden ist, damit auch sie an die Reihe kommen.

 

Stellungnahme der kantonalen Gesundheitsdirektion

Im Kanton Zürich sind – Stand 5.3.21 – 135 353 Personen gegen Covid-19 geimpft. Davon waren 89 415 Erst- impfungen und 45 938 Zweitimpfungen. Die bis Ende März verfügbaren Impf- dosen werden vorab für Zweitimpfungen in den Alters- und Pflegeheimen sowie in Hausarztpraxen eingesetzt.

Aufgrund der in den kommenden Wochen verfügbaren Impfstoffmengen können derzeit keine weiteren Termine für Erstimpfungen ausgeschrieben werden. Im März stehen dem Kanton Zürich gemäss heutigem Planungsstand knapp 180 000 vom BAG zugeteilte Impfdosen zur Verfügung. Damit können 90 000 Personen geimpft werden. Ein bedeutender Teil des Impfstoffs wird laut aktuellen Lieferprognosen erst gegen Ende März eintreffen. Der Kanton Zürich dispo- niert den Impfstoff an die Institutionen erst, wenn er eingetroffen ist, und reserviert für jede Erstimpfung auch die entsprechende Zweitimpfung. So wird für die impfenden Organisationen Planungssicherheit gewährleistet und verhindert, dass Impftermine verscho- ben werden müssen.

Da der Impfstoff nach wie vor begrenzt ist, konnten beziehungsweise können nicht alle Arztpraxen berücksichtigt werden. Die Auswahl erfolgt(e) auf- grund verschiedener Kriterien wie z. B. Anzahl Patienten, Zugehörigkeit zu einer Gruppenpraxis sowie geografische Verteilung über den Kanton. Wann die Impfungen für weitere Altersgruppen erfolgen können, hängt sowohl von den Impfstoffmengen, den Lieferdaten sowie den Impfquoten ab. Aus heutiger Sicht gehen wir davon aus, dass bis im Sommer alle geimpft sein werden, die das wollen.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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