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Kämpft für einen weltoffenen, fortschrittlichen Islam: Saïda Keller-Messahli. Bild: Christian Schnur

Ehrenfest für Schutzengel, Lebensretter und Kämpfer

Von: Isabella Seemann

08. November 2016

An der 19. Verleihung des Prix Courage im Zunfthaus zur Saffran in Zürich standen neun mutige Menschen im Rampenlicht. Unter ihnen auch Saïda Keller-Messahli aus Zürich.

Mutig waren sie alle. Besser: Mutig sind sie alle. «Und jeder beweist auf seine Weise Zivilcourage», lobte Jury-Präsidentin und SP-Ständerätin Pascale Bruderer Wyss, die neun eindrücklichen Kandidaten des diesjährigen «Beobachter Prix Courage». Zum 19. Mal ehrte die Zeitschrift Menschen, die besonders beherzt und selbstlos handeln.

Keine mondäne Gala

Am vergangenen Freitag fand im Zunfthaus zur Saffran am Limmatquai die Preisverleihung statt, durch die der Radio- und Fernsehmoderator Dani Fohrler in breitem Solothurner Dialekt führte. Keine mondäne Gala mit Prominenten wars wie in früheren Jahren, sondern ein stimmungsvoller, emotionaler Anlass, bei dem allein die Nominierten und ihre Heldentaten im Rampenlicht standen. Bei dreien allerdings war der Grat zwischen Heldentum und tödlicher Gefahr äusserst schmal. So hatte Rolf Fähnd- rich an einer Technoparty eine Kollegin, die aus dem Nichts heraus von einem Gewalttäter mit einem Messer angegriffen wurde, gerettet – und wurde dabei selber niedergestochen. Sein Hals musste mit 15 Stichen genäht werden. Sein Eingreifen bereut er gleichwohl nicht. «Ich würde es bereuen, wenn ich untätig geblieben wäre.» Für seine Freunde, die den Versicherungsberater aus Egolz­wil LU nach Zürich begleitet haben, ist er ein Held und wird entsprechend gefeiert. Courage hat also eindeutig auch mit Entschlossenheit und Entscheidungsfreude zu tun.

Die Walliserin Barbara Imboden hatte als Einzige reagiert, als ein Mann auf der Strasse um Hilfe schrie, weil sein Kind aus dem Mund blutete. Sie drängte sich durch die Umstehenden und legte das reglose Kind auf den Boden und begann mit einer Herzmassage. «Ich sah die Verzweiflung in den Augen des Vaters und dachte an meine eigenen Kinder. Ich hätte nicht nichts machen können.» Der Brustkorb der Kleinen begann sich wieder zu wölben. Im Spital wurde das Kind notoperiert und überlebte. Die kleine Laura nennt Barbara Imboden «meinen Schutzengel», aber auch sie selbst hat durch ihr beherztes Eingreifen etwas gewonnen: Selbstvertrauen.

Mut im Zentrum

Neben den Lebensrettern wurden auch vier Persönlichkeiten nominiert, die durch ihr bürgerliches Engagement Mut zeigten, wie Guido Fluri, der die Debatte über das grosse Leid der Verdingkinder ins Rollen brachte. Als einzige Stadtzürcherin wurde Saïda Keller-Messahli nominiert, die als Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam unentwegt für einen weltoffenen, integrativen und toleranten Islam kämpft, obwohl sie von Islamisten dafür immer wieder Morddrohungen erhält und ihr naive Linke in den Rücken fallen (siehe Interview). Obgleich sie bereits zum zweiten Mal nominiert wurde und bei den «Beobachter»-Lesern zu den Favoriten gehörte, ging der Pokal erneut an ihr vorbei. Aber das werde an ihrer Arbeit nichts ändern, sagt sie und freut sich, dass die Jury den Preis an einen anderen mutigen Menschen vergeben hat, den Berner Flüchtlingshelfer Michael Räber.

Während die meisten Herren mit Hemd und die Damen in schicken Blusen kamen, fielen er und seine Entourage durch ihre knallroten T-Shirts mit Schweizer Kreuz auf. «Ich will den guten Ruf der Schweiz in die Welt hinaustragen», sagt er. Dabei wollte der IT-Spezialist im August 2015 eigentlich nur Ferien auf der griechischen Insel Lesbos verbringen, doch dann sah er das Flüchtlingselend und wusste, dass er etwas tun musste. Er sprach mit seiner Frau und entschied innert zweier Tage, seinen Job aufzugeben, um vor Ort zu helfen. Mit einem Bekannten lancierte er das Hilfswerk Schwizerchrüz.ch.

15 000 Franken Preisgeld

Seither setzt sich der 40-Jährige aus Kiesen BE sieben Tage die Woche für Flüchtlinge ein. Was treibt ihn an? «Weder Glaube noch eine sozialistische Ideologie, ich bin Liberaler», sagt er vorweg. «Wenn ich Ungerechtigkeiten sehe, dann muss ich handeln.» Für sein Engagement erhält er einen Check über 15 000 Franken, den er mit einem «Guet» quittiert. Gemeinsam mit allen Gästen genoss er das exklusive Diner im Zunfthaus, bevor er nächste Woche wieder in ein Camp in der Türkei reist und für die Flüchtlinge organisiert, was sie dringend benötigen: Öl, Zucker, Trinkwasser und Heizungen. Manchmal Hals über Kopf improvisiert, aber immer mit Herz und Tatkraft.

Interview: Woher nimmt Saïda Keller-Messahli ihren Mut?

 

Schwimmdispens, Kopftuch und Zwangsehen: Ist von Integrationsproblemen mit Muslimen die Rede, mischt sich Saïda Keller-Messahli (59) in die Debatte ein. Als Gründerin und Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam kämpft sie für einen weltoffenen, integrativen, toleranten Islam – und gegen radikale Islamisten. Sie tut dies seit 2004, freiwillig und uneigennützig. Dafür wurde die gebürtige Tunesierin, die seit 40 Jahren in Zürich lebt, für den Prix Courage nominiert – und dies bereits zum zweiten Mal, nach 2010. Trotz vieler Stimmen des Publikums reichte es nicht für die Auszeichnung. Dafür darf Saïda Keller-Mes­sahli am 3. Dezember in Bern den Schweizer Menschenrechtspreis der Schweizer Sektion der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM-CH) entgegennehmen.

Sie wurden für Ihr Engagement für einen offenen Islam und gegen Islamisten für den Prix Courage nominiert. Was bedeutet für Sie ganz allgemein mutig sein und Zivilcourage zeigen?

Saïda Keller-Messahli: Es bedeutet, meine mir eigene ethische Position nie zu verraten.

Braucht es in einer offenen Gesellschaft Mut, um für einen offenen Islam einzustehen und gegen Islamisten zu kämpfen?

Leider ja, weil die Islamisten sehr gut organisiert und vernetzt sind und ihre Gegner stets zu diffamieren und einzuschüchtern versuchen.

Wer sind im Kampf für einen offenen Islam Ihre ärgsten Widersacher?

Alle Islamisten – ob Muslimbrüder oder Salafisten. Manchmal sind es auch einfach naive Linke, die den Islamismus beschönigen und verharmlosen wollen.

Welcher Teil Ihres Engagements braucht am meisten Mut?

Heute braucht es angesichts der invasiven Propagandamaschine des politischen Islams über alle Kanäle wie Internet, Moscheen, Stiftungen, islamische Organisationen usw. besonders Kraft, den islamistischen Diskurs öffentlich zu denunzieren und seine Forderungen unnachgiebig zurückzuweisen.

Mit welchen negativen Konsequenzen sind Sie in Ihrem Kampf gegen Islamisten konfrontiert?

Mit der ganzen Palette, von primitiven Beschimpfungen bis hin zu Drohungen.

Gab es Momente, in denen Sie selber an Ihrem Engagement zweifelten, Sie vielleicht gar der Mut verliess?

Solche Momente gibt es immer wieder. Vor allem, wenn ich sehe, wie die Mehrheit der Muslime in der Schweiz, die perfekt integriert ist und meine Arbeit lobt, sich nur in Schweigen hüllt und nicht wagt, sich öffentlich einzubringen.

Woher nehmen Sie die ganze Kraft, um diese Konflikte auszuhalten und sich weiterhin voll für eine offene Gesellschaft einzusetzen?

Aus der Kraft meiner Überzeugungen und aus der Tatsache, dass ich Entwicklungen beobachte, die der Schweiz grossen Schaden zufügen.

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