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Der Ausweg aus der Krise ist für Restaurants noch ungewiss. (Bild:Christoph Ames/iStock)

Ein Schock für Gastronomen

Von: Christian Saggese

21. April 2020

Restaurantbesitzer fühlen sich vom Bundesrat im Stich gelassen. Manche Branchen dürfen in den nächsten Wochen wieder öffnen, doch über Gastrobetriebe wird bis jetzt kaum ein Wort verloren. 

Als der Bundesrat letzten Donnerstag verkündete, welche Branchen in den kommenden Wochen wieder öffnen dürfen, schöpften viele Gastronomen Hoffnung. Hoffnung, in ihren Restaurants baldmöglichst wieder Gäste bewirten zu dürfen. Doch die Hoffnung wich schnell einer Enttäuschung. Das Gastrogewerbe wurde an der Pressekonferenz über die Lockerungsmassnahmen nur nebenbei erwähnt. Ein Datum für die Wiedereröffnung? Fehlanzeige.

Sigi Huber, langjähriger Mieter und Inhaber des Biergarten im Kreis 4 sowie Vermieter von 15 weiteren Restaurants, findet deutliche Worte: «Ich bin enttäuscht vom Bundesrat. Sie lassen eine der grössten Arbeitgeberbranchen der Schweiz einfach links liegen. Möglicherweise dürfen wir ab dem 8. Juni wieder Gäste bewirten. Vielleicht aber auch nicht. Man lässt uns im Stich, ohne Perspektive.» Sigi Huber ist überzeugt: «25 bis 30 Prozent der hiesigen Gastrounternehmen werden aufgrund dieser Massnahmen, die natürlich notwendig waren, mittlerweile aber deutlich übers Ziel hinausschiessen, in den finanziellen Ruin getrieben.» Er fordert, dass die Gastrobetriebe so schnell wie möglich wieder öffnen dürfen, «wenn nötig noch mit reduzierter Platzzahl, aber auch das kann keine langfristige Lösung sein, da für die Infrastruktur und das Personal noch immer die gleich hohen Kosten anfallen».

Beim Coiffeur gehts auch

Michel Péclard eröffnete im Januar mit dem Münsterhöfli seinen 14. Betrieb. Mit der Arbeit des Bundesrats sei er sehr zufrieden. «Die Massnahmen zum Schutz und zur Eindämmung haben gegriffen.» Aber die Pressekonferenz über die Lockerungsmassnahmen «war für mich ein Schock, ein Desaster. Die Gastronomie ist doch ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Warum nicht Betriebe öffnen, die Abstände garantieren können?». Dass dies in seinen kleineren Restaurants, wie dem Coco oder dem Münsterhöfli, nicht möglich sei, verstehe er: «Doch grössere Lokale könnten allfällige Hygienemassnahmen doch gut umsetzen. Ein Coiffeur ist letztlich näher an seinem Kunden dran als ein Kellner, der beispielsweise einen Teller mit Handschuhen und Schutzmaske am Buffet bereitstellen würde.»

Aus der aktuellen Krise dürfte seine Pumpstation Gastro GmbH einigermassen gut rauskommen: «Wir haben eine tolle Versicherungslösung, die uns trägt.» Wenn er aber Stimmen höre, die finden, «als tüchtiger Unternehmer muss man doch Kapital für viel länger auf der Seite haben», ärgert ihn das sehr: «Viele verstehen unser Gewerbe zu wenig.» Erstens seien nicht alle Monate für ein Restaurant gleich rentabel, «in meinem Betrieb laufen die Monate März bis Oktober. Alleine von März bis Mai hätten wir einen Umsatz von 8 Millionen gemacht. Das fehlt uns nun, sofern wir tatsächlich bis Juni geschlossen bleiben.» Und zweitens «hat kein Wirt einfach pandemievorsorgende Kapitalvorräte angelegt. Niemand konnte mit dieser Krise rechnen. Vielleicht aber müssen wir das künftig tun. Doch dann kostet ein Espresso plötzlich 10 Franken, was natürlich auch nicht geht.»

Mietzins reduzieren

Urs Pfäffli, Präsident von Gastro Zürich-City, dem Gastgewerbeverband der Bezirke Zürich und Dietikon, war nach der Pressekonferenz des Bundes in erster Linie verunsichert. Er fragte sich: «Warum wurden wir nicht erwähnt? Ist das Thema so heikel und negativ, dass der Bundesrat nicht darauf eingehen kann?»

Welche Konsequenzen eine längerfristige Schliessung für das Gastrogewerbe noch haben wird, darüber will Urs Pfäffli nicht spekulieren. Er wisse aber von Branchenkollegen, dass ihre Zukunft gefährdet sei. «Relevant wird nun sein, wie es mit der Mietzinsreduktion weitergeht.» Gastro Zürich-City hat seine Mitglieder aufgerufen, ab April keine Miete mehr zu bezahlen, sollte mit dem Vermieter keine einvernehmliche Lösung zur Mietzinsreduktion gefunden werden. Eine solche sei bei einem staatlich verordneten Lockdown angemessen, da ein Mangel im mietrechtlichen Sinn vorliegt. «Hier muss aber auch der Kanton ein Machtwort sprechen, damit eine rechtliche Handhabe besteht.»

Ein fixes Datum, an welchem alle Restaurants wieder öffnen dürfen, sei für Urs Pfäffli nicht realistisch. «Die Wiedereröffnung wird etappenweise erfolgen müssen. Am Anfang wird dafür nicht jeder Betrieb geeignet sein.» Deswegen erwartet er vom Bundesrat zumindest einen Zeithorizont, «der uns eine Perspektive und Planungssicherheit gibt».

Nicht gegeneinander ausspielen

Auch Ernst Bachmann, Präsident des Gastrogewerbeverbands Zürich, seit über 50 Jahren Wirt und aktuell Pächter des Muggenbühl in Wollishofen, hofft, dass die Restaurants so schnell wie möglich einen Zeithorizont zur Planung erhalten. «Zudem wüsste ich gerne, welche Sicherheitsmassnahmen umgesetzt werden müssen, damit wir uns darauf vorbereiten können. Müssen wir Schutzmasken besorgen? Oder Tische aus den Räumlichkeiten schaffen?» Gleichzeitig nimmt er aber seine Berufskollegen wie auch die Medien in die Verantwortung: «Wir müssen aufhören, die Gesundheit und die Wirtschaft stets gegeneinander auszuspielen. Der Bundesrat erledigt einen sehr guten Job, er weiss, was für die Bevölkerung am besten ist. Und wir wollen den Gästen schliesslich mit einem Restaurantbesuch auch ein Erlebnis bieten. Doch das ist nicht möglich, wenn letztlich Familien oder Paare an separaten Tischen essen müssen. Oder man immer Angst haben muss, dass man sich beim Nachbarn ansteckt. Deswegen müssen wir auch noch Geduld aufbringen. Die sinkenden Fallzahlen sind ein gutes Zeichen.» Dass es zu Schliessungen kommt, sei mehr als bedauerlich, «aber es ist die brutale Realität, dass es in der Gastrobranche auch ausserhalb der Coronakrise stets ein Kampf ums Überleben ist».

Ein Funken Hoffnung

Vielleicht dürfen die Gastronomen aber doch noch hoffen. Wie SVP-Bundesrat Guy Parmelin im Interview mit der «SonntagsZeitung» sagte, schliesse er nicht aus, dass die ersten Restaurants bereits in den nächsten Wochen wieder öffnen können, sollte es die Situation zulassen und die Betriebe ein überzeugendes Schutzkonzept vorlegen können. Der Bundesrat werde jede Woche an seiner Sitzung die Lage neu beurteilen.


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Leserkommentare

Hans Feller - Das wird aber Schwierig werden, mit dem Abstand der eingehalten werden muss

Vor 3 Jahren 10 Monaten  · 
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