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Kopf des Plateosaurus-Replikats im Zoologischen Museum der Universität Zürich. Bild: PD

Ein Urzeitriese als «Empfangsdame»

Von: Sacha Beuth

15. September 2020

Nach der coronabedingten Schliessung wartet das Zoologische Museum der Uni Zürich bei der Wiedereröffnung mit einer Besonderheit auf: Nun begrüsst die Rekonstruktion eines fast 8 m langen und 4 m hohen Plateosaurus sowie ein Originalskelett die Besucher. Die Dinoknochen haben Paläontologen im Fricktal gesammelt.

Ist es wirklich nur eine Rekonstruktion? – Der riesige Plateosaurus, der seit gestern offiziell den Eingangsbereich des Zoologischen Museums der Universität Zürich schmückt, sieht so täuschend echt aus, als würde er jeden Moment loslaufen. Gut, allzu schlimm wäre das nicht, schliesslich waren Breitweg-Echsen – so lautet deren wissenschaftlicher Name übersetzt – Vegetarier und benutzten ihre riesigen Klauen vorab zum Graben.

Ersatz für Meggie

Die rund 8 Meter lange und über 4 Meter hohe Dino-Nachbildung ersetzt im Museum das Modell des Riesenfaultiers Meggie, das über viele Jahre als «Empfangsdame» fungiert hatte. «An Meggie hatte im wahrsten Sinne des Wortes der Zahn der Zeit genagt. Sie war derart von Insekten befallen, dass uns keine andere Wahl blieb, als sie auszuwechseln», erklärt Museumsdirektor Lukas Keller am Freitag anlässlich der Wiedereröffnung des Museums nach der coronabedingten Schliessung den geladenen Pressevertretern. «Dabei war klar, dass das neue Aushängeschild nicht nur informieren, sondern ebenfalls begeistern sollte. Weil Dinosaurier bei Gross und Klein hoch im Kurs stehen und weil in den nächsten Jahren ohnehin mehr Dino-Exponate bei uns einziehen werden, fiel die Wahl auf die ‹Schreckensechsen›».

Doch welcher Dino sollte es sein? Hier kam den Museumsverantwortlichen der Zufall zu Hilfe. Im Jahr 2018 hatte Museumskurator Christian Klug mit ein paar Studenten die Tongrube Gruhalde im aargauischen Frick besucht und dabei gesehen, wie die Paläontologen des dortigen Sauriermuseums ein aussergewöhnlich gut erhaltenes Skelett eines Plateosaurus freilegten. «Als dann die Suche nach dem Meggie-Ersatz begann, erinnerte ich mich an die Begebenheit und fragte bei der Fricker Kollegen nach, ob wir das Skelett haben dürften. Diese erklärten sich sofort bereit dazu und die Gemeinde überliess uns das fossile Skelett als Dauerleihgabe», erzählt Klug.

Damit war die Sache aber noch nicht getan. Denn allein mit einem Skelett – und sei es noch so gut erhalten – lockt man die Massen nicht ins Museum. Also kontaktierte Dennis Hansen als Leiter des Projekts eine dänische Firma, die sich auf Paläo-Replikationen spezialisiert hat, und beauftragte sie, ein lebensechtes Modell des Fundes zu produzieren. «Und zwar eines, das nicht nur der Art selbst, sondern dem gefundenen Individuum entspricht», so Hansen. Die dänischen Spezialisten erstellten erst eine Zeichnung, dann ein Computermodell und schliesslich das auf einem Metallgerüst ruhende und mit Rasmonit – einem Epoxidharz ähnlichen, aber elastischeren Kunststoff – ummantelte Modell. Dabei wurde auch dem besonderen Umstand, dass die rechten Schulterknochen des Fossils stark verdickt sind, Rechnung getragen. «Diese massive Knochenwucherung stammt von einem verheilten Bruch, der das Tier in seinen Bewegungen stark beeinträchtigt haben muss und auch äusserlich erkennbar war. Aus diesem Grund hat die Rekonstruktion bei der Bruchstelle eine andere Hautfarbe und Oberfläche als an den übrigen Teilen des Körpers», erzählt Hansen.

Der Bruch selbst liefert den Forschern zudem einen wichtigen Hinweis zur Biologie des Plateosaurus. «Lange hat man angenommen, dass sich diese Saurier-Art auf allen vieren fortbewegten. Weil eine derartige Wucherung aber erst nach vielen Jahren entstehen kann und das Tier niemals mit nur drei bewegungsfähigen Beinen so lange überlebt hätte, ist dies ein klares Indiz dafür, dass der Plateosaurus sich auf zwei Beinen fortbewegt haben muss.» Dagegen basieren andere Elemente wie etwa die Nackenstacheln und die Hautfärbung auf Vermutungen.

Zu tief in Sumpf gewagt

Das Skelett wiederum lässt einen Rückschluss auf die Todesart des Dinos zu. «Als die Plateosaurier vor rund 220 Millionen Jahren die Erde bevölkerten, lebten sie hier in der Schweiz vorab in einer flachen, sumpfigen Landschaft. Damals war auch das Fricktal eine saisonal überschwemmte Ebene. Wie die Beinstellung zeigt, muss sich das Fundtier zu weit in den Sumpf gewagt haben. Es blieb im Schlamm stecken, konnte sich nicht mehr daraus befreien und verendete», erzählt Klug. Weil auch Raubtiere nicht an den Kadaver gelangen konnten und weil sich die Erdschichten im Fricktal im Laufe der Jahrmillionen nur wenig bewegten, blieb das Skelett am Stück erhalten. «Da aber vor der Entdeckung ein Bagger der wirtschaftlich genutzten Tongrube Kopf und Hals des Skeletts abgetragen hatte, wurden diese durch Abgüsse ersetzt.»

Einen Namen hat der Dino aus dem Fricktal übrigens noch nicht erhalten. «Hierfür wollen wir in den nächsten Wochen eine öffentliche Ausschreibung machen», sagt Direktor Keller. «Allerdings wird der Sieger nicht durch die meisten Einsendungen mit dem gleichen Namen, sondern durch eine Jury bestimmt.» Das «Tagblatt» liefert schon mal einen Vorschlag: Wie wäre es mit «Fricky»?

Weitere Informationen: www.zm.uzh.ch

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