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Viele Lehrlinge brechen ihre Lehre frühzeitig ab, weil es zu Problemen im Betrieb oder in der Berufsschule kommt und sie nicht reif genug sind für den immer anspruchsvolleren Berufsalltag. Bild: iStock

Eine Generation unter Druck

Von: Jan Strobel

28. März 2019

Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen, könnten eigentlich entspannt in die Zukunft blicken. Es gibt so viele offene Angebote wie selten. Doch die optimistischen Zahlen hätten auch eine andere Seite, sagt die Zürcher Fachstelle Job Caddie, welche Jugendliche bei Problemen mit der Lehre unterstützt.

«Heute muss sich ein Jugendlicher dumm anstellen, damit er keine Lehrstelle findet», meinte unlängst SVP-Kantonsrat Jürg Sulser gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Auf was die Aussage des Logistik- und Transportunternehmers zielte, war die Situation auf dem Zürcher Lehrstellenmarkt. Während der letzten zehn Jahre hat sich die nämlich massiv verändert.

Im Februar 2019 waren von den insgesamt 11 219 Lehrstellen im Kanton Zürich noch 4244 unbesetzt. Die meisten Lehrstellen gibt es derzeit in der Sekretariats- und Büroarbeit, im Gross- und Einzelhandel sowie im Baugewerbe. Ein Boom erlebt überdies die Lehre zum Fachangestellten Gesundheit. Besonders schwierig stellt sich die Situation für Coiffeure dar. Hier bleiben über ein Drittel der Lehrstellen unbesetzt. Für Lehrfirmen, scheint es, ist es heute schwierig, Lehrlinge zu ­finden.

Immer spezialisierter
So einfach allerdings möchte Claudia Manser diese Aussage nicht stehen lassen. Die Sozialarbeiterin ist Leiterin des Mentoringprogramms Job Caddie in Zürich, das seit zehn Jahren junge Erwachsene zwischen 16 und 25 Jahren unterstützt, wenn sie in der Lehre Probleme haben oder den Einstieg ins Berufsleben nicht ­finden. «Die Anforderungen und der Druck, dem Lernende ausgesetzt sind, ist heute gross», sagt Claudia Manser. «Der hiesige Arbeitsmarkt wird immer spezialisierter. Schüler und Lernende müssen in ein perfektes Profil passen, sich stets selbst optimieren. Das ist besorgniserregend.»

Als das Mentoringprogramm vor zehn Jahren an den Start ging, begann sich die Situation auf dem Lehrstellenmarkt erst langsam zu verbessern, die Rede war damals von einem «schummrigen Lichtblick». Gegründet wurde Job Caddie von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) und gehört heute zu ihrer festen Angebotspalette. 2014 bis 2017 erhielt das Programm überdies einen Beitrag vom Staatssekretariat für Migration für junge Migranten. Und auch die Stadt Zürich unterstützt für die Jahre 2019 und 2020 Job Caddie finanziell für Stadtzürcher Jugendliche. 2020 wird sie über eine kontinuierliche Unterstützung entscheiden. Während der vergangenen zehn Jahre holten sich bereits über 3000 Hilfesuchende Unterstützung im kostenlosen Mentoringprogramm. «Rund 75 Prozent haben eine berufliche Lösung gefunden», so Programmleiterin Claudia Manser.

Die Probleme der Lehrlinge sind dabei individuell vielfältig, kreisen aber um ähnliche Felder. Häufig geht es um eine Lehrvertragsauflösung, sei es durch die Berufsbildner oder aber durch die eigene Entscheidung. Andere finden nach der abgeschlossenen Lehre und Grundausbildung keine Anschlusslösung beziehungsweise keine Festanstellung oder haben während der Lehre Probleme im Betrieb oder in der Berufsschule. Manche Lehrlinge sind schlicht überfordert und noch nicht reif genug für den Berufsalltag in einem Betrieb.

Das Prinzip des Mentorings bei Job Caddie beruht auf der Freiwilligkeit der Hilfesuchenden. «Nur so ist die Motivation gewährleistet», ist Claudia Manser überzeugt. «Von Amtes wegen wird niemand zugewiesen, auch von den Eltern nicht. Eigeninitiative ist die entscheidende Voraussetzung.»
Derzeit arbeiten etwa 150 branchennahe Mentoren und Mentorinnen für Job Caddie, welche in  Freiwilligenarbeit nebenberuflich Unterstützung bieten. «Allerdings ist es für uns schwierig, gerade aus der boomenden Gesundheitsbranche Mentoren und Mentorinnen zu rekrutieren», sagt Claudia Manser.

Als freiwillige Mentorin setzt sich Susan Heule bei Job Caddie ein, die am Flughafen Zürich beim Family Service arbeitet und Kinder von Reisenden im Transitbereich betreut. «Ich wollte mich für die Bedürfnisse von Jugendlichen engagieren», sagt sie. «Als Mentorin kann ich bei ihren Problemen Unterstützung bieten und individuell nach einer geeigneten Lösung suchen. Dabei  ist es immer wieder erfreulich zu sehen, wie gross die Motivation unter den Jugendlichen während des Mentorats ist. Es braucht manchmal nur einen kleinen Anstoss, um sie auf neue Idee und Wege zu bringen.»   
Immerhin gibt es in Sachen Anschlusslösung erfreuliche Entwicklungen, gerade bei ausländischen Jugendlichen in der Stadt Zürich: Der  Anteil derer, die vor Schulabschluss noch keine definitive Lösung für die weitere Ausbildung gefunden haben, lag gemäss Statistischem Jahrbuch mit 6,7 Prozent noch nie so tief.

Weitere Informationen:
www.jobcaddie.ch

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