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Die durchschnittlichen Mietpreise in Zürich sind hoch, in der Realität aber tiefer, als die Nestpick-Studie den Anschein erweckt. Symbolbild: iStock

Experten zerpflücken Mietpreis-Studie von Nestpick

Von: Sacha Beuth

05. Februar 2019

Um sich eine Wohnung in der Stadt Zürich leisten zu können, die nicht mehr als ein Drittel des ­Einkommens kostet, müssten Singles gemäss einer Nestpick-Studie durchschnittlich 7305 Franken brutto pro Monat verdienen. Experten ziehen die Studie in Zweifel und weisen auf diverse Mängel hin.

Was muss man im Schnitt im Monat verdienen, um sich eine Wohnung in den verschiedenen Stadtkreisen Zürichs leisten zu können? Mit dieser Frage hatte sich die Firma Nestpick, eine internationale Mietwohnungs-Plattform, beschäftigt. Dabei sollten die Kosten für die Miete maximal ein Drittel des ­Einkommens betragen. Für eine Singlewohnung wurde eine Durchschnittsgrösse von 50 Quadratmetern und für eine Familienwohnung von 105 Quadratmetern errechnet. Als Quellen für den Median der Miete pro Quadratmeter nutzte das Unternehmen vorab die Preisangaben der eigenen sowie anderer Plattformen. Letzte Woche wurden die Ergebnisse in diversen Schweizer Medien veröffentlicht.

17 824 Franken für 105 m2?

Demzufolge sollte ein Single im Schnitt über ein monatliches Bruttoeinkommen von gut 7305 Franken verfügen, um eine Wohnung von beschriebener Grösse mieten zu können. In einzelnen Kreisen müsste das Einkommen sogar noch höher sein, etwa im Kreis 1, wo für Singles 9749 Franken pro Monat und für Familien 16 668 Franken nötig wären. Im Kreis 8 sind es gar 10 745 Franken für Singles und im Kreis 4 sage und schreibe 17 824 Franken für Familien. Nicht wenige dürften sich gefragt haben, ob dies der Realität entspricht. In der «Tagblatt»-Redaktion zumindest sorgten die Zahlen für ungläubiges Staunen, weshalb wir umgehend der Sache nachgingen und dazu Experten befragten.

Bei Statistik Stadt Zürich sieht man die Studie in einem zwiespältigen Licht: «Einerseits dürfte sie Wohnungssuchenden einen guten Überblick über die Mietpreise verschaffen. Diese orientieren sich oft an den Angeboten der Plattformen. Auch die Annahme, dass nicht mehr als ein Drittel des Einkommens für die Wohnungsmiete aufgewendet werden soll, halte ich generell für plausibel», erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Tina Schmid. «Weiter entspricht das errechnete erforderliche Monatseinkommen für eine Wohnung zumindest im Groben dem von uns ausgewiesenen mittleren Bruttolohn. Dieser bezieht sich auf Personen, die in der Stadt Zürich arbeiten – aber nicht zwingend hier wohnen müssen – und beträgt 7820 Franken.» Doch bereits hier gebe es zwischen Theorie und Realität eine Kluft. «Unser Bruttolohn ist auf ein 100-Prozent-Pensum umgerechnet. Viele Stadtzürcherinnen und -zürcher arbeiten jedoch Teilzeit oder sind gar nicht erwerbstätig. Das bedeutet, dass nur eine Minderheit im Monat 7820 Franken oder mehr verdient.» Dies gelte gerade für Familien, bei denen in der Regel nicht beide Elternteile zu jeweils 100 Prozent erwerbstätig seien.

Ein weiteres Problem ortet Schmid bei den Quellen für die Mietpreise. «Bei den von Nestpick angegebenen mittleren Mietpreisen pro Quadratmeter handelt es sich um Angebotsmieten, das heisst um Mieten von Wohnungen, die auf Internetportalen ausgeschrieben werden.» Wohnungen, die langjährig vermietet sind, unter der Hand weitervermietet werden oder etwa nur auf der Website einer Genossenschaft ausgeschrieben sind, flössen nicht in die Berechnung ein. «In Zürich sind aber rund ein Viertel der Wohnungen gemeinnützig.»

«Expats zahlen zu viel»

Der Hauseigentümerverband setzt ebenfalls ein Fragezeichen hinter die Aussagekraft der Studie. «Es werden dafür auch ausgeschriebene Wohnungen berücksichtigt, die sich nicht zu dem Preis vermieten lassen. Die Nestpick-Angaben sind darum mit Vorsicht zu geniessen», sagt Albert Leiser, Direktor HEV Zürich. Walter Angst, Leiter Kommunikation beim Mieterverband Zürich, geht sogar noch weiter und findet, die Nestpick-Statistik führe in eine falsche Richtung: «Wer sich bei der Wohnungssuche auf Angebotsstatistiken und auf Medienberichte über solche Statistiken abstützt, zahlt zu viel Miete. Dies trifft vorab auf Expats zu, die den hiesigen Wohnungsmarkt nicht kennen und darum bedeutend mehr als die tragbaren 30 Prozent des Einkommens aufwenden. Was wiederum zu einem unerwünschten Druck auf die Mietpreise führt.» Sowohl Angst wie Statistikerin Schmid stört zudem, dass die Studie bezüglich vieler Quellen und Parameter nicht transparent sei.

Das «Tagblatt» hat mehrfach versucht, Nestpick direkt zu dessen Daten zu befragen. Die Mails blieben bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe jedoch unbeantwortet.

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