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Geht es nach dem Willen der FDP Stadt Zürich, soll künftig auch der Konsum von Kokain straffrei sein. Bild: Adobestock

FDP will Straffreiheit auch für den Konsum harter Drogen

Von: Sacha Beuth

20. April 2021

In ihrer neuen Roadmap zur Drogenpolitik schlägt die FDP der Stadt Zürich nun einen progressiven Kurs ein. Künftig soll der Konsum sowie der Besitz an Kleinstmengen aller Drogen, auch harter wie Heroin und Kokain, straffrei sein. Während die SP dem Vorhaben grundsätzlich beistimmt, stösst es bei GLP und SVP gerade in Bezug auf den Jugendschutz auf Skepsis oder gar glatte Ablehnung.

Bislang hatte die FDP in Sachen Drogenpolitik wie die übrigen bürgerlichen Parteien einen mehrheitlich repressiv-konservativen Kurs gefahren. Nun vollzieht zumindest die Stadtzürcher Sektion eine Kehrtwende. Weil trotz der aus den 90er-Jahren stammenden 4-Säulen-Drogenpolitik (Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression) weiter grosse Mengen an Drogen konsumiert werden, sei eine pragmatische Drogenpolitik nötig, begründet die Partei ihren Schritt in einer Medienmitteilung. Dafür hat eine Arbeitsgruppe der FDP unter der Leitung von Gemeinderat Marcel Müller eine Roadmap ausgearbeitet und am 13. April publiziert. Künftig sollen Eigenkonsum und Besitz von Betäubungsmitteln – explizit auch von harten Drogen – straffrei und die Produktion, der Handel und der Verkauf von Betäubungsmitteln stufenweise reglementiert werden, lautet die Kernaussage des Papiers.

Für gewisse Betäubungsmittel sieht die FDP eine Mengenbeschränkung bei Handel und Vertrieb vor, welche über ein nationales Register kontrolliert werden soll. Ebenso einen Wohnsitznachweis in der Schweiz, um einem allfälligen Betäubungsmitteltourismus entgegenzuwirken. Und last but not least ein Mindestalter von 18 Jahren für den Bezug von Betäubungsmitteln. Auf diese Weise soll unter anderem der Jugendschutz gestärkt, die Konsumenten entkriminalisiert und der illegale Handel ausgetrocknet werden. «Es wird immer eine Nachfrage nach Drogen geben, das lässt sich auch mit rigorosen Kontrollen nicht verhindern. Wenn wir Handel und Konsum entkriminalisieren, können wir korrupten Kartellen die Grundlage entziehen», betont Marcel Müller.

Erstes Ziel der Roadmap ist denn auch die Straffreiheit für die «Konsumvorbereitung», womit laut Gesetz der Besitz einer «geringfügigen Menge» an Drogen gemeint ist. Dies findet bereits für Betäubungsmittel des Wirkungstyps Cannabis Anwendung. Für alle anderen Substanzen gilt ebenfalls die Straffreiheit, der Gesetzgeber hat aber die geringfügigen Mengen nicht spezifiziert. Um diesen Teil des Gesetzes endlich korrekt umzusetzen lotet die FDP auf den verschiedenen Politischen Ebenen die Möglichkeiten aus und hat sowohl im Gemeinderat wie im Kantonsrat entsprechende Anfragen eingereicht. «Aufgrund der Antworten werden wir dann weitere Vorstösse in Betracht ziehen», sagt Müller. Schon jetzt sei klar, dass die nächsten Schritte auf Bundesebene passieren müssten, da es sich um ein nationales Gesetz handle. «Aber bis wir in Bern für unser Anliegen eine Mehrheit finden, wird es noch viel Überzeugungsarbeit brauchen.»

Während die städtischen Grünen der neuen Haltung der Liberalen gemäss Präsident Felix Moser nicht recht trauen und sich nicht weiter zur Roadmap äussern wollen, erhält die FDP von der SP schon mal Unterstützung. Stefan Rüegger kann sich als stellvertretender Generalsekretär zwar einen Seitenhieb nicht verkneifen («Es freut uns, dass die FDP endlich eine alte SP-Forderung unterstützt»), schreibt dann aber weiter: «Wir stimmen der Kernforderung nach einer Entkriminalisierung des Drogenkonsums zu. Die Details der Umsetzung – etwa ob das nun mit oder ohne Registrierungspflicht und Maximalmengen sein soll – müssten im Gesetzgebungsprozess diskutiert werden». Wie die Liberalen ist auch die SP überzeugt, dass eine Entkriminalisierung sich vorteilhaft auswirkt und weniger Personen Drogen probieren würden, da der Reiz des Illegalen wegfalle.

Reiz für Jugendliche bleibt

Genau dies würde wegen der geplanten Alterslimite aber nicht für Jugendliche zutreffen, was unter anderem ein Grund dafür ist, warum die GLP Vorbehalte gegenüber der Roadmap der Freisinnigen hat. «Wenn der Konsum und Besitz von Drogen für unter 18-Jährige verboten bleibt, bleibt auch der Reiz des Verbotenen erhalten», glaubt Stefan Mühlemann, Vizepräsident der GLP Stadt Zürich. «Handkehrum kann nicht ausgeschlossen werden, dass gerade bei Jugendlichen eine Legalisierung dazu führt, erst recht Drogen auszuprobieren.»

Geradezu entsetzt von den Ideen der bürgerlichen Kollegen ist die SVP. «Die FDP schiesst mit ihrer Forderung nach einer Legalisierung aller Drogen massiv übers Ziel hinaus», findet Ueli Bamert, Vizepräsident SVP Stadt Zürich. «Das Argument <es> lassen wir nicht gelten: Es kommt auch niemandem in den Sinn, etwa das Tempolimit auf Autobahnen zu erhöhen, nur weil viele Autofahrer hin und wieder zu schnell fahren.» Auch könne mit den angedachten Massnahmen der Schwarzmarkt nicht eliminiert werden. «Die Jugendlichen würden plötzlich mitkriegen, dass der Konsum harter Drogen bei Erwachsenen auf einmal "normalisiert" würde, und hätten daher noch mehr Anreiz, zu solchen Drogen zu greifen. Der Jugendschutz würde folglich verschlechtert statt verbessert.»

«Legal kiffen»: 2022 könnte es so weit sein

Seit Jahren wird politisch über ein Pilotprojekt diskutiert, welches es Städten vorübergehend ermöglichen soll, legal Cannabis zu verkaufen. Experten wollen dadurch entscheidende Erkenntnisse für den künf- tigen Umgang mit der Droge gewinnen, beispielsweise darüber, wie sich eine regulierte Abgabe auf das Konsum- und das Kaufverhalten, auf den Schwarzmarkt und auf die Gesundheit auswirkt. Das Gras würde aber nur an eine bestimmte Testklientel verkauft. Um einen solchen Versuch zu starten, mussten noch gesetzliche Anpassungen vorgenommen werden, was zwischenzeitlich geschehen ist. Der Weg steht also frei. Die Stadt Zürich hat schon früh Interesse an einer Teilnahme an dem Projekt erkundigt. Gemeinsam mit der Universität Zürich sind deshalb momentan die Vorbereitungen dafür im Gange, die, laut Medienmitteilung, voraussichtlich bis Ende Jahr dauern. Danach sollen die Pläne der Kantonalen Ethikkommission und dem BAG zur Bewilligung vorgelegt werden. Klappt alles, wäre der Start der Studie für die erste Jahreshälfte 2022 vorgesehen. SAG

 

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