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Moralisch verwerflich: Schaulustige. (Symbolbild: iStock/ sshaw75)

Gaffer riskieren ihr eigenes Leben

Von: Christian Saggese

07. Juni 2019

Schaulustige sind auch in Zürich ein tägliches Problem. Die Stadtpolizei warnt vor den Gefahren und vor rechtlichen Konsequenzen.

Schlimme Unfälle mit Verletzten und Toten. Brände, die Existenzen zerstören: Rettungskräfte müssen in solch tragischen Situationen innert kürzester Zeit schwierige Entscheidungen treffen. Es sind stressige und belastende Minuten, schliesslich liegt das Leben eines fremden Menschen in ihren Händen.

Doch einer Gruppe von Menschen scheint dies egal zu sein: den Gaffern. Wie kürzlich bei einem LKW-Unfall mit Todesfolge in Deutschland. Noch während die Polizisten die Situation unter Kontrolle bringen wollten, hielten auf der Gegenfahrbahn Schaulustige an, fotografierten rücksichtslos und sorgten für einen Stau.  Ein anwesender Polizist reagierte daraufhin ungewohnt. Er forderte die Fahrer auf, aus ihren Wagen zu steigen und sich die Leiche anzusehen. Natürlich im Wissen, dass keiner soweit gehen würde. Und er machte den Gaffern unmissverständlich klar, dass sie sich für ihr Verhalten schämen sollten.

Auch in Zürich gehören Schaulustige zur Tagesordnung, sagt Stadtpolizei-Sprecher Marco Cortesi. «Wenn ein Blaulichteinsatz im Gang ist, gibt es immer Menschen, die anhalten und zuschauen.» Dieses Verhalten, Tragödien live miterleben zu wollen, sei kein neues Phänomen. «Doch heute hat so ziemlich jeder eine Kamera in der Tasche und will deswegen noch näher an den Ort des Geschehens.» Marco Cortesi gibt hierfür auch den Medien eine Mitschuld, die für «möglichst spektakuläre Fotos von Tatorten hohe Geldsummen an ihre Leserreporter zahlen.» Dies sei nicht illegal, dennoch hoffe er, dass Verlagshäuser mit dem Thema künftig sensibler umgehen werden.

Weitere Verletzte möglich

In erster Linie sind es aber die Schaulustigen selbst, die Cortesi um Zurückhaltung bittet. Dies aus mehreren Gründen. Da wäre erstens die Gefahr, in die sich die Gaffer selbst bringen. Als Beispiel nennt er den Brand beim Zürcher Hauptbahnhof letzten August. Ein Eckhaus ging in Flammen auf, es gab mehrfach Explosionsgeräusche zu hören. «Nun könnte man meinen, dass der Überlebensinstinkt die Menschen von diesem Ort fernhält. Doch das Gegenteil war der Fall. Es waren nicht nur ein paar Dutzend, sondern Hunderte Schaulustige, die an unseren Absperrungen standen und das Geschehen auf Video festhielten.» Diese hätten leicht durch herumfliegende Trümmerteile verletzt werden können. «Zudem waren viele Rettungsfahrzeuge unterwegs. Muss einmal eines den Rückwärtsgang einlegen, kann es ebenfalls schnell zu einer ungewollten Kollision kommen.»

Cortesti vermutet, dass viele Passanten sich diesen Gefahren gar nicht bewusst sind. «Wie bei den 1.-Mai-Kundgebungen. Auch wenn Flaschen und Steine geworfen werden, hält es niemanden davon ab, diesem vermeintlichen Spektakel als Zuschauer beizuwohnen. Oder bei einem Banküberfall. Stürmen wir das Gebäude bewaffnet, liegt das daran, dass eine Gefahr besteht. Der Räuber könnte einen Schusswechsel riskieren, ja im schlimmsten Fall sogar eine Geisel nehmen.» Dennoch stünden die Leute gebannt vor der Absperrung. «Vielleicht lassen sich manche zu stark von Actionfilmen, wo ja nie etwas geschieht, beeinflussen. Doch das Leben ist kein Hollywoodfilm.»

Gegen das Gesetz

Unterschätzt werden dürften auch nicht die rechtlichen Konsequenzen. Die Stadtpolizei Zürich verzeigt Schaulustige, die etwa die Rettungsarbeiten behindern. So könnten Gaffer Strassen versperren, was einem Krankenwagen wichtige Sekunden kostet. «Zudem vergessen viele in der heutigen Zeit, dass man noch immer das Recht am eigenen Bild hat. Die Opfer wie auch die Gesetzeshüter dürfen nicht ohne weiteres einfach fotografiert und die Bilder danach weiterverbreitet werden.»

Letztlich sollte sich laut Cortesi jeder eine simple Frage stellen: «Wenn Sie am Boden liegen und Hilfe benötigen, wollen Sie dann von Fremden fotografiert werden, die zusätzlich noch die professionellen Rettungskräfte behindern? Die Antwort dürfte klar sein.»

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echo@tagblattzuerich.ch

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