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Gefährliches Gras: Seit einiger Zeit sind synthetische Cannabinoide im Umlauf. Das Drogeninformationszentrum Zürich (DIZ) hat entsprechende Warnungen herausgegeben. Bilder: Saferparty

Gefährliches Gras im Umlauf

Von: Ginger Hebel

11. Januar 2022

Drogen: Auf dem Schwarzmarkt werden vermehrt Cannabisprodukte verkauft, die mit synthetischen Cannabinoiden behandelt wurden. Auch stark dosierte Partydrogen machen in der Stadt Zürich die Runde. 

Diesen Horror-Trip wird Lukas nie mehr vergessen. Statt Glücksgefühlen und Entspanntheit nach dem Konsum von Cannabis bekommt er Panik, sieht unheimliche Gestalten und muss schwallartig erbrechen. Sein Kollege fällt nach einem Joint ohnmächtig vom Stuhl. Seit einiger Zeit sind synthetische Cannabinoide im Umlauf. Das Drogeninformationszentrum Zürich (DIZ) hat entsprechende Warnungen herausgegeben. Es häufen sich Meldungen über Gras mit extremen Wirkungen wie Krampfanfälle, Herzrasen, Verwirrtheit, Psychosen und schwerwiegende Vergiftungen. «Cannabis hat sich von einer Substanz mit vergleichsweise geringen Risiken zu einer Substanz mit potentiell lebensgefährlichen Nebenwirkungen gewandelt. Diese Entwicklung macht uns Sorgen», sagt Dominique Schori, Teamleiter Saferparty Streetwork.

Unerforschte Substanzen

Perfid: Kriminelle Organisationen besprayen legalen CBD-Hanf mit künstlichen Substanzen, die 50- bis 100-mal stärker wirken. «Künstliche Hanfblüten lassen sich weder von Auge noch vom Geschmack oder Geruch von pflanzlichem Cannabis unterscheiden, sondern nur im Labor», sagt Schori. Synthetische Cannabinoide sind weitgehend unerforschte Substanzen. Informationen zu Wirkung, Risiken, Wechselwirkungen oder Langzeitfolgen liegen kaum vor. In der Stadt Zürich leben rund 25 000 Cannabis-Konsumierende. «Entscheidend sind Massnahmen zur Schadensminderung», findet Dominique Schori. Das DIZ hat im Oktober 2020 ein zusätzliches Cannabis-Drug-Checking eröffnet. Jeden Donnerstagabend können maximal zehn Konsumierende ihr Produkt von Experten überprüfen lassen. Bislang wurden über die Hälfte der verdächtigen Proben positiv auf synthetische Cannabinoide getestet.

Cannabisprodukte sind in der Schweiz nur erlaubt, wenn sie weniger als ein Prozent des Wirkstoffes THC enthalten. Mit einem Schnelltest können Zürcher Polizisten Drogenhanf von legalem Industriehanf unterscheiden. «Besteht der Verdacht, dass Marihuana mit synthetischen Cannabinoiden behandelt wurde, muss es im Labor untersucht werden», sagt Michael Walker von der Stadtpolizei Zürich.

Zürich ist eine Kokain-Hochburg. Bei knapp der Hälfte aller Proben, die im Drogeninformationszentrum Zürich untersucht werden, handelt es sich um das weisse Pulver. In den vergangenen Jahren habe der Kokaingehalt um rund 30 Prozent zugenommen. Dadurch steigt die Gefahr der Überdosierung. Auch bei MDMA, sprich Ecstasy, hätten sich im letzten Jahr die Meldungen über Syntheseverunreinigungen verdoppelt. Im Umlauf sind farbige Pillen mit dem Kopf von Donald Trump oder dem Logo von UBER sowie Totenkopf- und Handgranaten-Pillen. «Partydrogen sind derzeit hochdosiert, was die Nebenwirkung stärker macht als die Wirkung, die man sich davon verspricht», erklärt Dominique Schori. Sein Rat: Niemandem trauen und bei Unsicherheiten Drogen in Drug-Checking-Angeboten testen lassen. «Den Dealer des Vertrauens gibt es nicht.»

Alkohol im Alter

Wie Sabin Bührer von der Suchtfachstelle Zürich sagt, sei Gruppendynamik mit ein entscheidender Faktor dafür, welche Drogen konsumiert werden. «Der Mischkonsum ist besorgniserregend.» Viele Leute seien sich nicht bewusst, dass Medikamente wie Schmerzmittel die Wirkung von anderen Substanzen wie beispielsweise Alkohol verstärken und verändern können. «Der Anspruch unserer Leistungs- und Konsum-Gesellschaft ist es oft, Probleme möglichst mit einer Tablette aus der Welt zu schaffen», sagt Bührer.

Nicht nur Drogen- und Medikamenten-Missbrauch sind Herausforderungen, mit denen sich die Suchtfachstelle Zürich konfrontiert sieht, auch Alters-Alkoholismus ist ein grosses Thema. «Sex und Alkohol im Alter sind die grössten Tabus. Fakt ist, dass rund ein Viertel aller Personen im Rentenalter täglich Alkohol konsumiert», sagt Bührer. Die Aufgabe der Suchtfachstelle sei es nicht, Moralapostel zu spielen, sondern eine neutrale Anlaufstelle zu sein für individuelle Beratung und Unterstützung der Betroffenen als auch ihrer Angehörigen. Für viele ist ein Glas Wein oder der Gin Tonic am Feierabend ein Genuss-Ritual. «Es geht nicht unbedingt darum, abstinent zu leben. Problematisch wird der Konsum dann, wenn er nicht mehr bewusst geschieht und sich die Leute nicht mehr aktiv dafür und vor allem dagegen entscheiden können. In diesen Situationen werden die Ratsuchenden dabei unterstützt, ihre persönlichen Veränderungswünsche und Ziele – beispielsweise eine Konsumreduktion – erreichen zu können.»

Weitere Informationen:

www.stadt-zuerich.ch/diz

www.saferparty.ch

www.suchtfachstelle.zuerich

Sicherer Cannabis-Konsum

> Cannabis bei Verdacht in einem Drug-Checking-Angebot testen.

> Antesten (zwei, drei Züge nehmen) und danach 15 Minuten warten. Stellt sich eine ungewöhnliche Wirkung ein, unbedingt auf den weiteren Konsum verzichten!

> Mischkonsum vermeiden!

> Cannabisprodukte vor dem Konsum gut vermischen (mit Grinder).

Bald legal kiffen

Voraussichtlich im Herbst 2022 startet das städtische Pilotprojekt «Züri Can – Cannabis mit Verantwortung». Dieses ermöglicht ausgewählten Teilnehmenden, vorübergehend legal Cannabis zu kaufen und zu konsumieren. Die Cannabis-Studie wird wissenschaftlich begleitet. Erforscht werden soll unter anderem, wie stark der Schwarzmarkt durch eine Legalisierung ausgetrocknet werden und dadurch auch die Gesundheit der Konsumenten besser geschützt werden kann. SAG

Mehr Infos: www.stadt-zuerich.ch/cannabisprojekt

 

 

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