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Der Strichplatz Depotweg in Zürich-Altstetten: Die Sexarbeitenden sollen vor dem Virus geschützt werden. Bild: Stadt Zürich

Gegen den Strich

Von: Jan Strobel

17. März 2020

Die Corona-Pandemie erreicht jetzt auch die Sexarbeitenden in der Stadt Zürich. Heute wird auch der Strichplatz am Depotweg geschlossen.

Im Zuge der Corona-Pandemie geriet in den letzten Tagen auf politischer Ebene im Kantonsrat – kurz vor der Sistierung der Sitzungen – auch eine Berufsgruppe in den Fokus, die bei den Diskussionen um Schutz- und Hygienemassnahmenkaum kaum Beachtung fand. Sexarbeitende sind in ihrem Alltag erheblichen Risiken ausgesetzt, ihre Tätigkeit läuft den Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zwangsläufig zuwider.

Die beiden EVP-Kantonsräte Tobias Mani und Barbara Günthard wollten, noch vor der Erklärung der «ausserordentlichen Lage», in einer Anfrage vom Regierungsrat unter anderem wissen, wie sichergestellt werden kann, dass Sexarbeitende vor Ansteckung geschützt sind. Es könne nicht sein, dass beispielsweise Schulen und Versammlungen geschlossen würden, das Sexgewerbe aber seinen Betrieb weiterführen dürfe, so die beiden EVP-Politiker, die gleichzeitig ein temporäres Verbot fürs Sexgewerbe forderten, «um die Frauen zu schützen».

«Die EVP», sagt dazu Ernst Danner, Stadtzürcher Gemeinderat und Präsident der EVP Stadt Zürich, «will das Sexgewerbe generell begrenzen, weil die meisten Prostituierten an ihrem Beruf massiv leiden. Ein Verbot während der Coronazeit ist ein Schutz. Selbst­verständlich müssen die Sexarbeiterinnen an der wirtschaftlichen Hilfe von Bund und Kanton teilhaben können.»

Eine Eigengefährdung
Im Mittelpunkt der Diskussion stand insbesondere auch der Strichplatz Depotweg in Zürich-Altstetten, der in den letzten Wochen wieder Schlagzeilen machte. Am 1. März war dort eine Stadtpolizistin von einem Autolenker lebensbedrohlich verletzt worden. Daraufhin reichte ein Privater eine Aufsichtsbeschwerde gegen Stadtrat Raphael Golta vom Sozialdepartement ein. Der Kläger forderte eine sofortige Schliessung des Strichplatzes und doppelte wenig später nach: Der Stadtrat unterwandere mit dem Weiterbetrieb des Strichplatzes «die vom BAG herausgegebenen Weisungen an die Bevölkerung zur Eindämmung der Eigen- und Fremdgefährdung mit Bezug auf die gegenwärtige epidemiologische Bedrohung». Das sei nicht nur den Sexarbeiterinnen, sondern auch der Bevölkerung gegenüber «verantwortungslos und unhaltbar». Die Stadt nimmt zur Aufsichsbeschwerde derzeit keine Stellung, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt. In Bezug auf den Strichplatz Depotweg wurde im Rahmen der aktuellen Lage gehandelt: Der Strichplatz ist ab heute Mittwoch, 18. März, bis auf Weiteres geschlossen.

Der kantonalen EVP geht es mit ihrem Vorstoss aber längst nicht nur um ein temporäres Verbot des Sexgewerbes wegen der Corona-Pandemie; die Partei sieht die Krise vielmehr «als Chance», um eine grundsätzliche Eindämmung des Sex­gewerbes nach schwedischem Vorbild anzugehen, welches die Freier kriminalisiert und die Frauen entkriminalisiert.

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