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Für die geplante Veloroute fallen an der Birchstrasse in Oerlikon 50 Parkplätze in der blauen und weissen Zone zum Opfer. Bild: Stephan Iten

Gegen Parkplatzschwund regt sich Widerstand

Von: Ginger Hebel

20. August 2021

Abbau: In Zürich-Nord sollen hunderte öffentliche Parkplätze verschwinden, oft zugunsten von Velorouten. Anwohner ärgern sich. Gewerbler fürchten um ihre Existenz. Auch die Versorgung wird immer schwieriger.  

Handwerker Pius Müller ist frustriert. Er wurde von einem Passanten beschimpft, weil er auf einem Teil des Trottoirs anhielt. Angesichts fehlender Parkplätze sah er keine andere Möglichkeit. Die Zürcher Gewerbeverbandspräsidentin Nicole Barandun kennt das Problem. «Es ist nicht nur eine Frage der Bussen, die ärgerlich und teuer sind. Vermehrt werden unsere Handwerker auch angepöbelt und beschimpft, wenn sie zum Beispiel keine andere Möglichkeit haben, als auf dem Velostreifen oder auf dem Trottoir anzuhalten.»

Suchverkehr nimmt zu

In Zürich-Nord spitzt sich die Situation zu. Die Stadt Zürich plant, an der Birchstrasse zwischen Regensbergstrasse und Wehntalerstrasse alle 50 öffentlichen Parkplätze in der blauen und weissen Zone ersatzlos aufzuheben. Zugunsten eines beidseitigen Velostreifens, neuer Veloabstellplätze und der Neuanordnung von  Bäumen. Die Birchstrasse ist gemäss «Velostrategie 2030» eine Veloroute. Für den Bau müssen Parkplätze weichen. Das Projekt wird öffentlich kritisiert, eine Einsprache ist noch hängig. SVP-Gemeinderat und Stadtratskandidat Stephan Iten aus Zürich-Nord bezeichnet den Abbau «als Frechheit». «Der Kampf um die verbleibenden Quartierparkplätze wird immer grösser, was auch den Suchverkehr massiv erhöht».



Dass die Stadtzürcher Bevölkerung für radikale Lösungen zugunsten des Velos bereit ist, hat sie mit ihrer Zustimmung zur SP-Volksinitiative «Sichere Velorouten» zum Ausdruck gebracht.

Auf Parkplätze angewiesen

Das lokale Gewerbe bangt um Kundenparkplätze, so das Fachgeschäft Zoo zum Birchplatz und das Restaurant Giesserei Oerlikon. Christian Huser vom Wirtschaftsraum Zürich-Nord zeigt Verständnis für die Velofahrer, sieht aber die Folgen für die Gewerbler. «Viele leiden stark unter der Corona-Krise. Wenn auch noch Parkplätze verschwinden, ist das existenzbedrohend.» Gewerbeverbandspräsidentin Nicole Barandun weiss: Die meisten Unternehmen fragen bei ihren Kunden nach, ob es vor Ort Parkmöglichkeiten gibt. «Wenn nicht, besteht die Tendenz, den Auftrag abzulehnen. Das wird auch an den erwähnten Strassenzügen immer öfters der Fall sein.»  Es sei eine Illusion zu glauben, der Bäcker im Quartier mache seinen Umsatz nur mit Lauf- und Velokundschaft aus der näheren Umgebung. "Wenn ich Quartieren ein Geschäft schliesst, entsteht kaum etwas Neues, vielmehr kommt es zu Leerständen."

Die IG Quartierparkplätze fordert von der Stadt, möglichst alle Parkplätze in Quartieren mit altem Baubestand zu erhalten oder aber ortsnah kleine, öffentliche Quartierparkhäuser mit Blauer Zone zu erstellen. «Der Abbau von Parkplätzen zwingt alle, die nicht über das Privileg eines eigenen oder gemieteten Abstellplatzes verfügen, ihr Auto zu verkaufen, es ausserhalb der Stadt abzustellen oder aufs Land zu ziehen», sagt Christoph Zürcher von der IG Quartierparkplätze Zürich.

Gemäss Tiefbauamt Stadt Zürich werden die Parkplätze in der Birchstrasse auf Privatgrund ersetzt. Die Baugenossenschaft Brunnenhof  realisiert in der Umgebung in sieben Etappen Ersatzneubauten mit ihren Pflichtparkplätzen. Daraus ergebe sich grosses Kompensationspotenzial. «Es besteht weder ein Rechtsanspruch auf öffentliche Strassenparkplätze noch eine Bestandesgarantie», betont Evelyne Richiger. Die Kompensation von Parkplätzen ist «ein Märchen», sagt Nicole Barandun. Nachfragen vor Ort hätten ergeben, dass die Parkplätze in Tiefgaragen von Neubauten bereits vermietet seien und bei freien Parkplätzen zuerst die Anwohner der Genossenschaft berücksichtigt werden.

Laut aktuellem Bauprogramm werden für das Projekt Sonneggstrasse/Scheuchzerstrasse/Irchel weitere 171 Parkplätze wegfallen, am Bachmannweg in Affoltern 183. Nicole Barandun sieht Probleme vor allem dort, wo nicht nur geliefert wird, sondern auch montiert werden muss. «Güterumschlagsplätze fehlen, und sie werden neuerdings auch punktuell aufgehoben. Die Versorgung wird immer schwieriger.»

Wer der Meinung sei, die Anlieferung könne mit dem Lastenvelo erfolgen, kenne die Mengen von Waren nicht, die tagtäglich in Zürich ausgeliefert werden. Im Rahmen der Revision der Gewerbe-Parkkartenverordnung hatten sie viele Vorschläge eingereicht, um Handwerkern im Einsatz einen gewissen Spielraum zu ermöglichen. Ein Konzept wäre gut, komme aber wohl zu spät. Nicole Barandun: «Umso wichtiger ist es, dass man bei jedem Projekt auch die Interessen der Handwerker und Anwohner berücksichtigt, und nicht nur diejenigen der Velofahrer.»

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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