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Wertgeschätzt: Einsteigerinnen und Einsteiger ohne Lehrdiplom sollen langfristig an den Lehrberuf gebunden werden (Symbolbild). Bild: freepik.com

Gute Aussichten für Lehrkräfte ohne Diplom

Von: Sacha Beuth

22. November 2022

Wegen Lehrermangels mussten auf das Schuljahr 2022 / 23 an den Schulen im Kanton Zürich 530 Personen temporär eingestellt werden, die kein Lehrdiplom besitzen. Nun sollen diese dank eines neuen Studien-Angebots die Chance auf eine langfristige Anstellung erhalten. Während Bildungsdirektorin Silvia Steiner von einer Win-win-Situation spricht, sind Lehrerverband und VPOD in Sorge.

Ausgebildete Lehrkräfte sind auch im Kanton Zürich zu einem raren Gut geworden. So war der Mangel an diesen so gross, dass die Bildungsdirektion für das Schuljahr 2022 / 2023 den Paragrafen 7 des Lehrpersonalgesetzes (LPG) ziehen musste. Dieser sieht vor, dass die Gemeinden Personen ohne Lehrdiplom einsetzen dürfen, wenn die Bildungsdirektion einen Mangel an Lehrpersonen feststellt. Obwohl dieser Einsatz auf maximal ein Jahr befristet ist, nutzten rund 530 Personen die Möglichkeit, auf diese Weise in den Lehrberuf einzusteigen.

Hohe Einsatzbereitschaft

Und das offenbar mit Erfolg. Jedenfalls waren an der Medienkonferenz am letzten Donnerstag im Konferenzzentrum Walcheturm Silvia Steiner (Bildungsdirektorin des Kantons Zürich), Heinz Rhyn (Rektor der Pädagogischen Hochschule Zürich) und Sandra Aebersold (Co-Schulleiterin der Primarschule Feldhof in Volketswil) voll des Lobes über die «Personen ohne anerkanntes Lehrdiplom», im Fachjargon kurz «Poldis» genannt. Man sei beeindruckt von deren Einsatz- und Leistungsbereitschaft sowie dem Nutzen, der sich aus dem jeweiligen beruflichen Fachwissen der «Poldis» ergäbe. Sie sollen darum den Schulen erhalten bleiben, weshalb man ihnen eine langfristige Perspektive im Lehrberuf bieten wolle. Konkret soll hierfür den «Poldis» die Aufnahme eines vollständigen Studiums an der Pädagogischen Hochschule Zürich ermöglicht werden. Zur Aufnahme müssen folgende Kriterien erfüllt werden: Anstellung von mindestens 40 Prozent an der Volksschule im Kanton Zürich im Jahr 2022 / 23. Abgeschlossene Berufslehre oder (Berufs-)Maturität, drei Jahre Berufserfahrung und ein Mindestalter von 30 Jahren. Rund die Hälfte der 530 Personen erfülle alle Kriterien. «Aber auch die anderen können sich für ein Studium qualifizieren, sofern sie eine strenge, mehrstufige Prüfung bestehen», erklärt Silvia Steiner.

Der Weg ist kein Zuckerschlecken. Das Studium dauert je nachdem, ob Voll- oder Teilzeit beziehungsweise je nach anvisierter Stufe, 3 bis mehr als 5 Jahre. Auch wird man bei einer Anstellung von 40 Prozent finanziell wohl kleinere Brötchen backen müssen (Berechnungen des «Tagblatt» zu Folge beträgt der monatliche Verdienst, abhängig von der Lohnkategorie, zwischen 2400 und 2900 Franken). Doch dafür winkt am Schluss ein interkantonal anerkanntes Lehrdiplom. «Es ist eine Win-win-Situa­tion. Personen ohne Lehrdiplom erhalten eine nachhaltige Perspektive im Lehrberuf, die Schulen können diese Personen weiterbeschäftigen und die Qualität der Schulbildung ist sichergestellt», fasst Silvia Steiner zusammen.

Letzteres stellen der Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband ZLV und die Gewerkschaft VPOD offenbar in Zweifel. In einer gemeinsam verfassten Medienmitteilung begrüssen sie zwar grundsätzlich, dass Personen ohne Lehrdiplom der Zugang zu einer vollwer­tigen Ausbildung an der PH ermöglicht wird. Zugleich fordern die beiden Verbände, dass bei der Besetzung offener Stellen vollwertig ausgebildete Personen Vorrang haben sollen. Dies sei wichtig, um die Qualität der Volksschule zu gewährleisten.

Das Schulamt der Stadt Zürich wiederum lobt die von der Bildungsdirektion definierten Massnahmen, da sie nicht nur den Lehrpersonen ohne Diplom eine nachhaltige Perspektive, sondern auch den Schüler*innen die pädagogisch wichtige Kontinuität bieten würden. Die Erfahrungen mit den «Poldis» seien gemäss Rückmeldungen aus den Stadtzürcher Schulen auch mehrheitlich positiv.

Mehr «Poldis» nötig?

Ob auch ab Schuljahr 2023 / 24 wieder auf «Poldis» zurückgegriffen werden muss und diesen dann eine Chance für ein Studium gewährt wird, ist offen. Doch die Aussichten dafür sind gut. Denn wenn laut einer Prognose der Bildungsdirektion die Zahl der Schülerinnen und Schüler bis 2036 um 10,7 Prozent steigt, dürfte der Lehrermangel auch in den nächsten Jahren ein Thema sein.

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