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Homeoffice-Pflicht: Welche Rechte und Pflichten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten, ist nicht eindeutig

Homeoffice-Pflicht – aber wer trägt die Kosten?

Von: Sacha Beuth

26. Januar 2021

Vor einer Woche verschärfte der Bundesrat die Coronaschutz-Massnahmen und verordnete eine generelle Homeoffice-Pflicht – sofern möglich und vom Aufwand vertretbar. Wer die Kosten aus dieser Massnahme zu tragen hat, ist jedoch nicht detailliert definiert. Was gilt, darüber herrschen zwischen Arbeitgeber Zürich VZH, Gewerkschaftsbund Kanton Zürich und einem unabhängigen Juristen unterschiedliche Meinungen. 

Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass es klarer definierte Gesetze und Bestimmungen gibt als die, welche der Bundesrat am 13. Januar zur weiteren Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus erlassen hat. Insbesondere, was die neue Home­office-Pflicht angeht. «Die Arbeitgeber sind verpflichtet, Homeoffice überall dort anzuordnen, wo dies aufgrund der Art der Aktivität möglich und mit verhältnismässigem Aufwand umsetzbar ist. Der Arbeitgeber schuldet den Arbeitnehmenden keine Auslagenentschädigung etwa für Strom- oder Mietkosten, da die Anordnung nur vorübergehend ist», heisst es da in der offiziellen Medienmitteilung. Doch wann ist der Aufwand verhältnismässig? Was fällt alles unter «Auslagenentschädigung» und was bleiben vom Arbeitgeber zu übernehmende Zusatzkosten? Und wie lange dauert eine «vorübergehende Anordnung»?

Punkte, die teilweise erheblichen Interpretationsspielraum lassen. Das sieht auch Hans Giger, Inhaber der Zürcher Kanzlei Giger & Partner und einer der angesehensten und erfahrensten Juristen der Schweiz, so. «Unterschiedliche Auffassungen sind angesichts der generalklauselartigen Formulierungen absolut unvermeidbar.» Den Beweis dazu liefern der Verband Arbeitgeber Zürich VZH und der Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich, die vom «Tagblatt» gebeten wurden, zu den Massnahmen Stellung zu nehmen. Bei der Frage, wann Homeoffice angebracht ist und verordnet werden kann, ist man zwar mehrheitlich noch der gleichen Meinung. «Grundsätzlich ist es Aufgabe des Arbeitgebers zu entscheiden, wo und unter welchen Umständen bei den einzelnen Mitarbeitenden Home­office möglich ist, und diese Arbeitsform in diesen Fällen anzuordnen», schreibt Hans Strittmatter, Geschäftsleiter von Arbeitgeber Zürich VZH. Björn Resener, Geschäftsführer des Gewerkschaftsbundes des Kantons Zürich, stimmt dem allgemein zu. Er betont jedoch, dass Homeoffice die Regel und nicht die Ausnahme sein muss: «Ausser, es wäre wirklich unzumutbar. Das wäre aus unserer Sicht etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber hier mit zusätzlichen Kosten konfrontiert wäre, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden. Von Seiten des Arbeitnehmers könnte die Unzumutbarkeit dann vorliegen, wenn die familiäre Situation ein Arbeiten in den eigenen vier Wänden unmöglich macht.»

Auf Datenschutz achten

In Sachen Auslagenentschädigung und kostenfreier Zur-Verfügung-Stellung privater Gerätschaften gibt es dagegen zwischen den beiden Organisationen bereits Differenzen. «Generell muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer alle Arbeitsgeräte zur Verfügung stellen, die Letzterer zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten braucht», betont Resener. «Aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers kann die Nutzung bestehender privater Infrastruktur ohne Kostenersatz angezeigt sein», findet dagegen Strittmatter. Allerdings fordern beide ihre Mitglieder zu Kompromissbereitschaft in der für alle schwierigen Situation auf. «Es ist unter Umständen von beidseitigem Interesse, einen privaten Telefonanschlusses und/oder Computer für geschäftliche Zwecke zur Verfügung zu stellen, sofern der Datenschutz sichergestellt wird und keine Mehrkosten für den Arbeitnehmer entstehen beziehungsweise er für die Mehrkosten entschädigt wird», rät Resener. Und Strittmatter gibt zu bedenken: «Auch wenn die private Infrastruktur genutzt werden könnte, ist es für den Arbeitgeber unter Umständen sinnvoller, dem Homeoffice-Arbeitenden separate Gerätschaften zur Verfügung zu stellen – selbst wenn für die Anschaffung separater Handys oder Computer Kosten entstehen. Es stellt sich nämlich nicht selten die Frage, ob geschäftliche Daten im Home­office genügend geschützt sind.» Für die Regelung von Telefonkosten und Kleinspesen fordert Strittmatter die Beteiligten auf, verhältnismässige und sachgerechte Lösungen zu suchen.

Wiederum unterschiedlicher Meinung sind die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, was unter «vorübergehend» zu verstehen ist. «Die Frage kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Das muss der Bundesrat noch definieren», findet Strittmatter. «Die Verordnung wäre nicht mehr vorübergehend, wenn sie über den 28. Februar hinaus ginge», sagt Resener. Und während Arbeitgeber Zürich VZH der Home­office-Regelung des Bundes zwar kritisch gegenübersteht, die bestehenden Regeln jedoch für ausreichend hält, fordert der Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich insbesondere bei den Auslagen- regelungen Präzisierungen.

Im Ermessen des Richters

Darum warnt denn auch Jurist Hans Giger: «Gegenwärtig müssen solche Fragen anhand von allgemeinrechtlichen Grundsätzen von Fall zu Fall gelöst werden. Im Streitfall müsste dann unter Umständen ein Gericht die Sache klären. Dort ist dann das freie richterliche Ermessen des Richters zu berücksichtigen, das stets in Fällen zu tragen kommt, in denen der Gesetzgeber keine konkreten Anleitungen treffen wollte oder konnte.»

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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