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Exhibitionismus und sexuelle Belästigung in der Psychiatrie: Ein Patient begrapschte Mitpatientin und Pflegerin. (Symbolbild: AdobeStock)

In Klinik sexuell belästigt

Von: Isabella Seemann

17. September 2019

Ein 21-jähriger Eritreer soll in einer Klinik eine Mitpatientin und eine Pflegerin sexuell genötigt haben. Wegen einer schweren psychischen Krankheit gilt er als schuldunfähig.

Nach dem Abendessen wollte sie noch eine Zigarette rauchen. Im Raucherraum der Psychiatrischen Universitätsklinik Burghölzli traf sie auf einen Mitpatienten. Dieser liess plötzlich seine Hose runter, holte seinen Penis raus und ging auf die Frau zu, wobei er «gleichzeitig mit seiner Hand Bewegungen an seinem Geschlechtsteil machte». Sie bekam Angst, sie konnte nicht fliehen, böse Erinnerungen wurden wach. Eine Pflegerin überfiel er im Stationsbüro, drückte sie gegen die geschlossene Tür, versuchte sie zu küssen, fasste ihr an die Brüste und an den Po. Im 31er-Bus griff er einer Passagierin unter den Rock.

Die Vorwürfe, die Isaias G.* zur Last gelegt werden, und seien sie noch so intim, müssen an den Verhandlungstisch, sachlich brutal. «Sie haben einer Patientin gesagt, sie solle Ihnen eins blasen», zitiert der Richter weiter – ohne mit der Wimper zu zucken. Die Herren und Damen des Gerichts folgen ungeniert – wie das Publikum einem Skandalstück im Schauspielhaus. Aber es geht hier nicht um Provokation, es geht um Wahrheitsfindung. Wahrheitsfindung allerdings ist eine komplexe Sache.

Paranoide Schizophrenie

Der Angeklagte hat eine schwere psychische Krankheit: Paranoide Schizophrenie. Isaias wird in Handschellen aus der Klinik in den Gerichtssaal geführt. Gekleidet ist der 21-jährige Eritreer aber, als ob er seine Clique am Utoquai träfe: Das weisse Muskelshirt vorne und seitlich tief ausgeschnitten, den Hosenboden der Jeans auf Kniehöhe. «Ich war nie krank», antwortet der junge Mann auf des Richters Frage nach seinem Befinden. Die Zwangsmedikation bewirke nichts ausser Müdigkeit, meint er.Tatsächlich kann er sich kaum auf den Beinen halten und legt sich halb aufs Pult.

Die Staatsanwältin wirft Herrn G. neben den Sexualdelikten noch Diebstahl, Gewalt gegen Polizeibeamte und Hinderung einer Amtshandlung vor, wobei er einige der Taten in Schuldunfähigkeit ausgeführt habe, und fordert die Anordnung einer stationären Massnahme sowie den Widerruf bedingt ausgesprochener Strafen – das Vorstrafenregister umfasst ein gutes Dutzend Delikte – und einen Landesverweis von fünf Jahren. Denn seit seiner Einreise in die Schweiz vor acht Jahren habe Isaias G. sich nie integriert.

Schwerste Traumata

Wie verstört die PUK-Patientin nach der Begegnung mit dem zeigefreudigen Mitpatienten gewesen sei, schildert nun der Opferanwalt. Schwerste Traumata seien wieder ausgebrochen, denn die Mutter der Südamerikanerin habe sie als Kind an Männer für Sex verkauft. 1500 Franken Genugtuung wären ein wichtiges Signal für seine Mandantin. Die angebliche Schuldunfähigkeit sei eine Schutzbehauptung, der Beschuldigte habe planmässig gehandelt.

Der Pflichtverteidiger stellt die Sache versöhnlicher dar und plädiert dafür, dass sein Mandant, ausser für den Diebstahl des Handys, den er aus Not begonnen habe, von allen Anklagepunkten freizusprechen sei. Die Berührungen an Brust und Po seien versehentlich geschehen. «Das blosse Fragen, ob sie ihm eins blase» sei zwar unanständig, aber nicht strafrechtlich relevant. Und auch «das Sehen eines Penis ist nichts Schlimmes», relativiert der Verteidiger. «Wer an einem Sonntag an den See geht, sieht Dutzende Penisse.»

Gestützt auf das psychiatrische Gutachten, das dem Beschuldigten aufgrund seiner psychischen Krankheit Schuldunfähigkeit und hohe Rückfallgefahr attestiert, ordnet der Richter eine stationäre Massnahme an, die «kleine Verwahrung». Von einem Landesverweis sieht er wegen der Schuldunfähigkeit ab. Im Foyer bittet Isaias, die Arme bereits wieder in Handschellen gelegt, reihum alle um eine Zigarette.

*Alle Namen geändert

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