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Patrick Schwarzenbach (36) ist Pfarrer im Offenen St. Jakob am Stauffacher in Zürich. Er hat in Zürich Theologie studiert, 2012 als Eremit in einem Wald gelebt sowie 2014 unter Randständigen in Bern. (Bild: PD)

Ist das Ihr Ernst?

Von: Redaktion

07. April 2020

Ostergedanken: Pfarrer Patrick Schwarzenbach arbeitet in der Citykirche Offener St. Jakob und erzählt heute noch die Witze seiner Grossmutter.

Meine Grossmutter hatte einen Lieblingswitz und der ging so:

Eine Bauersfrau hatte eine alte Gartenbank, die ihr irgendwann kaputtging, und so wollte sie in der Stadt eine neue kaufen. Bevor sie sich auf den Weg machte, rief sie ihren Sohn Hansli und fragte ihn, ob er mit ihr nach Zürich fahren wolle. «Ja Mama, aber ich kann meine Kappe nicht finden!» «Dann nimm halt die von Deinem Bruder Ernst.» So gingen sie los und nach langer Reise mit Bus und Bahn und Tram kamen sie endlich am Paradeplatz an. Dort sah die Bauersfrau an einem Haus in grossen Buchstaben das Wort BANK und ging hinein. «Grüezi, ich würde gerne eine Bank kaufen», sagte sie zum Mann am Schalter. «Wie bitte? Ist das Ihr Ernst?!?»
«Nein, nein», sagte die Bäuerin, «das ist der Hansli. Er hat nur dem Ernst seine Kappe an.»  

Für uns als Kinder war bei diesem Witz nicht so sehr die Pointe das Highlight, sondern vielmehr unsere lachende Grossmutter. Diese kleine, feine Person, die sich vor Lachen schüttelte und dann nach ein paar tiefen Atemzügen mit noch glänzenden Augen sagte: «Ahh schön».

Wir ahnten als Kinder, dass in diesem Lachen etwas Befreiendes, etwas zutiefst Menschliches, ja etwas Heiliges war.

Und so wunderte ich mich schon damals und wundere mich noch heute, dass in unseren religiösen Traditionen das Lachen so eine geringe Rolle spielt. Glauben scheint etwas Ernstes zu sein. Aber das stimmt natürlich nicht. Die frohe Botschaft der Christen, das Lächeln des Buddha, der feine jüdische Humor und die Freude der muslimischen Mystiker – sie alle zeigen, dass das Lachen ein wichtiger Teil des Glaubens sein könnte. Im Christentum ist Ostern der beste Beweis dafür, dass das Lachen zur Kirche gehört. Seit dem Mittelalter gibt es nämlich die Tradition des Osterlachens. Es drückt die Freude darüber aus, dass das Lebendige stärker ist als alles Beengende – dass das Vergängliche vom Ewigen gehalten ist.

Damals in den Kirchen des Mittelalters erzählte der Pfarrer am Ostermorgen ein «lustiges Ostermärlein» oder einen Schwank aus dem Dorf – und die Gemeinde lachte; manchmal über das Märlein und manchmal über den Pfarrer, der nach den vielen ernsten und mahnenden Predigten nun den grossen Humoristen gab.

Dabei war das Osterlachen aber nie ein billiges Gelächter.

Es erklang nach der traurig gestimmten Passionszeit. Und es schwangen in diesem hellen, klaren Lachen die Moll-Töne von Karfreitag mit. Leider ist die Tradition des Osterlachens ein wenig eingeschlafen und auch in der momentanen Weltlage fällt einem das Lachen schwer – doch da, wo es auftaucht, da, wo es uns besucht, da schenkt es uns innere Weite und das Wissen, dass im ernsten Alltag eine tiefe Freude lebt. Ja sogar dass, um es mit dem grössten Schweizer Komiker zu sagen, in allem Schwierigen Freude herrscht.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Osterzeit.


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