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Siegesfeier mit Stil: Italienfans feiern den EM-Titel ihrer Lieblinge mit einer Vespafahrt durch die Strassen Zürichs. Bild: Keystone

Italienische Nacht in Zürich

Von: Sacha Beuth

13. Juli 2021

In einem nervenaufreibenden Final bezwang das italienische Team am Sonntag an der Euro England 4:3 nach Penaltyschiessen und sicherte sich damit zum zweiten Mal den EM-Titel. In Zürich feierten echte und Heimweh-Tifosi den Sieg ihrer Lieblinge bis tief in den frühen Morgen. Von Sacha Beuth 

Lange Zeit herrscht von Altstetten bis Schwamendingen am Sonntagabend ungewohnte Ruhe. Grund ist die Anfangsphase des Finals der Fussball-EM im fernen London, wo das italienische Team bereits nach zwei Minuten kalt geduscht wird. England-Verteidiger Shaw hatte eine Hereingabe von Trippier direkt mit links abgenommen und Italiens Goalie Donnarumma bezwungen. Wohl müht sich das Team von Roberto Mancini in der Folge, doch fehlen die zündenden Ideen, um den englischen Abwehrriegel zu knacken, ja nur schon in Gefahr zu bringen. Viele Tifosi, welche die Public-Viewing-Angebote in Zürich nutzten, schütteln immer wieder verzweifelt die Köpfe und murmeln nicht jugendfreie Wörter und Sätze.

Doch die Azzurri auf dem Rasen geben nicht auf. Und kommen, weil sie das Tempo erhöhen, endlich in Abschlussdistanz vor das englische Tor. Was sich in der 67. Minute dann endlich auszahlt. Einen Schuss von Verratti kann der englische Goalie Pickford zwar noch an den Pfosten ablenken. Von dort landet der Ball aber bei Bonucci, der ihn aus kurzer Distanz ins Gehäuse der Kontrahenten hämmert. 1:1 – die Schreie der Erleichterung der italienischen Fans hallen von der Langstrasse bis ins Niederdorf und zurück. Das Bangen nimmt damit aber kein Ende. Wohl gehen die Italiener nun gezielter und überlegter vor, zwingende Chancen bleiben aber Mangelware, weil auch sie nicht zu viel Risiko eingehen und in einen Konter der Engländer geraten wollen.

Donnarummas Glanztat

Und so kommt es, wie es an dieser EM schon oft gekommen war. Zum Penaltyschiessen, dem vierten an diesem Turnier. Auf den Bänken und Stühlen in den Bars und Restaurants ist die Anspannung jetzt mindestens so gross wie im Londoner Wembleystadion. Die Damen kauen sich ihre frischlackierten Tricolore-Fingernägel ab, während den Herren der Schöpfung der Schweiss von der Stirn perlt. Jubel brandet auf, als Berardi den ersten Elfer für Italien versenkt. Als Kane für England nachzieht, wird es ruhig. Und als Pickford den Schuss von Belotti abwehrt und in der Folge Maguire zum 1:2 trifft, beinahe totenstill. Zum Glück aus Sicht der Tifosi behält aber Bonucci die Nerven und gleicht aus. Dann tritt Rashford für die Engländer an und schiesst das Leder an den Pfosten. Die Tifosi jubeln, und jubeln noch lauter, als Bernardeschi zum 3:2 trifft und Donnarumma anschliessend den Ball von Sancho pariert. Jorginho könnte nun alles klarmachen, doch zum Entsetzen der Italien-Fans kann Pickford den Schuss abwehren. Jetzt muss Saka für England zwingend treffen. Doch Donnarumma lässt sich durch den tänzelnden Anlauf des Arsenal-Stürmers nicht beirren, springt in die richtige Ecke und pariert. Italien ist Europameister.

In den Strassen von Zürich brechen alle Dämme. Zu hunderten versammeln sich italienische Expats, Secondos und sonstige Italien-Anhänger, bilden Auto- und – stilecht italienisch – Vespakorsos und ziehen hupend, jubelnd, grölend und singend durch die Stadt. Wohl werden in der überschäumenden Freude ein paar Autos und Busse geschüttelt. Es bleibt aber friedlich. Und immer wieder wird nebst «Fratelli d’Italia», der Hymne des Bel Paese, «Un’estate Italiana» intoniert. Der Song von Gianna Nannini und Edoardo Bennato sollte eigentlich 1990 den Azzurri bei der WM im eigenen Land zum Titel verhelfen, was aber wegen Argentinien und eines gewissen Diego Maradona fehlschlug. Stattdessen steht er nun für ein Turnier, das einer taktisch disziplinierten, mehrheitlich offensiven und kameradschaftlich kämpfenden italienischen Mannschaft zum Sieg verhalf. Die Euro 2020 ist zu Ende. Italien bejubelt den zweiten EM-Titel nach 1968 – und die Schweiz ihr Sommermärchen.

Mehr zur EM-Final lesen Sie im Klartext "Der richtige Verlierer" von Sacha Beuth

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