mobile Navigation

News

Ratten sind ein fester Bestandteil der Stadtfauna und sind bei der Wahl ihrer Nahrung nicht wählerisch. Bild: PD

Kontrollieren, nicht ausrotten

Von: Sacha Beuth

23. November 2021

Wegen der starker Regenfälle im Sommer haben sich erstmals Ratten in Höngg angesiedelt. Die opportunistischen Nager sind als Krankheitsüberträger gefürchtet und darum in Wohngebieten nicht gerne gesehen. Trotzdem muss man laut Schädlingsexperte Marcus Schmidt in Zürich mit ihnen leben.

«Erstmals Ratten in Höngg» – Die kürzlich publizierte Meldung von Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich UGZ dürfte nicht nur bei den Bewohnern des betroffenen Quartiers, sondern auch bei anderen Stadtzürchern für ein unbehagliches Gefühl gesorgt haben. Schliesslich gelten Ratten als Schädlinge und Krankheitsüberträger. Zwar konnte die Situation unter Kontrolle gebracht werden, doch bleibt die Frage, ob die Gefahr einer Rattenplage über der Stadt schwebt. Marcus Schmidt, Projektleiter Schädlingsprävention beim UGZ, nimmt Stellung.

Hochwasser gab es schon mehrere in Zürich. Warum gab es erst jetzt in Höngg ein Rattenproblem?

Marcus Schmidt: Offenbar haben vorher die wichtigen Faktoren nicht gestimmt und dieses Mal eben schon. Ratten vermehren sich an Orten mit folgenden Eigenschaften: Wenn es Deckung und Erdboden für die Erdbaue gibt, im aktuellen Fall entlang des Baches in Höngg, der auch bewaldet ist. Wenn der tägliche Wasserbedarf gedeckt werden kann. Und wenn es genug Futter hat.

Wie viele Ratten leben schätzungsweise auf Stadtgebiet?

Es gibt keine exakten Zahlen zu Rattenpopulationen in Zürich. Man kann einzig sagen, dass der Bestand nicht wie bei einigen Metropolen wie New York in Millionenhöhe liegt, sondern maximal im fünfstelligen Bereich.

Ratten und / oder deren Flöhe sind Krankheitsüberträger. Schweben wir in Gefahr, dass künftig wieder Pest oder Typhus in Zürich auftritt?

Das ist äusserst unwahrscheinlich. Einerseits halten wir die Rattenpopulationen durch Kontrollen und entsprechende Massnahmen in Zürich klein. Anderseits haben wir auch nicht mehr die üblen mittelalterlichen Verhältnisse mit eng aufeinander lebenden Menschen (und Ratten) und viel Abfall und Dreck wie bei den grossen Pest-Pandemien. Aus diesem Grund ist auch eine Typhus-Epidemie unwahrscheinlich. Etwas mehr Anlass zur Sorge gibt Leptospirose (Weilsche Krankeit). Diese Bakterien aus dem Kot und Urin der Ratten können über offene Wunden in den Körper eines Menschen gelangen und dieser daran schwer erkranken. Allerdings sind hier jeweils nur Einzelpersonen betroffen. Eine Gefahr der Epidemie besteht nicht.

Inwieweit spielen unkorrekt entsorgte Essensreste eine Rolle bei der Verbreitung der Ratten?

Sie sind wie die anderen eingangs erwähnten Faktoren einer der Hauptgründe. Darum nie Essensreste und anderen Abfall ins nächste Gebüsch werfen oder das WC hinunterspülen, sondern immer korrekt entsorgen. Und bitte auch das Füttern von Wildvögeln unterlassen, sofern dies von offizieller Seite nicht als nötig oder zumindest wünschenswert erachtet wird.

Wie kontrolliert der UGZ bzw. dessen Schädlingsbekämpfer die Rattenpopulation in der Stadt und warum werden Ratten nicht auch in der Kanalisation bekämpft?

Die Schädlingsprävention hält die Rattenpopulation auf öffentlichem Grund der Stadt – also den Parks, entlang des Sees und der Flussufer – in Schach. Wir machen jährlich je nach Gebiet eine bis drei Kontrollen und wenn Rattenspuren gefunden werden, werden vorhandene, fest installierte Boxen mit Giftködern bestückt. Das Gift hemmt die Blutgerinnung, so dass die Nager vier bis fünf Tage später sterben. Die Boxen wiederum sind so beschaffen, dass nur Mäuse und Ratten, jedoch keine Kinder sowie andere Tiere daran gelangen können. Weil die Kanalisation regelmässig gespült und in Stand gesetzt wird, fehlen den Ratten meist Plätze für trockene Nester, wodurch deren Vermehrung eingeschränkt wird. Und solange die Ratten nicht an die Oberfläche kommen können, stören sie nicht und wir haben keinen Grund, einzugreifen.

Wieso ist es so schwer, Ratten auszurotten?

Weil sie äusserst anpassungs- und lernfähig sind. Im Prinzip stellt sich diese Frage für uns auch gar nicht, denn Ratten sind ein Bestandteil unserer Fauna. Wir wollen sie nicht ausrotten, sondern nur dort unter Kontrolle halten, wo Materialschäden oder mögliche Krankheitsübertragung auf Menschen auftreten.

Was soll man tun, wenn man bei sich zu Hause oder im Betrieb eine Ratte entdeckt?

Dann informiert man im ersten Fall am besten die Hausverwaltung und im zweiten Fall den Hausdienst, welche dann eine professionelle Schädlingsbekämpfungsfirma aufbieten sollten.

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir 1 ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare