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Das "Tagblatt" vom 2. Februar 1939: Es belastet den Beschuldigten im Fall der "Leiche vom Katzensee" schwer. Bild: JS

"Märli, nüt als Märli"

Von: Jan Strobel

08. Oktober 2013

Die «Leiche vom Katzensee» bewegt die Stadt. Eine besondere Rolle in der Indizienkette spielt ein «Tagblatt» von 1939. Wir stiegen ins Archiv.

Die «Leiche vom Katzensee», es ist der wohl spektakulärste und mysteriöseste Zürcher Kriminalfall der letzten Jahre. Besonders die Indizienkette, mit der die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten den Mord an seiner Ehefrau nachzuweisen versucht, ist so spannungsgeladen, wie man es eigentlich nur aus US-amerikanischen Krimiserien kennt.

Das «Tagblatt» spielt bei den Ermittlungen eine zentrale Rolle. Tatsächlich könnte es dem angeklagten Ehemann zum Verhängnis werden. Beim Fundort der Leiche im Hänsiried fanden sich zwei Zementplatten, die benutzt wurden, um die Tote im Wasserloch zu beschweren. Auf ihnen fanden die Ermittler Abdrücke von Zeitungsseiten des «Tagblatts» vom 2. Februar 1939. Dieselben Platten fanden die Ermittler auch im Haus des Beschuldigten - sie weisen  dieselben «Tagblatt»-Abdrücke auf.

Manchmal kennt Geschichte kein Verfallsdatum, und so ist auch das Original-«Tagblatt» vom jenem 2. Februar 1939 im Stadtarchiv erhalten geblieben. Was vermeldete also das Amtsblatt an jenem Tag, der 74 Jahre später in die Zürcher Kriminalgeschichte eingehen sollte? Bekanntgegeben wurde zum Beispiel die Verkehrsordnung für die Eishockey-Weltmeisterschaften 1939 auf der Dolder Kunsteisbahn. Im Theatersaal des Volkshauses wiederum veranstalteten die «Freunde der Sowjetunion» eine Versammlung unter dem Titel «Die Hilfe der Sowjetunion an Spanien». Der Kantonspolizist Walter Scheidegger verkündete die Eheschliessung mit Hulda Weibel. Ein 29-jähriges Dienstmädchen wünschte sich seinerseits scheu eine «Bekanntschaft zwecks Heirat». Beim Kaufhaus Globus waren gerade frische Froschschenkel eingetroffen, das Paar zu 8 Rappen.

In den Tagesnachrichten findet sich im «Tagblatt» auch eine Meldung aus Deutschland: «Nach der neuen Anordnung des Reichsfinanzministers dürfen jüdische Auswanderer pro Person nur noch ein silbernes Tafelbesteck mitnehmen. Der Rest ihres Tafelsilbers ist zum Silberwert zu verkaufen, der Erlös geht auf Sperrkonto.»

In Zürich ging man derweil ins Kino, zum Beispiel ins Roland an der Langstrasse. Das zeigte «Die blonde Beute und der Gangster». Das Roxy spielte zur gleichen Zeit «Mord in der Buchhandlung». Im Hotel Hirschen hatte das politische, antifaschistische Kabarett Resslirytti seinen Auftritt. Ettore Cella und Claire Kaiser spielten in «Märli, nüt als Märli.»

Das mag sich auch der Beschuldigte Ehemann denken. Vor Gericht meinte er kürzlich: «Ich bin absolut  unschuldig.»

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