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War unter anderem 2013 Schauplatz für eine einstündige Nacktperformance: Die Rathausbrücke. Bild: Daniel Oswald

Nackt in der Altstadt

Von: Stine Wetzel

21. August 2018

Von Donnerstag bis Samstag werden Nacktkünstler in der Innenstadt Performances zeigen. Nicht überall werden die Aktionen des Bieler Künstlers Thomas Zollinger so toleriert wie in Zürich.

Ab morgen Nachmittag performen 18 internationale Künstler auf der Rathausbrücke für drei Tage nackt. Initiant des Body and Freedom Festival ist der 65-jährige Bieler Künstler Thomas Zollinger, der für seine Nacktperformances bekannt ist. Doch nicht überall sind seine Aktionen gern gesehen und ­werden bewilligt. «Vor zehn Jahren bin ich mit all meinen Gesuchen gescheitert: in Winterthur, St. Gallen, Bern, Zürich.» Nur Biel habe ihm das «Naked Ufo» bewilligt. 2010 war sein Wiedererwägungsgesuch in Zürich erfolgreich, es folgten Performances 2012 auf dem Turbinenplatz, 2013 auf der Rathausbrücke.

Die Nacktheitskunst polarisiert: Während die Stadt Biel die Performances 2015 sogar finanziell unterstützte, handelte sich Zollinger im Kanton Aargau mit einer Aktion Ärger ein. Die Polizei unterbrach eine Nacktperformance und verteilte Ordnungsbussen wegen «ungebührlichen Verhaltens in der Öffentlichkeit». Zollinger besteht darauf, dass es sich um privaten Grund gehandelt hatte. Seine Beschwerde gegen den Entscheid des Gemeinderats Schöftland ist noch beim Bezirksgericht Kulm hängig. «Ich mag die Reibung mit den Behörden, wenn es um Kunstfreiheit geht», erklärt Zollinger.

Bewilligung unter Auflagen

Das dreitägige Festival diese Woche wurde von der Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum (KiöR) durchgewunken. «In der Stellungnahme der AG heisst es, dass gegen die Nacktheit im Projekt nichts einzuwenden ist», sagt Mathias Ninck, Sprecher des Sicherheitsdepartements. Die Bewilligung für die Kunstaktion wurde erteilt – aber unter besonderen Auflagen. «Die Performances dürfen nur auf der Rathausbrücke stattfinden, und es müssen genügend Angekleidete da sein, um die Passanten vor dem Anblick der Nackten zu warnen», so Ninck. Für Initiant Zollinger zeigt das vor allem eines: «Wie virulent das Thema Nacktheit ist.»

Nacktheit unterläuft das Alltägliche, Irritation ist da vorprogrammiert. Was kann Nacktperformance, ausser zu schockieren oder zu irritieren?

Thomas Zollinger: Zu schockieren ist nicht das Ziel. Mir geht es um den Freiraum für nicht alltägliches Verhalten, darum, sich den Experimentierraum zu nehmen, um Normen infrage zu stellen.

Sind nackte Brüste und Hinterteile nicht schnell als Protest abgetan?

Die Gefahr besteht. Eine der Performances mag als Protest rüberkommen. Aber mir geht es vor allem darum, die Grenzziehung zwischen Privatem und Öffentlichem und die Kontrollbedürfnisse künstlerisch auszuloten.

Nackte Körper mögen nicht als ­sexuell aufgeladen gemeint sein, können aber als solche rezipiert werden. Wie gehen Sie damit um?

Die Performances sind ein Spiegel. Darin kann sich durchaus zeigen, dass sich manche von Nacktheit angeregt fühlen. Der Körper an sich ist aber nicht erotisch aufgeladen, dafür braucht es schon ein klein wenig Verhüllung.

Sie wollen den nackten Körper enttabuisieren. Geht das denn?

Das ist die Frage. Wir gehen ja nicht nackt in der Stadt wandern, um Nacktheit per se unter die Leute zu bringen; wir wollen stattdessen den nackten Körper als Gestaltungsmittel für Künstler etablieren. Für Künstler ist mittlerweile sehr viel möglich, aber der nackte Körper wird immer noch ausgeklammert, wenn wir nicht im Theater sind.

Haben Sie bei den bisherigen Aktionen Reaktionen von Passanten erlebt, die Sie überrascht haben?

Ich rechne immer mit allem. Die meisten sind amüsiert, findens mutig. Jüngere Passanten haben mehr Mühe. Aus dem Internet sind sie zwar vieles gewohnt, sehen sie aber reale Nackte und erst noch in der Öffentlichkeit, haben einige ein Problem. In Zürich wird es besonders interessant: Es kommen nicht nur sogenannte schöne Körper, sondern auch alte Körper und ein behinderter Körper.

Bei der letzten Performance auf der Rathausbrücke waren «Nacktknäuel» zu sehen. Was erwartet die Zürcher an den kommenden drei Nachmittagen?

Es wird skulpturale Performances wie damals die Knäuel geben, materialintensive, interaktive Performances, Butoh-Tänzer kommen – ein breites Spektrum.

Warum fingen Sie 2008 mit Nacktperformances an?

Nach 25 Jahren künstlerischer Arbeit hatte ich das Bedürfnis, alles wegzulegen. Mich interessiert, was ein Künstler macht, wenn er nichts mehr hat.

Performances auf der Rathausbrücke: 23. und 24. August von 13 bis 18.30 Uhr. 25. August von 14.30 bis 18.30 Uhr. Nacktgespräche – Diskussionen und Reflexionen, – 22. bis 25. August, jeweils um 20 Uhr im Zentrum Karl der Grosse.

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Leserkommentare

Violeta Paljangas - War heute dabei. Interessant...Künstler zu beobachten, Reaktionen der Involvierten, eigene Reaktionen... Es lohnt sich zwischendurch vertraute Pfade zu verlassen, sich auf Unbekanntes einzulassen...

Vor 5 Jahren 7 Monaten  · 
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