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Heidi Simoni, Leiterin Marie-Meierhofer-Institut für das Kind, im Malatelier des Spiel-, Werk- und Begegnungsraums MegaMarie. Bild: SB

«Nahrung» fürs Gehirn liefern

Von: Sacha Beuth

20. November 2018

Für Ihre Forschung im Bereich frühkindliche Bildung ist Heidi Simoni (60) kürzlich mit dem Bildungspreis 2018 der Pädagogischen Hochschule Zürich aus­gezeichnet worden. Die Leiterin des Marie-Meierhofer-Instituts für das Kind ist überzeugt, dass die Ergebnisse dazu beitragen, die Entwicklung der Kinder zu stärken.

«Frühkindliche Bildung», das klingt nach Drill und Lernzwang. Können Kleinkinder nicht einfach noch Kleinkinder bleiben?

Heidi Simoni: Hiermit ist nicht Bildung gemeint, wie sie in der Schule vermittelt wird, sondern das spontane, spielerische Lernen aus der Situation heraus. Das Kleinkind macht sich mit allen Sinnen ein «Bild» von der Welt, wobei es von seinen Betreuungspersonen begleitet wird.

Und wie genau soll diese Begleitung aussehen?

In erster Linie geht es darum, dem Kind Aufmerksamkeit zu schenken – so banal dies klingen mag. Man unternimmt gemeinsam eine «Entdeckungsreise», wobei die Erwachsenen versuchen müssen, sich auf die Ebene des Kindes zu begeben. Und man sollte Fragen altersgerecht beantworten.

Können Sie ein Beispiel liefern?

Angenommen ein Kleinkind ist von Brücken fasziniert: Warum brechen sie nicht zusammen? Warum ist die eine so und die zweite ganz anders? Dann macht es keinen Sinn, wenn Sie ihm detailliertes Ingenieurswissen vermitteln wollen. Besser ist, seine Zeichnungen und andere Bilder von Brücken gemeinsam zu betrachten oder mit Legosteinen oder Klötzchen zusammen Brücken zu bauen. Jedoch soll man sich dabei zurückhalten und das Kind seine Entdeckungen ­machen lassen, es bei Problemen ­ermuntern, nach Lösungs- wegen zu suchen, und nur wenn es gar nicht mehr weiterkommt, mit Tipps und Handgriffen weiterhelfen. Die so ­gemachten Erfahrungen stillen die kindliche Neugier viel besser als ein langer Vortrag über Statik.

Nun gibt es aber auch Kinder, die nicht so schnell zufrieden sind und – kaum hat man eine Frage erörtert – schon die nächste stellen.

Dann kurbeln Gegenfragen den Dialog an: «Was denkst denn du darüber?» So lässt sich auch am besten herausfinden, was das Kind genau wissen will bzw. was es beschäftigt. Es ist aber auch legitim, die Fragerei zu unterbrechen, wenn sie nicht enden will, und zu sagen: «Jetzt brauche ich eine Pause. Lass uns später wieder darüber sprechen.» Wenn sie nicht permanent abgewimmelt werden, haben Kinder dafür Verständnis.

Und wenn man keine altersgerechte Erklärung hat oder die Antwort schlicht nicht weiss?

Dann kann man versuchen, in einer Bibliothek in einem Kinderbuch zusammen nach Antworten zu ­suchen. Oder die Frage von einer ­anderen Seite angehen. Indem man zum Beispiel sagt, dass man dies zwar auch nicht weiss, aber man – um beim eingangs gewählten Objekt zu bleiben – eine Brücke kenne, die man morgen zusammen anschauen könne. Was man hingegen nie tun sollte ist, dem Kind zu sagen, es sei für diese Sache noch zu klein.

Warum nicht?

Weil so das Interesse des Kindes, ­seine natürliche Neugier, abgeblockt wird. Das Kind zieht sich zurück, statt sich der Welt und den Mitmenschen zu öffnen.

Was macht frühkindliche Bildung so wichtig für die Entwicklung eines Menschen?

Wie Forschungen zeigen, ist sie ein wichtiger Grundstein für die Hirnentwicklung. Hantieren, ausprobieren, erleben, das alles liefert «Nahrung» fürs Gehirn. Was fehlt, kann später nicht oder nur noch schwer aufgeholt werden. Ausserdem erfährt ein Kind so, dass es etwas Neues lernen kann. Sein Selbstbewusstsein und seine Motivation, auch bei Schwierigkeiten dran zu bleiben, werden gestärkt.

Wie sorgen sie dafür, dass die Erkenntnisse aus der Forschung in der Praxis Anwendung finden?

Indem wir einerseits mithelfen, sie in der Ausbildung pädagogischer Berufe zu verankern und sie andererseits den Medien, an Elternabenden und Weiterbildungen für Spielgruppenleitende oder Kita- Mitarbeitende vermitteln. Ausserdem haben wir zusammen mit anderen Institutionen an der Schiffbaustrasse gegenüber von unserem Institut den Spiel-, Werk- und Begegnungsraum MegaMarie geschaffen. Dort können Eltern nicht nur zusammen mit ihren kleinen Kindern spielen und sich kreativ betätigen, sondern sich auch Tipps von Fachpersonen holen.

Weitere Infos: www.mmi.ch

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