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Christoph Sigrist ist Pfarrer in der evangelisch-reformierten Kirche Grossmünster in Zürichs Altstadt. Bild: Nicolas Y. Aebi

Ohne Dornen gibt es auch keine Rosen

Von: Christoph Sigrist

30. März 2021

Osterbotschaft: Diese Woche ist eine besondere Woche mit Karfreitag und am Sonntag Ostern. Christen nennen diese Woche Karwoche. Im Wort «Kar» schwingt der alte Begriff «Kara» mit, der Klage und Trauer bedeutet. 

In der Karwoche wird an das Leiden Jesu, an sein Sterben am Kreuz und an seine Auferstehung erinnert. Die besondere Woche wartet mit besonderen Brunnen in der Altstadt auf. Im Wasser schwimmen Tausende von Rosen, gespendet aus Trauer und Dankbarkeit. Warum verwandeln sich die Brunnen gerade jetzt zu schwimmenden Rosengärten?

Nach einem Jahr Corona setzt der Kirchkreis 1, Altstadt, der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde der Stadt Zürich, ein besonderes ökumenisches Zeichen. Die Begriffsfelder von Corona und Krone liegen nahe beieinander. Von einer speziellen Krone weiss die Bibel im Zusammenhang mit dem Leiden Jesu. Pilatus, ausgerüstet mit der Macht aus Rom, verurteilte Jesus. Soldaten legten Jesus eine Dornenkrone aufs Haupt und verhöhnten ihn. Das Bild des Gekreuzigten mit der Dornenkrone prägt Kunst und Film bis heute. Die Brunnen im Schatten der Altstadtkirchen, voller Rosen mit ihren Dornen, laden dreifach ein, innezuhalten.

Der Aufstand des Lebens Erstens sind die Dornen der Corona-Pandemie nicht aus den Augen zu verlieren. Der Glockenklang aller Kirchen in der Schweiz vom 5. März hallt weit ins Jahr. Die Glocken läuteten für alle Menschen jeder Konfession, jeder Religion und Weltanschauung, jeder Nation und Kultur, die in der Schweiz leben und sterben. Kirchen nehmen zusammen mit anderen Religionen ihren Auftrag wahr, mit Blick auf die Geschwächten, Gemeinschaft zu bilden und zu pflegen. Wer solidarisch ist, stellt sich zu denen, die ungerecht behandelt, verleumdet, durch Rassismus und Antisemitismus verletzt werden. Kirchen, Synagogen, Tempel und Moscheen erinnern an diese wichtige dornenreiche Friedensarbeit in unserer Stadt.

Zweitens: Die Trauer über den Verlust von Mitmenschen ermöglichte den Rosenteppich. Rosen werden zum Geburtstag, zum Hochzeitstag, wie auch am Grab geschenkt. An den Schwellen wird spürbar, wie brüchig das Leben ist, endlich und verletzlich. Geboren werden und sterben betten das Leben auf einen fragilen Teppich, der gepflegt werden muss.

Drittens wird deutlich: Ohne Dornen keine Rosen! Ohne Karfreitag keine Ostern! In den Rosen blüht etwas geheimnisvoll auf: Der Aufstand des Lebens hat an Ostern begonnen. Er wird zum Jungbrunnen für solche, die zu neuen Ufern aufbrechen, die hoffen, die neu anfangen.

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