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Ein Name, der bei manchen Fahrgästen Fragen aufwirft: die Haltestelle Sackzelg in Zürich-Albisrieden. (Bild: CLA)

Rätsel um ein Himmelreich

Von: Clarissa Rohrbach

02. März 2021

Die Namen einiger Zürcher Tram- und Bus-Haltestellen geben oft Rätsel auf. Ein genauerer Blick offenbart deren historische Wurzeln. Die Stadt setzt damit auf lokale Verankerung.

Endstation Dunkelhölzli. Wer mit dem 67er Bus nach Altstetten fährt, passiert so einige Haltestellen, deren Namen absurd klingen. So hält der gleiche Bus auch am Sackzelg. Die meisten Zürcher haben die Namen der VBZ-Haltestellen auf ihrem Weg zur Arbeit oder nach Hause verinnerlicht. Doch wissen sie auch, was diese bedeuten? Wirft man einen Blick auf das städtische Liniennetz, fallen nicht wenige Stationen auf, deren Benennung Fragen aufwerfen. Was bitte soll ein Holzerhurd sein? Oder ein Himmeri?

Das wichtigste Kriterium bei der Vergabe von Haltestellennamen ist laut VBZ die geografische Eindeutigkeit. Passagiere sollen sich auf ihrer Route orientieren können. Die meisten Benennungen gründen deshalb auf nahegelegenen Strassennamen. Diese gehen teils bis ins Mittelalter zurück.
So steht Sackzelg für ein Grundstück (Zelg) zwischen zwei Gewässern, das wie eine Sackgasse keinen Ausgang besitzt. Auch das Dunkelhölzli beschreibt die ursprüngliche Eigenschaft der Gegend als dunkles Waldstück. Die Liste solcher Flurnamen ist lang: Der Name Himmeri in Zürich-Seebach stammt von «Himmelrich», eine bildliche Bezeichnung für eine schöne Gegend (erstmals 1543 erwähnt); Im Ebnet, ebenfalls in Zürich-Seebach, steht für ein ebenes Gelände (erstmals 1295 erwähnt); das Seebacher Stierenried bezeichnet eine Wiese, auf welcher der «Gemeindemuni» weidete. Auch der bekannte Milchbuck – ein Hügel, auf dem so viel Gras wuchs, dass die dort weidenden Kühe viel Milch produzierten – hat seine Wurzeln in der Nutzung des Landes.

Heimatgefühle wecken

Flurnamen dienten vor der modernen Zeit zur Orientierung. Die ansässigen Bewohner benannten geografische Einheiten wie Wälder, Weiden, Äcker und Wiesen, um das Gelände einzuteilen. Die Namen wurden über Jahrhunderte im Volksmund überliefert, jeder wusste, welche Gegend damit gemeint war. So teilten Landkarten bis ins 19. Jahrhundert den Kanton Zürich immer noch in Flurnamen auf. 1863 folgte dann die offizielle Strassenbenennung in der Stadt, die auch Flurnamen erstmals schriftlich festhielt. Dafür zuständig war und ist der Stadtrat, der sich seit 1906 mit der Stras-
senbenennungskommission berät. Diese achtet speziell darauf, dass die Namen einen lokalen und historischen Bezug zum Quartier haben.

Laut Nicola Behrens vom Stadtarchiv Zürich wurden deswegen Strassen oft nach Flurnamen benannt. Damit werde die lokale Verankerung gefördert. «Wer sich mit der Geschichte seines Quartiers auskennt, schätzt die historischen Namen, das schafft ein Heimatgefühl», sagt Behrens. So ermögliche man den Anwohnern die Auseinandersetzung mit dem Ort, an dem sie leben. Der Stadtkenner räumt aber auch ein, dass Strassennamen, die auf Flurnamen gründen, besonders für fremdsprachige Bewohner etwas kompliziert sein können.

Zur Identifikation von Landeinheiten verhalfen in der Vergangenheit auch Personen. So bezeichnet Holzerhurd in Zürich-Affoltern das Land eines Mannes mit dem Übernamen «Holzer», das wahrscheinlich von einem «Hurd», einem geflochtenen Zaun, eingezäunt war (erstmals 1643 erwähnt). Köschenrüti in Zürich-Seebach weist auf einen Erblehenshof der Fraumünster­abtei zurück, der von Schneider Hans Kösch bewirtschaftet und seit 1564 «Köschen Rüty» genannt wurde. Das heutige Stadtquartier Fluntern wiederum ist nach dem alemannischen Siedler Flobot benannt, der im neunten Jahrhundert dort ansässig war, daher auch der Name der Haltestelle Flobotstrasse.

Die Fahrgäste im Fokus

Bei der Benennung der Haltestellen legen die VBZ auch Wert darauf, dass die Namen kurz und einfach aussprechbar sind. «Der Fokus liegt auf einer verständlichen Fahrgastinformation», sagt Sprecherin Daniela Tobler. Bei Verwechslungsgefahr oder geografischer Nichteindeutigkeit könne es vorkommen, dass der Haltestellenname angepasst werde. So wurde die Haltestelle Hohlstrasse in Bäckeranlage umgetauft, weil die Strasse schlicht zu lang war.

Anwohner und Firmen würden mit Änderungswünschen auf die VBZ zukommen, so Daniela Tobler. «Doch diese bewilligen wir so zurückhaltend wie möglich.» Nicola Behrens kennt aber einige Beispiele von Haltestellen, die umgetauft werden mussten. So hiess die Kantonalbank bis vor kurzem noch Börsenstrasse, obwohl sich die Börse schon seit 1930 nicht mehr dort befindet. Und der Dammweg wurde nach dem Umbau des Areals in Löwenbräu umbenannt. «Man denkt, dass Haltestellen jahrzehntelang gleich heissen, aber das ist nicht so.» Der Namenswechsel von Haltestellen sei relativ einfach und deshalb viel häufiger als jener von Strassen. Von diesem wären alle Anwohnenden betroffen. Um Rekurse und Schadenersatzforderungen zu vermeiden, kämen Strassenumbenennungen kaum vor.

Es gibt auch Haltestellen, die jeder kennt, ohne zu wissen, woher der Name stammt. So ist das Bellevue («schöne Sicht» auf Französisch) nach dem ehemaligen Hotel Bellevue benannt, das 1858 am Limmatquai 1 gebaut wurde. Eine offizielle Benennung des Platzes gibt es bis heute nicht. Auch das Central verdankt seinen Namen einem baulichen Wahrzeichen, nämlich dem Hotel Central, das 1882 errichtet wurde. Diese Bezeichnung setzte sich umgangssprachlich gegenüber dem offiziellen Leonhardsplatz durch und wurde mit dem Umbau des Platzes 1950 anerkannt.

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