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Daniel Röttgermann (l.) und Tito Zappalà (r.) brachen an Silvester den Weltrekord in der Disziplin No Limits Tandem. Bildre: Andrea Zuccari und Alice Cattaneo

Rekord-Tauchgang in die Tiefsee

Von: Ginger Hebel

19. Januar 2021

Weltrekord: Freitaucher Daniel Röttgermann aus Zürich tauchte mit Tito Zappalà 130 Meter ab. Im Roten Meer erlebten sie einen emotionalen Höhenflug.

Als er abtauchte, zu seinem persönlichen Tiefpunkt im Roten Meer, sah er wenig Licht und wenig Fische, aber dunkles Blau, überall. Am 31. Dezember 2020 haben der Wahlzürcher Daniel Röttgermann und sein italienischer Tauchpartner Tito Zappalà im ägyptischen Sharm El-Sheikh den Weltrekord in der Disziplin No Limits Tandem gebrochen. Ihr gemeinsamer Rekord liegt bei 130 Metern. «Das ist selbst für erfahrene Freitaucher wirklich tief. Die meisten haben Probleme mit dem Druckausgleich. Ich wusste aber, dass ich das schaffen kann», sagt Daniel Röttgermann. Zum Vergleich: Das höchste Gebäude Zürichs, der Prime Tower, misst 126 Meter.

In der Disziplin No Limits Tandem halten sich zwei Freitaucher an einem Schlitten fest und tauchen nach einem einzigen Atemzug ab. In der Tiefe stoppen sie den Schlitten und füllen einen Ballon mit Luft, der sie wieder nach oben zieht. Die Profis beendeten den Tauchgang unter Aufsicht eines Wettkampfrichters nach 3:05 Minuten mit einer weissen Karte – ihrem gültigen Rekord.

Den Spitzensportlern blieb nicht viel Zeit, um gemeinsam zu trainieren. Nach zwei Tauchgängen auf 90 und 120 Meter Tiefe fühlten sie sich bereit für den Rekordversuch. Den bisherigen Weltrekord hielten seit Januar 2013 Stavros Kastrinakis und Andrea Zuccari mit einer Tiefe von 126 Metern. 2020 war aufgrund der Krise und deren Einschränkungen ein hartes Jahr; kaum Reisen, kaum Wettkämpfe. «Die Pandemie hat mich zurückgeworfen», sagt Daniel Röttgermann. Umso mehr wollte er es sich selber beweisen, wie tief er tauchen kann, und einen Rekord aufstellen, um das Jahr mit einem Erfolgserlebnis abzuschliessen. Am liebsten taucht er in Sharm el-Sheikh und in der Südsee. Wegen Corona verlegt er seine Trainings jetzt vermehrt in den Zürichsee. «In der Tiefe ist es da aber nicht so schön blau wie im Meer, sondern kalt und stockdunkel.»

Er trainiert viel, körperlich und mental, geht joggen und macht intensives Stretch­ing. «Flexibilität im Brustkorbbereich ist sehr wichtig, um beim Tauchen mehr Luft aufnehmen zu können.» Auch Trockentrainings gehören dazu. «Luftanhalten lässt sich auch am Küchentisch trainieren.» Wie beim Fliegen treten beim Tauchen durch grosse Höhenunterschiede in kurzer Zeit häufig Ohrenschmerzen auf. Wenn der Druckausgleich misslingt, kann das Trommelfell reissen. Daniel Röttgermann kennt die verschiedenen Techniken zum Druckausgleich und bietet darin Kurse an. Tiefseetauchen sei neben körperlicher Leistung auch Kopfsache. «Mentale Stärke ist wichtig», ist der Profi überzeugt. Viele Taucher verkrampfen innerlich, wenn sie unter Wasser nicht mehr genügend Luft bekommen. Die Muskeln verspannen, Verletzungen der Lunge sind die Folge. Das Organ hat beim Tauchen ein vierzehnmal kleineres Volumen als an der Oberfläche.

Auch den gefürchteten Tiefenrausch hat Daniel Röttgermann schon einmal erlebt. «Ich konnte mich schlicht nicht mehr erinnern, wie ich die Sicherheitsleine von meinem Körper entfernt habe.» Eine Stickstoffvergiftung wirkt sich bei allen unterschiedlich aus. Einige spüren Euphorie, andere haben ­einen metallischen Geschmack im Mund oder werden bewusstlos. Dennoch: «Für mich ist Tiefseetauchen kein Risikosport, sofern man nicht über sein Limit hinausgeht oder der persönliche Ehrgeiz allein im Vordergrund steht.»

Daniel liebte das Element Wasser schon als Kind. Er konnte früh schwimmen, schnorchelte, wann immer er konnte. «Ich wollte wissen: Was sehe ich da unten, was ich oben nicht sehe?». Mit seinem Vater duellierte er sich im Luftanhalten und startete als Jugendlicher mit Scuba Diving (Flaschentauchen). Seit zehn Jahren taucht der 36-Jährige profimässig. Er hat seine eigene Firma Kaluna Freediv­ing im Zürcher Seefeld gegründet und bietet Coachings und Trainings an. Zusätzlich arbeitet er bei der Swisscom und als Hauswart. Spitzensportler müssen sich oft in Verzicht üben, um ihre Leistungsfähigkeit zu erhalten. «Ich bin jedoch ein Genussmensch und gönne mir gerne auch mal ein Glas Wein oder einen Burger.»

Weil er Allergiker ist, hat er sich schon früh isoliert. «Ich arbeite seit bald einem Jahr im Homeoffice und für alle Jobs am selben Schreibtisch. Das zehrt auch an meiner Substanz», gibt er zu. Doch Röttgermann ist überzeugt, dass sein sportlicher Kampfgeist ihm auch durch diese Krise hilft. Er hofft, dass die Pandemie bald durchgestanden sein wird und er wieder an die schönsten Tauchspots der Welt reisen kann. Er hat Sehnsucht nach dem Meer. «Ich habe seit 13 Monaten keinen Hai mehr gesehen. Ich vermisse die Natur und die Unterwasserwelt.»

www.kaluna-freediving.ch

www.freedivingshop.ch

www.instagram.com/daniel.roettgermann/

 

 

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