mobile Navigation

News

Die Nachfrage nach Automaten-Fahrprüfungen steigt rasant. Bild: GH

Risiko im Strassenverkehr

Von: Ginger Hebel

03. August 2021

Wer den Führerschein auf einem Automaten macht, darf mit geschalteten Autos herumfahren. Junglenker profitieren von der einfacheren Ausbildung. Die Regelung sorgt in der Branche aber für rote Köpfe. 

Cédric Keller ist gerade 18 Jahre alt geworden und will so schnell wie möglich die Autoprüfung machen. Aber nicht mit einem handgeschalteten Wagen, sondern einem Automaten. Weil die Ausbildung in seinen Augen schneller und einfacher ist und letztlich weniger kostet. Kein Kuppeln und Schalten, kein Gangwechsel, kein Anfahren am Berg. So wie er denken viele junge Leute. Gemäss Willi Wismer, Vorstand Zürcher Fahrlehrerverband, steige die Nachfrage nach Automaten-Prüfungen rasant.

Auffahrunfälle häufiger

Dank einer Gesetzesänderung können Personen, die auf einem Automaten gelernt haben, ohne zusätzliche Ausbildung mit allen Getriebetypen fahren. Die Regelung sorgt in der Branche für rote Köpfe. Von «gefährlich» ist die Rede, aber auch «von absolutem Blödsinn». «Die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sind geteilter Meinung», sagt Willi Wismer. Auch er sieht ein gewisses Verkehrsrisiko. «Nicht nur, dass es nervt, wenn jemand beim Anfahren den Motor abwürgt, auch Auffahrunfälle und Fehlmanipulationen wie verschalten vor einer Kurve passieren schneller», betont Willi Wismer.

Automaten auf Vormarsch

Er geht allerdings davon aus, dass Personen, die auf einem Automaten gelernt haben, gar nicht erst handgeschaltet fahren wollen oder aber so vernünftig sind und es sich von jemandem beibringen lassen, vorzugsweise einem Profi. «Man muss auch mit der Technik mitgehen und verstehen, dass es künftig immer weniger Autos mit Kupplung geben wird.»

Das Strassenverkehrsamt Kanton Zürich bestätigt auf Anfrage, dass seit der Abschaffung des sogenannten «Automateneintrags» eine Mehrheit der praktischen Führerprüfungen der Kategorie B mit Automaten stattfindet. Bis Ende 2020 wurden bei den kantonalen Strassenverkehrsämtern insgesamt 187 299 Prüfungen absolviert. Das entspricht einem Zuwachs von gut zwölf Prozent.

Wie Autoscout24 mitteilt, wurde letztes Jahr schweizweit nur noch jeder fünfte Neuwagen mit Kupplungspedal ausgeliefert. Fünf Jahre zuvor waren es noch doppelt so viele. In den USA sind Automatikgetriebe schon seit Jahrzehnten in der grossen Mehrzahl. Auch in China und Japan sind Schaltgetriebe selten anzutreffen. «Da die Nachfrage nach Automaten in der Schweiz steigt, erhöht Mobility deren Anteil laufend. Heute stehen wir bei 1770 von rund 3000 Fahrzeugen, die mit Automatikgetriebe ausgestattet sind», sagt Patrick Eigenmann von der Autovermietung Mobility.

Jugend verändert sich

Ein wichtiger Faktor spielt auch der Umweltgedanke und die wachsende Elektromobilität. Elektroautos sind nur mit Automatikgetrieben erhältlich. Bei den Neuwagen, die auf der Online-Plattform Autoscout24 angeboten werden, ist fast jeder Zehnte voll elektrisch. 2018 war es noch nicht einmal jeder Hundertste.

Bei der Stadtzürcher Fahrschule LetZHgo absolvieren von jährlich rund 700 Fahrschülerinnen und Fahrschülern nur noch dreissig die geschaltete Prüfung. «Junge Männer wollen fast ausschliesslich Automaten fahren», sagt Fahrlehrer Gianni Sebestin. Frauen hingegen möchten oft beides können, also auch manuell fahren. Fakt sei jedoch, dass die Fahrschüler tendenziell mehr Stunden benötigen als früher – auch auf dem Automaten. Waren es früher im Schnitt 30 Stunden, seien es heute schon mal 50. «Die Jugend verändert sich. Viele lernen nicht mehr Velofahren, sondern sind mit Bus und Zug unterwegs. Die Lenkradbedienung ist das Problem», sagt Gianni Sebestin. Mehr Autounfälle auf der Strasse befürchtet der Fahrlehrer durch die Regelung nicht. «Wer es nie gelernt hat, kann in einem Auto mit Schaltgetriebe gar nicht erst losfahren.»

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung hegt Sicherheitsbedenken. «Beim manuellen Gangwechsel handelt es sich um eine komplexe psychomotorische Fähigkeit. Diese ist nicht einfach oder schnell erlernbar», sagt Mara Zenhäusern. Die BFU erachte es daher als wichtig, dass die Fertigkeit der Handschaltung zunächst unter geschützten Bedingungen geübt werde. «Um sicher am Strassenverkehr teilzunehmen, bedarf es der routinierten Beherrschung des manuellen Gangwechsels. Lenkende, die schaltunerfahren sind und nur Automatik-Fahrzeuge gewohnt sind, bringen diese Voraussetzung nicht mit.»

Willi Wismer vom Zürcher Fahrlehrerverband sieht noch ein anderes Problem: «Es gibt junge Leute, welche die Assistenzsysteme der Automaten bewusst ausschalten, um beispielsweise zu driften; das ist fatal». Grundsätzlich sei es aber gar nicht schlecht, auf einem Automaten zu lernen. Willi Wismer: «Junglenker können sich dann besser auf den Verkehr konzentrieren und geraten weniger in Stresssituationen, wenn sie nicht auch noch schalten und kuppeln müssen».

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir 9 ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare