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Stehen hinter der Einführung des Whistleblowing-Tools für die Städtische Verwaltung (v. l. n. r.): Arno Frieser (Vize-Direktor Finanzkontrolle Stadt Zürich), Janine Vollenweider (Projektleiterin und Direktions-Assistentin Finanzkontrolle Stadt Zürch) sowie Franco Magistris (Direktor Finanzkontrolle der Stadt Zürich). Bild: Sacha Beuth

Schutzprogramm für «Enthüller»

Von: Sacha Beuth

22. Juni 2020

Zwar bietet die Stadt Zürich sogenannten Whistleblowern schon seit Jahrzehnten die Möglichkeit, sich mit Hinweisen über Missstände in der Verwaltung an unabhängige Stellen zu wenden. Doch bislang war die vollumfängliche Anonymität der Enthüller nicht immer gegeben. Nun schafft ein neues «Schutzprogramm», welches die städtische Finanzkontrolle eingeführt hat, Abhilfe.

Vor Gesetzeswidrigkeiten wie Korruption, Betrug oder Bestechung und anderen illegalen Vorkommnissen sind weder private Unternehmen noch behördliche Institutionen gefeit. Auch die Verwaltung der Stadt Zürich bildet da keine Ausnahme. Erinnert sei etwa an die zahlreichen Verfehlungen des ehemaligen ERZ-Direktors Urs Pauli oder die Unregelmässigkeiten in der Sozialhilfe der Stadt Zürich, die 2007 publik gemacht wurden. Aufgedeckt werden diese Gesetzeswidrigkeiten nicht selten von sogenannten Whistleblowern (englisch für «Enthüller», «Hinweisgeber» oder «Verpfeifer»). Die gehen dabei meist ein hohes Risiko ein, laufen sie durch ihre Enthüllungen doch Gefahr, von Vorgesetzten und / oder Kollegen als «Verräter» gebrandmarkt und in der Folge gemobbt und entlassen zu werden.

Sicher und zeitgemäss

Umso wichtiger ist die Wahrung der Anonymität des Informanten. Zwar konnten sich Whistleblower bei Missständen schon zuvor an unabhängige Stellen wie die Finanzkontrolle oder die bereits 1971 geschaffene Ombudsstelle wenden. «Wollte jemand aber unerkannt bleiben und trotzdem mit uns in den Dialog treten, waren die dafür zur Verfügung stehenden analogen und digitalen Wege nicht mehr zeitgemäss und konnten den Identitätsschutz – je nachdem, wie uns die Meldung zugetragen wurde – minimieren», erzählt Franco Magistris, Direktor der Finanzkontrolle der Stadt Zürich. Ab sofort steht den Mitarbeitenden der Stadt, aber auch den Mietern, Kunden und Lieferanten ein neues, webbasiertes Tool zur Verfügung, das vollumfängliche Anonymität ermöglicht. Und zwar nicht nur bei der Abgabe der Meldung, sondern auch bei einer weiteren Kommunikation zwischen Whistleblower und Nachrichtenempfänger (siehe auch Box). «Das ist etwa entscheidend, wenn ein geschilderter Fall nicht klar ist und wir Rückfragen haben», erklärt Arno Frieser, Vizedirektor der Finanzkontrolle der Stadt Zürich. Er ist zusammen mit Magistris und einem Revisor einer von nur drei Bevollmächtigten, die die über das Tool eingegangenen Meldungen bearbeiten. «Die Daten werden in einem externen Hochsicherheitsrechenzentrum gespeichert. Wer Zugriff auf die Meldungen hat, bestimmen zwei Administratoren, denen aber wiederum selbst die Nachrichten nicht zugänglich sind», sagt Projektleiterin und Direktionsassistentin Janine Vollenweider und betont: «Das alles dient der Sicherheit und minimiert das Risiko, dass Unbefugte an die Daten gelangen».

Bislang war die städtische Finanzkontrolle als Anlaufstelle für Whistleblower wenig gefragt. «Die Meldungen lagen im einstelligen Bereich», sagt Magistris. Was natürlich die Frage aufwirft, warum dafür überhaupt ein besonderes Tool lanciert werden musste. Die Antwort dazu folgt umgehend: «Weil wir glauben, dass sich viele Leute bislang – gerade wegen des ungenügenden Identitätsschutzes – nicht getraut haben, Missstände zu melden. Das wollen wir ändern, denn ein Whistleblower ist kein Nestbeschmutzer, sondern es geht ihm darum, Missstände zu beseitigen, was ja auch im Sinn der Stadt Zürich ist.»

Deutlich mehr Meldungen

Viele Unternehmen und Institutionen wie die SBB, Axel Springer oder die Universität St. Gallen setzen schon länger auf diese Möglichkeit der Hinweisübermittlung. Oft führt das Tool zu einem sprunghaften Anstieg der Whistleblowing-Meldungen. So wuchs die Zahl der Hinweise bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle, die das Tool 2017 eingeführt hatte, von 3 im Jahr 2016 auf 59 im Jahr 2017, auf 125 im Jahr 2018 und schliesslich auf 148 im Jahr 2019. Wie sich die Einführung des Tools in der Verwaltung der Stadt Zürich auf die Anzahl Meldungen auswirkt, wird in ein bis zwei Jahren ersichtlich sein. «Ein Anstieg der Zahlen ist anhand der Erfahrungen anderer Institutionen wahrscheinlich», so Magistris.

Wie bisher werde dem Hinweisgeber aber auch über das neue Tool nicht kommuniziert, was man in der gemeldeten Angelegenheit unternehme und wie man vorgehe. «Wir bestätigen lediglich den Eingang der Meldung und stellen bei Bedarf Fragen. Ansonsten unterliegen wir wie alle anderen städtischen Mitarbeitenden dem Amtsgeheimnis.»

So funktioniert das neue Whistleblowing-Tool

Ab heute Mittwoch können Mitarbeitende, aber auch Kunden, Lieferanten und Mieter das neue Whistleblowing-Tool nutzen. Entwickelt wurde es von der Firma Business Keeper AG und ist unter www.stadt-zuerich.ch/whistleblowing zugänglich. Dort findet der Whistleblower Erläuterungen zum Tool und wird Schritt für Schritt durch die Hinweisübermittlung geführt. Er kann selber bestimmen, ob er nur eine Meldung abgeben oder über ein digitales Postfach für allfällige weitere Abklärungen zur Verfügung stehen will. Im zweiten (empfohlenen) Fall wird ein digitaler Schlüssel (Pin) erstellt, der nur dem Meldungsgeber bekannt ist. Über das digitale Postfach kann er nicht nur kommunizieren, sondern der Finanzkontrolle anonym auch allfällige Unterlagen (zum Beispiel schriftliche Beweise) zukommen lassen.

 

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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