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Oben blau, unten trüb und dunkel. Der Zürichsee ist bei Badenden beliebt. Die Temperaturunterschiede in Seen werden jedoch oft unterschätzt. Schon nach wenigen Metern kann es sehr kalt werden. Bild: GH

Schwimmen können allein schützt vor Ertrinken nicht

Von: Ginger Hebel

29. Juni 2020

Badeunfälle: Junge Männer ertrinken am häufigsten, weil sie sich überschätzen. Wegen Corona verbringen viele Leute Ferien an heimischen Gewässern. Fachleute sind besorgt und reagieren mit Kampagnen. 

Die Sonne scheint, alle wollen ins Wasser. Die jungen Männer lachen, stacheln einander auf, binden ihre Boote zusammen und springen kopfüber in den Fluss, bis einer nicht mehr auftaucht, weil ihn die Strömung mitreisst. Letztes Jahr sind 49 Menschen in Schweizer Gewässern ertrunken, darunter 25 Personen in Seen, 23 in Flüssen und eine Person in einem Bad. In der Stadt Zürich kam es zu elf Badeunfällen, dieses Jahr hat sich gemäss Angaben der Wasserschutzpolizei noch keiner ereignet. «Wir müssen diesen Sommer jedoch mit einem erhöhten Ertrinkungsaufkommen rechnen», sagt Philipp Binaghi von der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG. Wegen der Corona-Pandemie werden viele Menschen Ferien in der Heimat verbringen. Stadtzürcher Bäder haben die Personenbeschränkungen wieder aufgehoben, in verschiedenen Frei- und Seebädern entlang des Zürichsees gibt es aber nach wie vor begrenzte Kapazitäten. Es werden sich zwangsläufig mehr Personen an Seen und Flüssen aufhalten. «Wir befinden uns deswegen in höchster Alarmbereitschaft», sagt Binaghi.

Gefahr Brückenpfeiler

Wie die Ertrinkungsstatistik zeigt, handelt es sich bei den meisten Ertrunkenen um junge Männer zwischen 15 und 30. Dass sie sich häufig selbst überschätzen, beobachtet auch der Zürcher Rettungsschwimmer Urs Nussbaumer. «Oft wollen sie einander imponieren und bringen sich dadurch leider häufig in Gefahr.» Schwimmen können sei kein alleiniger Schutzfaktor. «Gegen starke Strömungen kommt auch der beste Schwimmer nicht an», betont Urs Nussbaumer. Besonders gefährlich sei weiss schäumendes Wasser in Flüssen. «Man hat darin wenig Auftrieb und geht schnell unter.»

Um Badende zu sensibilisieren und auf Gefahren im Wasser aufmerksam zu machen, hat die SLRG das Präventionsprojekt «Corona-Sommer 2020» lanciert. Mit Kampagnen wie «Save your friends», die in Zusammenarbeit mit Partner Visana entstanden ist, Infotafeln mit lebensrettenden Baderegeln, Crashkursen sowie einem Online-Sicherheitscheck zur Wassertauglichkeit möchten sie Ertrinken verhindern. Erstmals stehen Präventions-Patrouillen im Einsatz sowie Badewachen an öffentlichen Gewässern.

Im Sommer ist die Limmat voller Gummiböötli, doch beim Schlauchboot-Fahren passieren immer wieder Unfälle. Die Stadtpolizei Zürich hat beim Gemeinschaftszentrum Wipkingen, dem Haupteinsteigeort in die Limmat, Warntafeln aufgestellt, die auf Gefahren und den letzten Ausstieg beim Höngger Wehr hinweisen. Brückenpfeiler würden oft zu wenig beachtet und zu wenig weit umfahren. «Durch den enormen Wasserdruck kann ein kleines Boot bei der Kollision mit einem Brückenpfeiler schnell überfluten und kentern», erklärt Urs Nussbaumer. Das Beste sei, auf dem Schlauchboot eine Schwimm­weste zu tragen, damit man ins Wasser springen kann. Luftmatratzen, aber auch aufblasbare Einhörner sind ihm ein Dorn im Auge. «Sie bieten keine Sicherheit. Deshalb gehört ein Kind mit Schwimmflügeli nie ins tiefe Wasser.»

In den Achtzigerjahren war Urs Nussbaumer Bademeister im Seebad My­thenquai, heute ist er Rettungsschwimmer und Sanitäter. Das Wasser ist sein Element, doch er kennt seine Grenzen. Weite Strecken schwimmt er nie alleine – und wenn, dann mit einer Schwimmhilfe wie einer Boje am Fuss. «Jeder kann mal einen Krampf oder einen Schwächeanfall erleiden.» Jedes Gewässer birgt Gefahren. So auch der See, selbst wenn er so ruhig daliegt wie ein Spiegel. Nussbaumer: «Die Temperaturunterschiede eines Sees werden häufig unterschätzt. Oft kann es bereits nach wenigen Metern sehr kalt sein; das ist, als würde man gegen eine Wand schwimmen.»

Weitere Informationen:

www.coronasummer2020.ch

www.saveyourfriends.ch

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

 

 

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