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Über 1000 Personen nahmen an der Demo teil. (Bild: Alexandra Wey / Keystone)

Sicherheitsvorsteherin verteidigt Vorgehen

Von: Christian Saggese

09. Juni 2020

Am Pfingstmontag haben rund 1000 Leute trotz Covid-Verordnung gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert. Die Polizei ist nicht eingeschritten. Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart stützt dieses Vorgehen. 

Die Coronakrise hat auch Einfluss auf das politische Leben der Stadt Zürich. Kundgebungen und Proteste waren zeitweise nur noch im kleinen Rahmen von fünf Personen erlaubt, rund um Pfingsten durften es bis zu 30 Teilnehmende sein. Und doch bot sich am Pfingstmontag ein Bild, welches man in der Stadt Zürich seit langem nicht gesehen hat, und teils auch für Unverständnis sorgte. Eine Demonstration von mehr als 1000 Leuten zog vom Bullingerplatz bis in die Innenstadt. Die Teilnehmenden, darunter auch Familien, demonstrierten gegen Rassismus und Polizeigewalt, nachdem das Video der Tötung von George Floyd in den USA viral ging und viele aufgeschreckt hat. Dabei blieben die Demonstranten aber friedlich und gewaltfrei, so das Fazit des Sicherheitsdepartements.


Es folgte Kritik. Für die SVP Zürich sei die «klare Missachtung des vom Bundesrat verordneten Versammlungsverbotes» unhaltbar (siehe Box unten).


«Natürlich haben die Demonstranten gegen geltendes Bundesrecht verstossen», ist sich Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) bewusst. Und «natürlich hätte diese Demonstration nicht stattfinden dürfen – theoretisch. Aber die Praxis ist manchmal anders als die Theorie». Die Polizei hätte die Teilnehmenden nämlich gemäss der Covid-Verordnung auffordern müssen, die Demo zu verlassen. «Und wenn sie dies nicht befolgt hätten, hätte die Polizei die vielen hundert Leute einkesseln, dann jeden Einzelnen kontrollieren und büssen müssen. Das hätte gedauert, und all die Leute wären im Polizeikessel auf engstem Raum beisammen gewesen.» Das wäre das Gegenteil dessen, was der Bundesrat möchte, ist Karin Rykart überzeugt. «Ausserdem hätte den Teilnehmenden eine Busse von 100 Franken gedroht. Für eine Busse Gewalt anwenden und Menschen über Stunden festhalten? Kaum jemand findet das verhältnismässig. Aber: Jede Intervention der Polizei muss verhältnismässig sein», so Rykart.

Ein Einsatz «undenkbar»

Laut der Sicherheitsvorsteherin sei der Entscheid der Polizei, nicht einzugreifen, für sie persönlich und im Nachhinein auch inhaltlich richtig gewesen. «Man stelle sich einmal vor. Da sitzen tausend Menschen friedlich beisammen und gedenken dem wehrlosen Schwarzen, der von Polizisten mit massiver Gewalt traktiert wurde, zu Boden gedrückt, bis er sein Leben verlor. Und während die Kundgebungsteilnehmer also stumm diesen fürchterlichen Akt verurteilen und George Floyd gedenken, fährt die Stadtpolizei ein und treibt sie mit Gewalt auseinander? Für mich undenkbar.»

 

Wie geht es nun weiter? Wird die Stadtpolizei Demonstrationen in der Folge einfach gewähren lassen? «Nein. Sie wird tun, was mit Augenmass und Vernunft möglich ist. Allerdings wird sie eine bestehende, friedliche Demo – auch wenn sie auf 400 oder mehr Teilnehmende anwächst – kaum mit Gewalt auflösen. Aus dem gleichen Grund, wie sie auch an Pfingsten nicht eingeschritten ist – es wäre unverhältnismässig.» Grundsätzlich seien seit dem letzten Wochenende, dank der neuen Lockerungen, Demonstrationen bis zu 300 Teilnehmenden wieder möglich, sofern eine Bewilligung und ein entsprechendes Schutzkonzept vorliegen. Rykart: «Dass diese Vorgabe draussen auf der Strasse überhaupt nicht praktikabel ist, ist offensichtlich. Entsprechend hat sich am Wochenende die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren mit seltener Deutlichkeit geäussert.»

Zudem habe es beim Bund einen Paradigmenwechsel gegeben, der in die Haltung der Polizei einfliesst. «Die Verantwortung jedes und jeder Einzelnen steht seit dem 8. Juni klar im Vordergrund, weniger die Repression», so Rykart. Das heisst: Die Rolle der Stadtpolizei ist nun regulierend und ermahnend. «Die Bevölkerung und damit auch die Demoteilnehmenden sollen im Eigeninteresse und zum Schutz der anderen zur Einhaltung der Schutzvorgaben ermahnt werden.»

 

 

Die SVP der Stadt Zürich ist empört über den Standpunkt, dass auch künftig bei Demonstrationen über 300 Personen die bundesrätliche Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus nicht angewendet werde, wie die Partei in einer Medienmitteilung von gestern Dienstagnachmittag schreibt. Die Partei fordert deswegen die Sicherheitsvorsteherin auf, ihre Weisung rückgängig zu machen und sich an der übergeordnete Bundesrecht zu halten. Um dieser Forderung Nachachtung zu verschaffen, hat die SVP der Stadt Zürich eine Eingabe an den Statthalter des Bezirks Zürich gerichtet mit dem Antrag, gemäss dessen Befugnissen und Pflichten gegen die Weisung der Stadt Zürich (Sicherheitsdepartement) aufsichtsrechtlich vorzugehen.



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