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Das Tanzhaus Zürich verlor 2012 durch einen Brand seinen Hauptaufführungsraum. Mit dem Ersatzneubau mit den auffälligen trapezförmigen Beton- und Glaselementen gewinnt nun auch das Limmatufer. Bild: Simon Menges

Tanz am Limmatufer

Von: Isabella Seemann

27. August 2019

Tanzhaus Im Nachhinein ist es Glück im Unglück: Nach einem Brand startet das Zürich mit seinem Ersatzneubau in eine neue Ära. Das 14,4 Millionen teure Gebäude an der Limmat ist die einzige Produktionsstätte für zeitgenössischen Tanz in der Deutschschweiz – soll aber auch der Quartierbevölkerung dienen.

Wenn der Zürcher ein neues auffälliges Bauwerk sieht, dann lässt der Spitzname nicht lange auf sich warten. Noch bevor es offiziell eröffnet wurde, nennen die Spaziergänger auf dem Kloster-Fahr-Weg das ausdrucksstarke Gebäude mit den Beton- und Glas-Dreiecken durchaus respektzollend: «Toblerone-Haus». Tatsächlich symbolisiert diese wechselhaft strukturierte Fassade mit den schlanken Trapezen aber den Rhythmus. Denn dahinter wird getanzt. Der Kulturbau des renommierten Architekturbüros Barozzi/Veiga aus Barcelona ist ein moderner Hingucker am Limmatufer, der die Bedeutung des Tanzhauses Zürich für das zeitgenössische Tanzschaffen in der Schweiz spiegelt.

Er ist die neue Heimat für die Tanzschaffenden einer wachsenden freien Tanzszene. Im Tanzhaus Zürich lernen die Künstler primär, ihre Tanzprojekte zu entwickeln, zu finanzieren und sie zur Aufführung zu bringen. Es werden Trainings für Profitänzer und Choreografen angeboten, aber auch Kurse für Kinder und Erwachsene, die gerne tanzen. Laut dem Leistungsauftrag der Stadt ist das Haus «eine zentrale Anlaufstelle für Tanzschaffende aller Generationen». Residenzen erlauben zudem lokalen, nationalen und internationalen Künstlern Recherche- und Entwicklungszeit.

Das neue Tanzhaus ist aber nicht zuletzt auch ein Haus, das für alle offen steht. So wurde der bislang an dieser Stelle enge und schmuddelig wirkende Uferbereich aufgewertet und verbreitert. Im Foyer wird eine Cafeteria und Bar eröffnet mit dem ganz unprüden Namen «Nude» (nackt), wo sich Tanzschaffende, Quartierbewohner und Spaziergänger treffen können. Ausserdem ist an der Wasserwerkstrasse 127 a nun auch ein grosser Saal mit mobiler Zuschauertribüne untergebracht.

Ein Jahr Verspätung


Dass so nah an der Limmat zwischen denkmalgeschützten Gebäuden überhaupt ein Neubau entstehen konnte, ist einem Unglück geschuldet. 2012 brannte das städtische Gebäude wegen eines Mottbrandes bis auf die Grundmauern nieder. Einst ratterten in der Halle die Maschinen der Seidenweberei; seit einiger Zeit wurden die weiten und hohen Räume von der Schweizerischen Textilfachschule (STF) und dem Verein Tanzhaus Zürich genutzt. Nach dem sogenannten Brandstattrecht musste das neue Gebäude an der gleichen Stelle und im gleichen Umfang erstellt werden. Während des Baus wichen die Tänzer teilweise in den Mediacampus in Zürich-Altstetten aus.

Ein Meilenstein für das Tanzhaus war die Abstimmung vom Mai 2017. Die Stadtzürcher bewilligten einen jährlichen Beitrag von maximal 1 827 166 Franken. Mit dem Betrag erlässt die Stadt dem Verein Tanzhaus Zürich die Jahresmiete von maximal 950 000 Franken. Der Rest kann in den Betrieb investiert werden. Auch für den Neubau kommt grösstenteils die Stadt auf. Von den 14,5 Millionen übernahm sie 11,5 Millionen Franken. Insgesamt ergibt sich für das Tanzhaus im Vergleich zur früheren Raumsituation ein Netto-Mietflächenzuwachs von 247 Quadratmetern.

Ein Jahr später als geplant wird das neue Tanzhaus Zürich offiziell am Freitag, dem 6. September, im Beisein von Stadtpräsidentin Corine Mauch und mit einem dreitägigen Fest eröffnet, an dem alle Räume betanzt werden.

Weitere Informationen: www.tanzhaus-zuerich.ch

4 Fragen an
Catja Loepfe

Tanzen Sie eigentlich auch selbst?
Catja Loepfe: Nur noch an den Premierenfeiern. Ich habe während der Uni hobbymässig Flamenco und Jazztanz besucht sowie  Theater gespielt. Zum zeitgenössischen Tanz kam ich dann als passionierte Zuschauerin.

Das Tanzhaus gilt als eines der wichtigsten Zentren für das zeitgenössische Tanzschaffen in der Schweiz. Diesem haftet etwas Unzugängliches an. Hier haben Sie die Gelegenheit, den zeitgenössischen Tanz einem breiten Publikum schmackhaft zu machen.

Das Unzugängliche ist historisch gewachsen. Wir sind eine text- und schriftbasierte Kultur. Man muss nicht alles mit dem Intellekt begreifen und darf den eigenen Emotionen ruhig vertrauen. Unser Vermittlungsangebot versucht hier Abhilfe zu schaffen. Mit den neuen Open Classes bieten wir Tanzkurse in diversen Stilen für Amateure jeden Alters an. Wir vermitteln mit unseren Gratis-Sharings kurze Einblicke in künstlerische Schaffensprozesse. Das Aufführungsprogramm hat für alle etwas zu bieten.

Welche Möglichkeiten bietet das Tanzhaus neu, was vor dem Brand nicht möglich war?

Das gesamte Team hat den Neuanfang bereits beim Einzug ins neue Gebäude gespürt. Durch die neuen Räume an einer Adresse bieten wir auch neue Formate an und mit dem Café und Bar Nude entsteht ein attraktiver Begegnungsort für Tanzschaffende sowie die Bewohner der Stadt Zürich und darüber hinaus.

Was sind Ihre Ziele für das Tanzhaus?

Am Anfang stand die Vision einer grösseren Compagnie, welche mittels Tanz auf Menschen zugeht und das Zeitgenössische auf eine verständliche Dimension herunterbricht. Die Vision ist jetzt konkret: Mit The Field unterstützen wir ein neu gegründetes Compagniekollektiv, das einmal pro Jahr eine Bühnenperformance erarbeitet und darüber hinaus mit der Gesellschaft interagiert. Tanz hat das Potenzial, etwas zur Verständigung und Integration beizutragen. Wenn die Menschen mehr tanzen würden, wäre der Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft einfacher. The Field schreibt sich dieses Anliegen auf die Fahne.

 

 

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