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Frauenkette für den Frauenpalast, 1987. «Dass wir in dieser Stadt zu wenig Raum – Freiräume für uns Frauen haben, ist tagtäglich einschränkende Realität.» Aus dem Nutzungskonzept für das Frauenkulturzentrum. Ende der 1980er sollte in einem der freiwerdenden Zeughäuser im Kreis 4 ein Frauenkulturzentrum entstehen: ein Frauenpalast für Frauenkultur. (Bild: Gertrud Vogler, Sozialarchiv Zürich)

Was Frauen fordern

Von: Isabella Seemann

08. Juni 2021

Das Stadthaus lenkt zum 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts mit der Schau «Was wollt ihr denn noch?» die Aufmerksamkeit auf die Forderungen und das Engagement von Zürcher Feministinnen – gestern und heute. 

Der vorliegende Beitrag ist, Stand gestern, der 3639. Artikel seit Jahresbeginn in einer deutschsprachigen Schweizer Zeitung, der das 50-Jahr-Jubiläum zum Frauenstimmrecht zum Thema hat. Ungezählte TV-Sendungen, regalweise Bücher, massenhaft Vorträge, Führungen und Expositionen kommen hinzu. Und jetzt auch noch die Ausstellung im Stadthaus, die jene mit leicht genervter Note vorgetragene Frage gleich in den Titel aufnimmt: «Was wollt ihr denn noch?».

Es ist eine dokumentarische Schau, für all jene, die noch lange nicht genug haben. «Ich will kein Chnopf ufmache zum meh Trinkgeld becho!», fordert eine Frau und «Ich will, dass die Gewerkschaften, Presse und Politik endlich den realen Einkommensunterschied (Nettoeinkommen) skandalisieren: 42 Prozent!», fordert eine andere auf den Flaggen, die im Innenhof des Stadthauses hängen und auf Tafeln in einem Drehkasten abgebildet sind. Die 90 Porträts mit Forderungen von Frauen, die die Fotografin Mali Lazell am Tag des feministischen Streiks 2019 auf dem Kanzleiareal aufgenommen hat, setzen den Ton der Ausstellung.

Forderungen an die Politik

Entlang sieben Stationen mit Themen wie «Räume für Frauen», «bezahlte und unbezahlte Arbeit» oder «Einsatz für Frauenrechte» wird aufgezeigt, welche Forderungen Zürcher Feministinnen an die Gesellschaft und die Politik gestellt haben und noch immer stellen. Es wird an die Zürcher Publizistin und Marxistin Rosa Bloch-Bollag erinnert, die die Arbeiterinnen zum Landesstreik aufrief und am 17. Juni 1918 zu den drei Frauen gehörte, die zum ersten Mal überhaupt offiziell im Kantonsrat Zürich sprechen durften. Erst 52 Jahre später – nach Einführung des kantonalen Frauenstimmrechts 1970 – sprach wieder eine Frau im Zürcher Kantonsrat.

Kurz bevor in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt wurde, entstand auch in Zürich eine neue, linke Frauenbewegung, die sich von den Frauenrechtlerinnen der «alten Garde» vehement abgrenzte und mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern aufmerksam machte. Eher kurios wirken aus heutiger Sicht manche links-feministische Projekte aus den 1970er und 80er Jahren in autonomen Zürcher Frauenzentren, die an der Ausstellung vorgestellt werden, wie die Selbsthilfegruppen zur gynäkologischen Selbstuntersuchung mit Spekulum und Spiegel, die den Frauen Kenntnis über ihren eigenen Körper vermitteln und dem bisherigen Ausgeliefertsein an Frauenärzten entgegenwirken sollten. Die Rückeroberung des eigenen Körpers steht freilich am Anfang der Selbstbestimmung. In der Folge wurden tabubesetzte Problemfelder wie Vergewaltigung, häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch ans Licht gezerrt.

3. Welle des Feminismus

Der Grundsatz der Gleichstellung wird am 14. Juni 1981 in der Bundesverfassung aufgenommen. Gleichstellungsbüros entstanden wie die heute genannte Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich, die auch an der von «Stadt Kultur Zürich» organisierten und von den Historikerinnen Lou-Salomé Heer und Bettina Stehli kuratierten Ausstellung im Stadthaus beteiligt ist.

Auch die dritte Welle des Feminismus, die man als weitere Spaltung der Frauen wahrnehmen kann, spiegelt sich in der Ausstellung. Das feministische Profil wird verwässert, die neue Bewegung versteht sich als intersektional, heteronormativkritisch und queer.

50 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts hallt eine neue Forderung durchs Stadthaus: das Stimm- und Wahlrecht für die ausländische Wohnbevölkerung. Was der Rundgang durch die Ausstellung auch erkennen lässt: Feministische Bewegungen und Strömungen sind vielfach unter Druck geraten, auch weil einige unter ihnen selbstgenügsam wurden und den Bezug zur politischen Realität verloren haben. Und: Die Fronten verlaufen nicht entlang der Generationen, sondern entlang politischer Haltungen.

«50 Jahre Frauenstimmrecht in Zürich – Was wollt ihr denn noch?» ist bis am 18. Dezember im Stadthaus Zürich zu sehen. Informationen unter:
www.stadt-zuerich.ch/ausstellung

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