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Patronenherstellung in einem Rüstungsbetrieb – das soll die Schweiz künftig nicht mehr finanziell unterstützen. Bild: iStock

Was und wem nützt die Kriegsgeschäfte-Initiative?

Von: Sacha Beuth

10. November 2020

URNENGANG Die Volksinitiative «Für ein Verbot von Kriegsgeschäften» geht nicht nur dem Bundesrat, sondern auch der Stadtzürcher SVP viel zu weit und ist laut Nationalrat Mauro Tuena schädlich für den Wirtschaftsstandort Zürich. Die Stadtzürcher SP um Co-Präsidenten Oliver Heimgartner widerspricht vehement und weist darauf hin, dass etwa Pensionskassen auch ohne Investitionen bei Kriegsmaterialproduzenten Rendite erzielen können.

Geld mit Kriegsmaterial zu verdienen, ist unethisch. Das ist der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung auch klar, ohne dass deswegen am 29. November über die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» abgestimmt werden müsste (siehe auch Box). Weniger klar jedoch ist, inwieweit man damit Leid, das durch Kriege und Waffen ausgelöst wird, verhindert und inwieweit dadurch Schweizer Institutionen sowie Unternehmen eingeschränkt beziehungsweise geschädigt werden.

Gefahr für Firmen in Zürich

Aus Sicht der Stadtzürcher SVP droht bei einem «Ja» einiges Ungemach: «Ein Finanzierungsverbot, wie es die Initiative vorsieht, würde nicht nur die Nationalbank, sondern auch Stiftungen und Pensionskassen sowie die AHV / IV / EO unverhältnismässig stark in ihren Tätigkeiten treffen. Betroffen wären die rund 1700 Schweizer Pensionskassen, die Anlagevermögen von etwa 820 Milliarden Franken verwalten», sagt Nationalrat Mauro Tuena. Ein «Ja» würde auch den Industriestandort Schweiz schwächen. Vor allem den hiesigen KMU der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie würde der Zugang zu Krediten erschwert, wenn sie Teil einer Zulieferkette für Rüstungsbetriebe im In- oder Ausland sind. Die MEM-Industrie beschäftige heute insgesamt 320 000 Angestellte und umfasse rund 13 400 Betriebe. Diese hätten 2017 immerhin stolze 7,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes erwirtschaftet. Und, so Tuena: «Unzählige dieser Firmen haben ihr Domizil in Zürich.»

Oliver Heimgartner, Co-Präsident der Stadtzürcher SP, ist dagegen überzeugt, dass ein Ja keine negativen Auswirkungen hätte, und nimmt als Beispiel hierfür die Pensionskasse der Stadt Zürich. «Diese ist mit einem Anlagevolumen von um die 15 Milliarden Franken eine der grössten Pensionskassen der Welt und investiert schon seit mehreren Jahren nicht mehr in viele internationale Kriegsmaterialproduzenten. Das zeigt: Die Initiative ist problemlos umsetzbar.» Auch für die AHV / IV sei die Initiative keine Gefahr. «Erstens investiert die AHV / IV im Vergleich zu Pensionskassen sehr wenig in internationale Aktien – und damit auch in internationale Rüstungskonzerne. Zweitens sind nachhaltige Anlagen ohne Rüstungsaktien sogar positiv für die Rendite – unsere AHV hätte bei einem JA mehr Geld.»

Nebst den finanziellen Aspekten bringt Heimgartner aber vor allem ethische Argumente ins Spiel: «2019 wurden weltweit 1900 Milliarden US-Dollar in die militärische Aufrüstung investiert. So viel wie noch nie seit dem Ende des Kalten Krieges. Und eines ist klar: Je mehr Waffen es gibt, desto höher ist das Risiko für Krieg. Auch die Nationalbank, unsere Pensionskassen und die Grossbanken beteiligen sich an diesem Geschäft mit dem Tod und investieren jährlich Milliarden in die internationale Rüstungsindustrie – das ist unvereinbar mit der Schweizer Neutralität.»

Für Tuena wiederum ist klar, dass sich bei Annahme der Initiative – abgesehen vom bürokratischen Mehraufwand, weil Schweizer Unternehmen jedes Jahr tausende Geschäftspartner auf deren Umsatz mit Kriegsmaterial überprüfen müssten – nichts ändern würde. «Da sich das Finanzierungsverbot dann nur in der Schweiz vollstrecken lässt, mangelt es an Einfluss auf die weltweite Nachfrage und dem einhergehenden Angebot von Kriegsmaterial. Zudem existiert in der Schweiz schon ein Finanzierungsverbot für chemische, biologische und atomare Waffen sowie für Streumunition und Anti-Personenminen.»

Heimgartner sieht dies anders. «Der Schweizer Finanzplatz, unsere Nationalbank und unsere Pensionskassen zählen zu den grössten und stärksten der Welt. Wenn wir uns entscheiden, nicht mehr in Rüstungskonzerne zu investieren, hätte das international eine enorme Wirkung. Mit dieser Initiative könnten wir konkret etwas gegen Kriege und Konflikte machen und den Frieden fördern.»

Die Initiative in Kürze: Darum geht es

 

Waffen verursachen weltweit viel Leid. Um dieses zu minimieren, hat das «Bündnis für ein Verbot von Kriegsgeschäften» mit der Trägerschaft von GSOA und Jungen Grünen, die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» eingereicht. Die Vorlage sieht vor, dass weder Nationalbank noch andere staatliche Einrichtungen (z. B. AHV, Pensionskassen) und Stiftungen sich an der Finanzierung von Unternehmen beteiligen dürfen, die mit Kriegsmaterial mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes generieren. Das Finanzierungsverbot würde auch Aktien von Kriegsmaterialproduzenten und Anteile an Fonds, die solche Aktien enthalten, mit einschliessen. Nebst Bundesrat und Parlament lehnen von den grossen Parteien FDP, SVP, CVP und GLP die Initiative vorab aus wirtschaftlichen Gründen ab. SP, Grüne und EVP empfehlen dagegen vorab aus ethischen Gründen ein Ja.

Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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