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Auf Flohmärkten sind auch gestohlene Smartphones erhältlich. (Symbolbild)

Wegen Handykauf in Bredouille geraten

Von: Isabella Seemann

14. Mai 2019

Ein Schnäppchenjäger hatte auf dem Kanzlei-Flohmarkt ein gestohlenes Handy gekauft, was ihm eine Verurteilung wegen Hehlerei einbrachte. Doch dieses Urteil will der Mann aus Nigeria nicht auf sich sitzen lassen.

Ach, es hat alles so einfach ausgesehen. Da glaubte die Polizei mit Joseph* einen dicken Fisch an der Angel zu haben: Der 37-jährige Nigerianer mit Zöpfchenfrisur ist vor 16 Jahren als Asylbewerber in die Schweiz gekommen, spricht noch immer kaum Deutsch, zeugte drei Kinder mit zwei Frauen und pflegt wechselnde Damenbekanntschaften, ist häufig arbeitslos und bezieht derzeit Sozialhilfe. Immerhin: Die Vorstrafen sind getilgt.

Vor einem halben Jahr klagte ihn die Staatsanwaltschaft der Geldwäscherei und der Hehlerei an. Joseph hatte einem asylsuchenden Eritreer sein eigenes Bankkonto für Geldüberweisungen von rund 34 000 Franken zur Verfügung gestellt. Das Verfahren zu diesem Punkt wurde eingestellt, weil sich ein verbrecherischer Ursprung des Vermögens nicht nachweisen liess. Bei der Hausdurchsuchung wurde jedoch ein gestohlen gemeldetes iPhone 6s im Neuwert von 560 Franken sichergestellt, das er für 80 Franken auf dem Flohmarkt Kanzlei erstanden hatte. Das Bezirksgericht hatte Joseph deswegen der Hehlerei schuldig gesprochen. Dieses erstinstanzliche Urteil will er nicht auf sich sitzen lassen, weshalb er vor Obergericht Berufung einlegt.

Keine konkreten Beweise

Auf die Fragen des Richters reagiert Joseph jedoch maulfaul, den gefütterten Wintermantel behält er wie ein Schutzschild während der ganzen Verhandlung an. Er habe nicht wissen können, dass das Handy gestohlen war. «Viele Afrikaner gehen auf den Kanzlei-Flohmarkt und suchen dort nach Schnäppchen», erklärt Joseph auf Englisch. Wieso er denn überhaupt ein rosagoldenes iPhone ohne Ladekabel und Pin-Code gekauft habe, will der Richter wissen. «Ich schlenderte durch den Flohmarkt, und es gefiel mir», lässt er den Übersetzer übersetzen. Was er damit habe machen wollen. «Nichts.» Da schnaubt der Richter ungehalten: «Sie haben Schulden, beziehen Sozialhilfe und geben 80 Franken für Nichts aus?» Verboten ist das nicht. Und ein Hehler ist nur, wer eine Sache kauft, obwohl er davon ausgeht, dass sie von jemand anderem etwa durch Diebstahl oder Betrug erlangt wurde. Sein Mandant sei demnach zu Unrecht wegen Hehlerei verurteilt worden, sagt der Verteidiger und zerpflückt Punkt um Punkt die von der Staatsanwaltschaft hingeklatschte Beweiskette. Sie habe keine konkreten Beweise, dass der Schnäppchenjäger vorsätzlich Diebesgut erwarb. Sein Mandant wusste auch nicht um den angeblichen Ruf des Kanzlei-Flohmarktes, wonach dort Diebesgut verhökert werde. «Offenbar unternehmen die Behörden nichts, sonst müssten ja die Verkäufer kontrolliert werden.» Auch des Staatsanwalts Argument, es müsse Verdacht wecken, wenn ein Mann ein rosagoldenes Handy verkaufe, schliesslich gelte diese Farbe als unmännlich, ist «angesichts der Genderdebatte äusserst bedenklich», entrüstet sich der Verteidiger. Daraus dürfe man Herrn Joseph keinen Strick drehen.

Anklageprinzip verletzt

Die drei Richter entscheiden sich schliesslich, das Verfahren einzustellen, weil das Anklageprinzip – wie schon beim Geldwäschereivorwurf – verletzt ist. «Der Angeklagte muss wissen, was ihm vorgeworfen wird, damit er sich verteidigen kann», erklärt der vorsitzende Richter. Dafür hätten wenigstens die Funktionstüchtigkeit und der Wert des iPhones abgeklärt werden müssen, was aber nie geschehen sei. Wenn dieser Wert unter 300 Franken ist, wäre es nämlich gar nicht zu einem Strafantrag wegen Hehlerei gekommen. Die Staatsanwaltschaft hat es sich also gleich doppelt zu einfach gemacht. Herr Joseph erhält nun 9000 Franken als Prozessentschädigung.

* alle Namen geändert

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