mobile Navigation

News

Kryptowährungen wie Bitcoin werden immer öfter als Zahlungsmittel akzeptiert – auch in Zürich. Bild: Adobe Stock

Zürich entdeckt das Bezahlen über die Blockchain

Von: Christian Felix und Sacha Beuth

26. Oktober 2021

FINANZSYSTEM Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether haben das Zeug, einen Umbruch aller Lebensbereiche auszulösen – ein Wandel, wie ihn nicht jede Generation erlebt.

Seit letzten Dienstag der erste amerikanische ETF (= Exchange Trade Fund, ein Investmentfund), das an die Kursentwicklung des Bitcoin gekoppelt ist, an der New Yorker Börse gehandelt wird, erlebt die Kryptowährung ein Allzeithoch. So stieg der Kurs letzte Woche bis auf 66 900 Dollar, ehe er bis am Montag wieder auf 61 982 Dollar fiel (siehe auch Lexikon-Text unten). Kein Wunder, wetten einige Staaten voll auf einen Boom von Kryptowährungen: Singapur, Liechtenstein und besonders Zug. Der kleine Schweizer Kanton gilt sogar weltweit als Krypto Valley, analog zum Silicon Valley in Kalifornien. Viele Kryptobörsen und -firmen haben im Kirschkanton ihren Sitz. Das mittelamerikanische Land El Salvador hat neulich den Bitcoin sogar zur Landeswährung erklärt. Brasilien überlegt sich denselben Schritt.

Angst vor Kontrollverlust

Anderswo fürchtet man das Veränderungspotenzial. Seit neustem sind Kryptowährungen in China endgültig verboten. In der Schweiz hat Nationalrat Roger Nordmann (SP) Anfang Oktober eine Motion eingereicht. Darin fordert er, dass der Handel mit Kryptogeld nur noch gestattet wird, wenn Käuferinnen und Käufer digitaler Währungen identifizierbar sind. Eine solche Regelung könnte das Kryptogeschäft aus der Schweiz vertreiben. Und überhaupt schätzen Kenner der Kryptoszene solche Versuche, die Entwicklung zu kontrollieren, als hilflos ein.

Rechnung in Bitcoin

Mit im Spiel ist auch Zürich. Einerseits als Hub der Blockchain-Technologie, mit der Kryptowährungen hergestellt werden. Der grösste davon befindet sich laut einem Artikel der «NZZ» im «Trust Square» an der Bahnhofstrasse 3. Andererseits ist die Limmatstadt innerhalb der Schweiz in Sachen «Transaktionen mit Kryptowährungen» vorne mit dabei. Genaue Daten liegen zwar nicht vor, aber laut dem Finanzdienstleistungsunternehmen Six liegt die Zahl der Geschäfte und Institutionen in der Stadt Zürich, die Kryptowährungen akzeptieren, im dreistelligen Bereich. Darunter befinden sich einige äusserst namhafte wie das Luxushotel Dolder Grand. Und es kommen laufend neue hinzu. Seit einem halben Jahr können auch Versicherte der Axa Winterthur ihre Rechnung mit Bitcoins zahlen. Und herkömmliche Währungen in Kryptowährungen umzutauschen (oder umgekehrt) ist in Zürich ebenfalls kein Problem mehr. Dies lässt sich zum Beispiel über die Geldautomaten der Bity SA bewerkstelligen. An sieben Standorten in der Stadt können an diesen die Währungen Bitcoin und Ether ver- und gekauft werden. Allerdings gibt es ein jeweiliges Limit von 1000 Franken pro Kauf beziehungsweise Verkauf. Auch an den SBB-Automaten sind seit 2018 Bitcoin-Überweisungen möglich.

Der Bitcoin unterliegt, so viel ist allgemein bekannt, massiven Wertschwankungen. Er hat anders gesagt eine hohe Volatilität. Einige Unternehmen wie die Axa versuchen diese aufzufangen. «Unser zwischengeschalteter Crypto Broker empfängt die Bitcoins und rechnet sie in Schweizer Franken um. Das heisst, die Axa empfängt nach wie vor eine Zahlung in Schweizer Franken.»

Kundinnen sind selten

Bisher bleibt die Anzahl von Kunden, die mit Bitcoin zahlen, unter den Erwartungen. Kundinnen übrigens sind selten. In der Kryptoszene gibt es kaum Frauen. Es sind fast nur jüngere Männer, die Kryptos halten und handeln und darüber diskutieren. Viele sind sogar noch Teenager. Einige wenige sind in kurzer Zeit reich geworden und bilden womöglich den Kern einer neuen wirtschaftlichen Elite.

An Anfragen von Interessierten mangelt es Axa nicht. Die Versicherung schreibt: «Das Medienecho nach der Publikation unserer Medienmitteilung zur Bitcoin-Bezahl­option hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen und war durchwegs positiv».

 

Das kleine Lexikon für Krypto-Neulinge

Kryptowährungen
Das griechische Wort «krypto» bedeutet verbergen, schützen. Eine Kryptowährung existiert nur virtuell. Es gibt keine Bankkonten, keine Kreditkarten, keine klassischen Bankkonten. Neben dem bekannten Bitcoin werden über zehntausend Kryptowährungen gehandelt. Zu den bekanntesten gehören neben Bitcoin Ether, Cardano, Polkadot und Solana.

Der Wert
Ein Bitcoin und andere Krypto­coins haben keinen inneren Wert. Das gilt aber genauso für alle nationalen Währungen wie Franken, Euro oder Dollar. Daher nennt man sie auch Fiat-Währungen, abgeleitet von lateinisch «fiat», es werde. Sie sind ebenfalls aus dem Nichts geschaffen. Ihr Wert ist eine blosse Behauptung, die gesellschaftlich anerkannt wird – oder eben nicht. Das ist selbst bei Gold der Fall. Als die ersten Europäer nach Amerika vordrangen, verstanden die Mayas und die Inkas nicht, weshalb diese Fremden so gierig nach dem gelben Metall suchten.

Schwankungen
Der Bitcoin startet 2009 mit einem festgelegten Wert von 10 Dollarcent. 2021 schwankte der Preis für einen Bitcoin zwischen 29 000 und 66 900 US-Dollar. Zuvor gab es aber auch Abstürze von um die achtzig Prozent. Diese Kursausschläge haben damit zu tun, dass immer noch eher wenig Kapital in Bitcoins steckt, derzeit rund eine Billion (Tausend Milliarden) Dollar. In Gold ist zehn Mal so viel angelegt, in Aktien hundert Mal. Daher benötigen Spekulanten im Verhältnis wenig Geld, um den Bitcoin auf Berg- und Talfahrt zu schicken – und erst recht kleinere Kryptowährungen.

Coins schürfen
Jeder und jede kann selbst einen Bitcoin herstellen. Man nennt das Mining, analog zu Gold schürfen. Um einen Bitcoin zu schaffen, muss jemand die weltweiten Transaktionen in Bitcoin festhalten und sichern. Er erstellt einen neuen Block. Für diese Arbeit gibt es zur Belohnung einen Anteil an Bitcoins. Das System ist so ausgerichtet, dass das Mining immer schwieriger wird. Auf diese Weise wird das Angebot beschränkt. Damit wird der Bitcoin rein theoretisch immer wertvoller.

Energieverbrauch
Das Mining verbraucht grosse Mengen an Elektrizität. Früher verwendete man Kohlestrom in China. Das Regime des Landes hat das inzwischen verboten. Die Kryptos weichen nach Texas, aber auch nach Norwegen oder Island aus. Dort gibt es nachhaltig hergestellte Elektrizität in grossen Mengen. Allerdings steht das Mining im hohen Norden in Konkurrenz zur steigenden Nachfrage nach Wasserstoff. Bisher ist es nicht gelungen, das Mining nachhaltig durchzuführen.

Handel
Es gibt weltweit Hunderte von Kryptobörsen. Wenn jemand an einer Börse angemeldet ist, gehen Ankauf und Verkauf rund um die Uhr in Echtzeit über die Bühne. Die Gebühren sind derzeit noch winzig. Wer hingegen als Bankkunde Aktien kauft, hat in der Regel keinen so unbeschränkten Zugang zur Börse und zahlt als Gebühr oft einen Prozentwert der gehandelten Summe, zum Beispiel ein Prozent von zehntausend Franken. Allerdings sind nicht alle Kryptobörsen vertrauenswürdig.

Blockchain
Die Blockchain ist nichts anderes als ein Kassenbuch. Wenn jemand einen Block erstellt hat, wird dieser elektronisch signiert, so wie früher die Zahlungen im Kassenbuch mit dem Poststempel. Ein neuer Block wird mit dem vorangehenden verbunden. So entsteht eine Kette, also eine «chain». Diese wird unverändert, unabhängig und dezentral auf allen beteiligten Computern gespeichert. Sie ist somit vor Manipulation oder Zensur geschützt. Eine Abweichung fällt sofort auf.

Freiheit für alle
Kein Verbot kann völlig verhindern, dass irgendein Mensch von einem Laptop aus irgendwo auf der Welt an einer Börse eine Kryptowährung handelt. So geben die Kryptowährungen den Individuen ein Stück jener Freiheit zurück, die derzeit durch die Überwachung von immer mehr Lebensbereichen verloren geht. Auf der anderen Seite eröffnen Kryptowährungen Erpressung und Steuerhinterziehung, Geldwäscherei und Korruption ungeahnte neue Möglichkeiten.

Die grossen Krisen
Zwei Mal in den letzten 15 Jahren stand die Weltwirtschaft am Abgrund. Der erste Schlag erfolgte mit der Finanzkrise. Noch schlimmer war die durch die Corona-­Lockdowns verursachte wirtschaftliche Katastrophe. Bei beiden Gelegenheiten schöpften die Zentralbanken der wichtigsten Wirtschaftsmächte Geld aus dem Nichts, um die Weltwirtschaft zu stützen. Nach der Lockdown-Krise haben die Staaten Summen an Dollars, Euros oder Yuans erschaffen, die jegliche Vorstellungskraft übersteigen. Über die Folgen daraus kann man nur mutmassen. Das Vertrauen in die Fiatwährungen fördert die Geldschöpfung jedenfalls nicht. Mit den digitalen Währungen könnten die Staaten keine solche Währungspolitik betreiben. Das liefe aber langfristig auf eine Entmachtung der Regierungen und der Zentralbanken hinaus.

zurück zu News

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare